MB-Studi-Barometer 2016

Am richtigen Rad drehen

Eine Umfrage unter Medizinstudierenden des Marburger Bundes hat ergeben: Das Interesse an Allgemeinmedizin ist größer, als es Berichte über einen Nachwuchsmangel nahelegen. Eine Stärkung der Attraktivität des Faches erwarten die Studierenden allerdings nicht von einer Reform der Ausbildung, sondern von einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für praktizierende Allgemeinärzte. Regierung und Ärzteschaft sehen den Handlungsbedarf woanders.

Die Allgemeinmedizin genießt bei Medizinstudierendenden einen guten Ruf und gilt vielen von ihnen als persönliche Perspektive. Das ergab eine Online-Umfrage des Marburger Bundes (MB-Studi-Barometer 2016) bei seinen studentischen Mitgliedern. Hier die Kernaussagen:

• Für knapp die Hälfte (49 Prozent) kommt nach dem Studium eine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin infrage.

• Bei drei Viertel der Studierenden würden verbesserte Rahmenbedingungen die Motivation erhöhen, als niedergelassener Hausarzt zu arbeiten.

• Die Schaffung neuer Verpflichtungen im Studium lehnen sie ab.

• Die Lehre im Fach beurteilen sie überwiegend positiv.

• Rund die Hälfte der Befragten kann sich nach dem Studium eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin vorstellen.

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Das Ergebnis der Umfrage passt nicht zum Masterplan

Was der Koalitionsvertrag sagt: Das MB-Studi-Barometer steht im Kontext gesundheitspolitischer Debatten um den „Masterplan Medizinstudium 2020“, der im Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Vertreter von Bund und Ländern erarbeiten derzeit Reformvorschläge, die im Sommer 2016 auf den Tisch kommen sollen. Es geht um folgende Schwerpunkte: eine zielgerichtetere Auswahl der Studienplatzbewerber, die Förderung einer größeren Praxisnähe – und vor allem: eine Stärkung der Allgemeinmedizin. Besonders kontrovers wird eine stärkere Einbindung der Allgemeinmedizin ins Studium diskutiert. Was die KBV sagt: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte sich mit eigenen Vorschlägen in der Diskussion zu Wort gemeldet. Diese skizzierte KBV-Vorstand Dipl.-med. Regina Feldmann auf der Vertreterversammlung am 4.12.2015 so: „Neben einer stärkeren Betonung der ambulanten Versorgung sind unsere wesentlichen Forderungen unter anderem die Neustrukturierung des praktischen Jahres in zwei ambulante und zwei stationäre Quartale, die Etablierung der Allgemeinmedizin als obligatorisches Prüfungsfach im II. Staatsexamen und die Verankerung der Grundversorgung im Studium durch die Einführung eines longitudinalen Praktikums.“ Hinzu kommt, dass im Versorgungsstrukturgesetz ein Förderprogramm für die Weiterbildung Allgemeinmedizin vorgesehen ist, dass derzeit zwischen der KBV der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem GKV-Spitzenverband konsentiert werden soll. Hier geht es unter anderem um die Angleichung der Weiterbildungsgehälter an vergleichbare Klinikgehälter. Was der Marburger Bund sagt: Mit Bezug auf das Studi-Barometer hält der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, eine verstärkte Pflicht zur Allgemeinmedizin während des Studiums für nicht zielführend: „Die Allgemeinmedizin ist bereits gut im Studium vertreten und genießt bei vielen Studierenden einen guten Ruf“, erklärte er auf Nachfrage. „Aus Sicht der Medizinstudierenden gibt es keine Notwendigkeit, zusätzliche Pflichtabschnitte einzuführen, beispielsweise im Praktischen Jahr. Außerdem müssen Studieninhalte aus sich heraus begründet sein, weil es die Ausbildung erfordert – und nicht, weil eine bestimmte Fachgruppe Nachwuchssorgen hat.“ Henke weiter: „Eine Stärkung der Allgemeinmedizin erwarten die Studierenden nicht von weiteren Regulierungen in der ärztlichen Ausbildung, sondern von einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Tätigkeit als Allgemeinarzt.“ Deswegen mahnt Henke an, die stärkere Förderung der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin endlich auf den Weg zu bringen.

###more### ###title### Lehre gut, PJ gut, Pflicht-Tertial unnötig ###title### ###more###

Lehre gut, PJ gut, Pflicht-Tertial unnötig

Was die Studenten genau wollen: Schaut man sich die Ergebnisse des Studi-Barometers im Einzelnen an, so beurteilen 56 Prozent – der Umfrage zufolge – das Ansehen der Allgemeinmedizin als „gut“, drei Prozent als „sehr gut“. Für 38 Prozent ist das Ansehen „schlecht“, für drei Prozent sogar „sehr schlecht“. Eine ähnliche Beurteilung bekommt die Lehre des Faches: Fast drei Viertel der Befragten (10 Prozent „sehr gut“, 63 Prozent „gut“) haben eine positive Meinung von der universitären Lehre in Sachen Allgemeinmedizin. Die im Masterplan geplante Stärkung des Faches im Medizinstudium stößt auf große Skepsis bei den Medizinstudierenden. Drei Viertel (74 Prozent ) halten eine stärkere Einbindung der Allgemeinmedizin ins Studium für nicht notwendig, lediglich 26 Prozent wünschen sich eine Stärkung des Faches.

