Der besondere Fall mit CME

Ossifizierendes Fibrom

Benjamin Beger
,
Maximilian Moergel
,
Christian Walter
,
Orthopantomogramme gehören in vielen Praxen heute zur Routine-Eingangsuntersuchung. Nicht selten fallen dabei Nebenbefunde auf, die von der Carotisstenose über die odontogene Sinusitis bis hin zu unbekannten Mehrfachanlagen reichen können. Hier entdeckte ein Zahnarzt bei seiner Patientin eine Raumforderung, die bislang keine Symptomatik gezeigt hatte, und überwies an einen Kollegen.

Eine 19-jährige, ansonsten gesunde Patientin stellte sich zur weiteren Abklärung einer unklaren Veränderung im linken aufsteigenden Unterkieferast vor, die im Rahmen einer Routinekontrolle beim Hauszahnarzt in der Panoramaschichtaufnahme aufgefallen war (Abbildung 1). Anamnestisch gab die Patientin keine Beschwerden (Schmerzen) an, sie verspüre lediglich ein leichtes Druckgefühl. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich inspektorisch keine Auffälligkeiten. Es lagen weder Sensibilitätsstörungen im Ausbreitungsgebiet des Nervus alveolaris inferior links inklusive der Zähne noch Lockerungen derselben vor.

In der alio loco durchgeführten Panoramaschichtaufnahme präsentiert sich eine inhomogene, jedoch scharf abgrenzbare, knapp 3 cm x 5 cm große Raumforderung distal des Zahnes 38. Die Raumforderung erstreckt sich vom verlagerten Zahn 38 an der Vorderkante des aufsteigenden Unterkieferastes entlang bis knapp unterhalb die Inzisura semilunaris reichend. Nach distal nimmt sie etwa zwei Drittel des aufsteigenden Unterkieferastes ein, so dass der Kanal des Nervus alveolaris inferior nach caudal distal verlagert und verengt erscheint. Die Raumforderung ist nach außen scharf abgegrenzt und es wirkt, als sei um diese – bis auf die anterioren Bereiche zur Kante des aufsteigenden Kieferastes – ein feiner transluzenter Randsaum.

Die Raumforderung selbst ist insgesamt inhomogen, zeigt aber in sich homogene, partiell wolkige opake Areale, die zahndicht erscheinen und weitere darin befindliche transluzente Areale erkennen lassen. Der benachbarte Zahn 38 ist komplett retiniert und verlagert.

Digitale Volumentomografie zur Abklärung

Zur Verifizierung des genauen Nervverlaufs wurde eine weiterführende digitale Volumentomografie angefertigt, in der man neben dem Nervverlauf nochmals gut die scharf abgegrenzte Struktur mit sowohl zahndichten als auch weichgeweblichen Anteilen nachvollziehen kann. Fast überall lässt sich ein abgrenzbarer Randsaum erkennen (Abbildung 2-4). In der Transversalen ist der Unterkiefer im Vergleich zur kontralateralen Seite deutlich aufgetrieben.

Operativ wurde neben der Osteotomie der Weisheitszähne die Raumforderung über eine marginale Inzision mit Weiterführung auf dem aufsteigenden Unterkieferast dargestellt und sukzessive entfernt, wobei diese sich nur sehr schlecht aus der Umgebung mobilisieren ließ (Abbildung 5).

Die histopathologische Untersuchung bestätigte den klinischen Verdacht eines ossifizierenden Fibroms (Abbildung 6).

Postoperativ berichtete die Patientin – erwartungsgemäß – über leichte Kribbelparästhesien, ansonsten war der weitere Verlauf komplikationslos.

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Diskussion

Die WHO subsumiert das ossifizierende Fibrom unter den Tumoren und anderen Läsionen des Knochens und beschreibt es als eine scharf abgrenzbare Läsion, zusammengesetzt aus fibrozellulärem Gewebe und mineralisertem Material mit unterschiedlichstem Erscheinungsbild [Barnes L, Eveson JW, Reichart PA, Sidransky D, 2005].

Der Begriff des ossifizierenden Fibroms wurde erstmalig 1927 von A. H. Montgomery geprägt, der eine Serie von drei Fällen publizierte [Montgomery AH, 1927]. In der Folge wurden für diese Neoplasie viele Synonyme genutzt, die man mit der Zeit wieder verworfen hat. Auch die Annahme, dass es sich um eine Art der monoostotischen Form der fibrösen Dysplasie handelt, wurde verlassen [Reichart PA, Philipsen HP, 2004].

