Gastkommentar

Landlust?

Junge Ärzte lassen sich zwar durch finanzielle Anreize aufs Land locken, aber viel wichtiger scheint ihnen eine planbare Zukunft, meint Hans Glatzl, dgd-Redakteur, Vincentz-Network, Berlin.

Wer hätte das gedacht? Junge Ärzte zieht es wieder aufs Land in die Einzelpraxis! Darauf deuten zumindest die aktuellen Zahlen einer Existenzgründeranalyse der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) hin. Bevor die Gesundheitspolitiker der GroKo angesichts dieser erfreulichen Botschaft in Jubel ausbrechen, lohnt es sich, die Zahlen genauer zu hinterfragen.

Grundlage für den neuen Trend bilden 2.286 Existenzgründungen von Haus- und Fachärzten, die die apoBank 2013 und 2014 finanziert hat. Die Datensammlung wurde in Abstimmung mit dem Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ausgewertet.

Großstädte mit über 100.000 Einwohnern verlieren

Die wichtigste Aussage vorweg: Wenn das Konzept stimmt – wichtig ist die öffentliche Infrastruktur -, dann scheuen Jungmediziner die Niederlassung auf dem Land nicht. Bei Gründern im Alter unter 35 Jahren zeichnet sich hier sogar eine Wende ab. Großstädte mit über 100.000 Einwohnern verlieren an Attraktivität. Der Anteil der Existenzgründungen ist dort in den vergangenen Jahren um rund drei Punkte auf 46,2 Prozent zurückgegangen. Umgekehrt angewachsen der Anteil von Niederlassungen in Klein- und Mittelstädten.

Aber eine Schwalbe macht bekanntlich noch keinen Sommer. Ebenso wäre es wohl verfrüht, schon die Wende auszurufen. Denn bei der Grundversorgung braucht es offenbar noch verstärkte Anreize und einen langen Atem. Insgesamt lag der Anteil der Hausärzte unter den Existenzgründern 2014 bei 27,8 Prozent, unter allen niedergelassenen Ärzten aber bei 43,7 Prozent.

Das Problem verschärft sich noch dadurch, dass gerade bei Hausärzten der Anteil der Existenzgründungen auf dem Land, der im Zeitraum 2012/13 noch leicht zugelegt hatte, gegen den obigen Trend wieder von 11,5 auf 9,3 Prozent zurückgefallen ist. So stößt gerade bei den Hausärzten der Lockruf der Metropole noch immer auf offene Ohren. Der Anteil der hausärztlichen Existenzgründer in Großstädten stieg dementsprechend von 38,6 auf 41,2 Prozent.

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Der Jungmediziner von heute ist stolze 42 Jahre

Infolge der ärztlichen Weiterbildungsordnungen „hausgemacht“, aber deshalb nicht weniger problematisch, entwickelt sich das Durchschnittsalter, in dem sich Jung(?)-Mediziner selbstständig machen. Es steigt kontinuierlich von 41,6 Jahren in 2011auf 42,2 Jahre zwischen 2011 und 2014. Gleichzeitig nimmt auch der Anteil von Frauen an den Existenzgründern weiter zu, besonders bei den Fachärzten, bei denen der Frauenanteil unter den Neuniederlassungen zuletzt von rund 50 auf 54,2 Prozent gestiegen ist. Bei den Hausärzten blieb der Wert in den vergangenen drei Jahren dagegen bei knapp 52 Prozent stabil.

Eine nicht unerhebliche Hürde zur Niederlassung bilden gerade auch vor dem Hintergrund eines späten Berufseintritts die dafür notwendigen Investitionen. So kostet einen Hausarzt die Praxisneugründung im Durchschnitt 112.000 Euro, eine Übernahme kommt mit 3.000 Euro mehr kaum teurer. Der Beitritt in eine Berufsausübungsgemeinschaft hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 28.000 Euro verteuert, während Einzelpraxen mit 20.000 Euro Zusatzbelastung weniger kostentreibend waren. Somit lässt sich die Trendumkehr auch hier nachvollziehen.

Klar ist: Die Jungmediziner lassen sich zwar durch finanzielle Anreize ködern, aber viel wichtiger erscheint eine planbare Zukunft. Hier hat der Ärztetag bereits Signale bei der Reform der Weiterbildungsordnung gesetzt. Die Neuregelung der Gebührenordnung für Ärzte sollte ebenfalls mehr finanzielle Sicherheit bringen.

Nicht zuletzt ist das Drängen der Hausärzte und der Fachärzte der Grundversorgung im Ringen um die Verteilung der GKV-Gelder beim Thema nicht länger zu ignorieren. Absolut schädlich wäre hier eine Selbstblockade der Selbstverwaltung. Das zarte Pflänzchen einer aufkeimenden Landlust könnte sonst im heißen standespolitischen Verteilungskampf schnell verdorren.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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