74 Prozent der Befragten möchten laut Umfrage, dass die derzeitige Struktur des PJ (jeweils ein Pflicht-Tertial Innere Medizin und Chirurgie und ein Wahl-Tertial) beibehalten werden soll. Nur 26 Prozent können sich Änderungen vorstellen, wobei selbst unter dieser Minderheit nur die Hälfte der Befragten (54 Prozent) dem KBV-Vorschlag, das Praktische Jahr in zwei ambulante und zwei stationäre Quartale aufzuteilen, etwas abgewinnen kann.

Auf starke Ablehnung trifft der Umfrage zufolge eine von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) erhobene Forderung nach einem Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr, zum Beispiel in Form eines PJ-Quartals. 86 Prozent der Medizinstudierenden lehnen dies ab. Auf besonders großen Widerstand stößt die Idee bei den Medizinstudierenden der Universität Frankfurt am Main, wo 93 Prozent der Befragten ein solches Obligatorium ablehnen.

Auch der von der KBV und der DEGAM eingebrachte Vorschlag einer obligatorischen Prüfung im letzten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung – bei einer Quartalisierung des PJ ohne Pflichtabschnitt Allgemeinmedizin – wird von der großen Mehrheit der Medizinstudierenden (75 Prozent) verworfen. In Frankfurt ist die Ablehnungsquote dieser Idee wiederum mit 80 Prozent überproportional hoch.

###more### ###title### „Weder objektiv noch repräsentativ“ ###title### ###more###

„Weder objektiv noch repräsentativ“

Dies sind Aussagen, die den DGAM- Präsidenten Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, der seinen Lehrstuhl in Frankfurt hat, sehr erzürnen. „Der Marburger Bund als gewerkschaftliche Vertretung angestellter Krankenhausärzte betreibt seit Langem eine sehr eng fokussierte Interessenpolitik“, erklärte er gegenüber den zm. „Die inhaltlich- fachlich überfällige Stärkung von Aus- oder Weiterbildung im ambulanten Bereich wurde wiederholt konsequent bekämpft. Das MB-Studi-Barometer ist eine E-Mail-Mitgliederbefragung mit äußerst geringer Beteiligung, die in dieser Tradition steht und weder objektiv noch repräsentativ ist.“ Gerlach weiter: „Manipulativ gestellte Suggestivfragen machen vielmehr die Vorurteile der Fragesteller gegenüber dem Fach Allgemeinmedizin deutlich. Es spricht für sich selbst, dass fehlende Argumente jetzt auch noch durch den untauglichen Versuch einer persönlichen Diffamierung ersetzt werden.“ Die DGAM hat sich auch in einer Stellungnahme zum Studi-Barometer entsprechend positioniert.

Für mehr als die Hälfte der Studentinnen (52 Prozent) kommt laut Studi-Barometer nach dem Studium eine Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin infrage; bei den Männern ziehen 46 Prozent der Befragten eine allgemeinmedizinische Weiterbildung nach dem Studium in Betracht. Diejenigen, die kein Interesse an einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung haben, konnten dies im Freitext begründen. Viele dieser Medizinstudierenden gaben an, dass sie die Allgemeinmedizin für thematisch weniger interessant und abwechslungsreich als andere Fachgebiete halten. Auch schlechtere finanzielle Bedingungen und zu viel Bürokratie wurden häufig als Grund genannt.

Für viele Medizinstudierende ist der Umfrage zufolge das „nicht überschaubare“ wirtschaftliche Risiko der Hauptgrund, sich nicht niederlassen zu wollen. Als weitere Gründe werden in Freitext-Antworten etwa genannt, dass sie lieber im Team arbeiten, dass sie ungern als Einzelne/r die Verantwortung für eine Praxis übernehmen wollen, dass sie keinen guten Verdienst oder zu wenig Abwechslung erwarten oder dass sie beruflich flexibel bleiben wollen.

###more### ###title### Weiterbildung ja, aufs Land nein ###title### ###more###

Weiterbildung ja, aufs Land nein

„Über die Chancen und Risiken einer Niederlassung hört man während des Studiums nur sehr wenig“, erläutert die Vorsitzende des studentischen Sprecherrats des Marburger Bundes, Stefanie Weber die Stoßrichtung des Studi-Barometers gegenüber den zm. „Unsere Umfrage zeigt auch, dass die meisten Studierenden das wirtschaftliche Risiko für schwer kalkulierbar halten. Viele meiner Kommilitonen scheuen deshalb den Weg in die Selbstständigkeit. Ein Einzelkämpferdasein in eigener Praxis mit unsicheren finanziellen Rahmenbedingungen kann sich kaum einer der Studierenden vorstellen. Kooperative Tätigkeitsformen finden weitaus mehr Anklang, beispielsweise in Berufsausübungsgemeinschaften und in Medizinischen Versorgungszentren.“

Die Mehrheit der Medizinstudierenden strebt den Umfrageergebnissen zufolge zunächst einmal eine angestellte Tätigkeit an. Für Frauen kommt als Tätigkeitsort eher eine Berufsausübungsgemeinschaft oder ein Medizinisches Versorgungszentrum infrage, während die Studenten mehrheitlich zunächst als angestellte Ärzte im Krankenhaus arbeiten wollen. Eine Tätigkeit als Land- arzt wird von den wenigsten präferiert. Grundsätzlich verbesserte Bedingungen (zum Beispiel geregelte Arbeitszeiten, gute Verdienstmöglichkeiten, ein überschaubares finanzielles Risiko) würden die Motivation erhöhen, als niedergelassener Hausarzt tätig zu werden.

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