Leitartikel

KHSG – wenn die Flausen Flügel tragen

Jürgen Fedderwitz

Sie kennen das mit den „Flausen im Kopf“? Meine Mutter wollte dieselben mir immer austreiben, wenn meine Ideen in ihren Augen mal wieder zu viele Flügel hatten. Wohlgemerkt, noch ganz ohne das taurinhaltige Red Bull. So etwas soll es bei Politikern auch geben. Da versetzen Gedanken dann sogar gleich Berge. Obwohl es bisweilen nur Flausen sind ...

Auch Minister Gröhe scheint davor nicht gefeit. Von den meisten gesundheitspolitischen Journalisten und von vielen Gesundheitspolitikern hat er ein gutes Zwischenzeugnis erhalten. Relativ ruhig, zumeist aus dem Hintergrund, hat er neben Initiativen zur Verbesserung der Pflege mit dem vorliegenden Entwurf zum Krankenhausstrukturgesetz nun einen echten Knaller im Gesetzeskörbchen. Denn wer meint, mit dem Krankenhausstrukturgesetz sei nur der Krankenhaussektor betroffen, der irrt! In diesem Entwurf, der noch im Herbst in das abschließende parlamentarische Verfahren gehen wird, gibt es unter anderem einen neuen Paragrafen zur Durchführung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Darin werden dem G-BA neue, zusätzliche Aufgaben gegeben. Voller Vorfreude und gar nicht stiller Erwartung fordert dieser zu der derzeit bestehenden Mitarbeiterzahl von 150 weitere 50 Planstellen. Während im Bundeskanzleramt der Nationale Normenkontrollrat über den Bürokratieabbau in Arzt- und Zahnarztpraxen diskutiert, bläst der Gesetzgeber den bürokratisch geprägten Regelungspopanz kräftig auf. Klar, wer Normen setzen will, der braucht Aktenordner.

Dieser Gesetzesentwurf hat es in sich: Nicht nur die anprangernde Information von Qualitätsverstößen an Dritte soll ermöglicht werden, nein – jetzt geht es erstmalig um die Umsetzung von Vergütungsabschlägen und sogar um den Wegfall des Vergütungsanspruchs. Zwar sollen diese Politiker-Träume zuerst „nur“ im Krankenhaus wahr werden, doch der Gesetzestext bezieht sich auf alle Versorgungs- bereiche. Die Idee ist nicht neu und geistert schon weltweit seit Jahren durch Politikerköpfe und die der Gesundheitsökonomen. Zu verlockend war und ist – zumindest in der Theorie – der Gedanke, auch mit Qualitätsauflagen die Finanzierungsprobleme in den verschiedensten Gesundheitssystemen angehen zu können. Dass damit jetzt in GKV-Deutschland der hehre Qualitätsgedanke als eine die Versorgung der Patienten verbessernde Ethikmonstranz entweiht wird, muss verwundern.

Die wissenschaftliche Begleitung dieser sogenannten „Pay-for-Performance“(P4P)-Modelle brachte nämlich bisher keinen Beleg für die Tauglichkeit. Im Gegenteil: Nach einem nur kurzzeitig erkennbaren Nutzen verpufft der Effekt mit zusätzlichem Knirschen schon nach wenigen Jahren. Besonders solche P4P-Konzepte, die einen rein ergebnisorientierten Vergütungsabschlag vorsehen, fallen durch. Gerade jene jedoch sind die Favoriten der Politik. Diese Begeisterung ist schon mit wenig Nachdenken nicht nachvollziehbar! Wie soll so etwas rechtssicher gehen? Wenn es ums Geld geht, wird es immer ernst – im Krankenhaus wie in der Praxis. Wer setzt die ergebnisgeprägten Zielnormen? Und auf welchen wissenschaftlichen Belegen bauen diese auf? Der Gang zum Sozialgericht wird zum Run. Besonders in der zahnärztlichen Versorgung erweisen sich derartige Konzepte schnell als Irrweg, auf dem der Patient zu oft im Weg steht und der einer von allen unerwünschten Defensivmedizin die bequeme Ausfahrt weist. So ist zu befürchten, dass die neuen gesetzlichen Regelungen, sollten sie denn tatsächlich umgesetzt werden, diesen Irrweg erst pflastern, dann die erwarteten Schlaglöcher notdürftig schließen und letztlich die Verwerfungen in der Spur zur Dauerlösung machen. Und wieder würde einmal mehr deutlich im politischen Alltag: Wenn die Flausen Flügel tragen … ist manche Bruchlandung schon vorgezeigt.

Dr. Jürgen Fedderwitz

Stellvertretender Vorsitzender der KZBV

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