Begriffsbestimmung

Heute noch eingesetzte Begriffe, die genutzt werden, um die Charakteristik dieser fibro-ossären Neoplasie zu beschreiben sind der Begriff des ossifizierenden Fibroms, wenn der Knochen die prädominate Struktur darstellt, der Begriff des zementierenden Fibroms, wenn lineare oder gewellte trabekuläre oder sphärische Kalzifikationen vorhanden sind, und der Begriff des zemento-ossifizierenden Fibroms, wenn beide Bestandteile histologisch nachweisbar sind und die Veränderung radiologisch klar abgrenzbar ist [Reichart PA, Philipsen HP, 2004] – wie im vorliegenden Fall.

Interessanterweise wurden früher ossifizierende Fibrome scharf von zementierenden Fibromen getrennt, weil man annahm, dass ossifizierende Fibrome vom Knochen ausgehen und zementierende Fibrome odontogenen Ursprungs sind. Doch diese Unterscheidung ist veraltet – inzwischen geht man generell von einem ossären Ursprung aus [Reichart PA, Philipsen HP, 2004].

Frauen häufiger betroffen

Knapp 80 Prozent der ossifizierenden Fibrome werden vor dem 40. Lebensjahr und knapp 60 Prozent vor dem 30. Lebensjahr diagnostiziert, wobei ein Peak in der zweiten bis dritten Lebensdekade liegt. Frauen sind zum Zeitpunkt der Diagnose etwas älter als Männer und drei- bis viermal so häufig betroffen.

Typisch für ossifizierende Fibrome ist ein langsames Wachstum mit bucco-lingualer Auftreibung des Unterkiefers. Die Symptome sind unterschiedlich und können vor allem bei kleineren Befunden komplett fehlen, so dass ossifizierende Fibrome häufig als Zufallsbefund detektiert werden. Alternativ fallen sie aufgrund des Größenwachstums und kosmetischer beziehungsweise funktioneller Alterationen auf.

Radiologisch sind meist gut umschriebene, rundlich-ovale Veränderungen zu erkennen. Häufig beginnt die Veränderung radiologisch als transluzentes Areal, das sekundär mineralisiert, bis es komplett sklerosiert. Die durchschnittliche Größe der ossifizierenden Fibrome liegt zum Diagnosezeitpunkt bei knapp vier Zentimetern, es sind aber auch Fälle mit deutlich größeren Ausdehnungen bekannt. Typischerweise kommt es zu keinen Resorptionen an benachbarten Zähnen.

Prädilektionsstellen sind der Molarenbereich des Unterkiefers (mit 39 Prozent) und des Oberkiefers (mit 23 Prozent) sowie die Unterkieferfront (mit 16 Prozent). Zementoossifizierende Fibrome des aufsteigenden Unterkiefers machen etwa vier Prozent der Fälle aus [Reichart PA, Philipsen HP, 2004].

Therapie

Therapie der Wahl ist die Kürettage oder Enukleation, da es in aller Regel zu keiner Fusion von ortsständigem Knochen und den Hartgewebeanteilen des Tumors kommt. In Ausnahmefällen – bei entsprechender Ausdehnung – wird auch eine Resektion unter marginaler Mitnahme des angrenzenden Knochens durchgeführt. Bei Verbleib von Resten muss es nicht zwangsläufig zur Entwicklung von Rezidiven kommen, ein Recall wird jedoch empfohlen, da in knapp einem Drittel der Fälle bei alleiniger Kürettage Rezidive auftreten.

Auch im vorliegenden Fall handelte es sich trotz der Größe um einen Zufallsbefund, da es aufgrund der Lage (noch) zu keinen von außen ersichtlichen Veränderungen gekommen war. Trotz der radiologisch darstellbaren, feinen transluzenten Zone um die mineralisierten Anteile waren die Hartgewebeanteile des ossifizierenden Fibroms in großen Teilen mit dem umgebenden Knochen verbacken, so dass in Teilbereichen der angrenzende Knochen mit entfernt wurde.

Dr. Benjamin BegerPD Dr. Dr. Maximilian MoergelPD Dr. Dr. Christian WalterKlinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische OperationenUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz55131 Mainz E-mail:Dr. Sebastian FörschInstitut für Pathologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzLangenbeckstr. 155131 Mainz

Literatur:

Barnes L, Eveson JW, Reichart PA, Sidransky D: World Health Organization Classification of Tumours. Pathology and Genetics of Head and Neck Tumours. Lyon: IARC Press; 2005.

Montgomery AH: Ossifying fibromas of the jaw. Archives of Surgery. 1927;185(1):30-44.

Reichart PA, Philipsen HP: Odontogenic  Tumors and Allied Lesions. New Malden: Quintessence; 2004.

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