Zehn zentrale Kritikpunkte
1. Verbindliche Inhaltsbestimmungen durch die Aufsicht (§ 78 Abs. 4)
Die Aufsicht soll bei unbestimmten Rechtsbegriffen verbindliche Inhaltsbestimmungen treffen können, ohne auf eine Vertretbarkeitskontrolle beschränkt zu sein.
Eine Klage hiergegen soll unzulässig sein und auch bei Klagen gegen eventuell darauf aufbauende Aufsichtsanordnungen soll das Gericht lediglich überprüfen dürfen, ob die Inhaltsbestimmung inhaltlich vertretbar war. Hierdurch würde das Grundprinzip der Rechtsaufsicht, wonach zumindest vertretbare Interpretationen der Körperschaften zu akzeptieren und nicht zu beanstanden sind, in sein Gegenteil verkehrt. Die Rechtsaufsicht würde zu einer faktischen Fachaufsicht und der Aufsicht die Möglichkeit eröffnet, jegliches Verwaltungshandeln der Körperschaften nach Gutdünken selbst zu regeln.
Zudem würde durch die unverhältnismäßige Erhöhung des Zwangsgeldes um das 400-Fache auf bis zu 10 Millionen Euro (§ 78 Abs. 5) der Befolgungszwang massiv verstärkt. Durch die zusätzlich angestrebte Einschränkung des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs würde sogar ein effektiver Rechtsschutz gegen Aufsichtsmaßnahmen verwehrt.
2. Entsandter für besondere Angelegenheiten bei den KBVen (§ 78b)
Neben dem weiterhin möglichen Beauftragten gemäß § 79a SGB V („Staatskommissar“) soll unter anderem dann, wenn bloße Anhaltspunkte für eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Verwaltung gesehen werden, ein Entsandter bestellt werden können, der im Innenverhältnis an die Stelle der Organe der KZBV treten soll und deren Kosten von der KZBV zu tragen sind. Da diese „Anhaltspunkte“ von der Aufsicht selbst zu definieren sind, handelt es sich hierbei im Ergebnis um eine Blankett-Ermächtigung, die in einer weiteren Ausgestaltung die Funktionen der Selbstverwaltungsorgane zur Disposition der Aufsicht stellt. Ebenso wenig wie die Entscheidungsbefugnisse sind auch die Kosten für den Entsandten gesetzlich begrenzt, so dass nur unterstellt werden kann, dass diese Kosten zumindest dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unterstehen.
3. Anordnung und Selbstvornahme von Satzungsänderungen (§ 78a Abs. 1)
Die Aufsicht soll die Satzung selbst regeln können, unter anderem, wenn Anordnungen hierzu nicht in einer gesetzten Frist nachgekommen oder die Satzung nicht hätte genehmigt werden dürfen.
Die Satzungsautonomie bildet den zentralen Grundpfeiler für die Selbstverwaltung insgesamt. Ohne nähere Begründung soll sie nunmehr auch rückwirkend zur Disposition der Aufsicht gestellt werden und dies selbst dann, wenn diese die Satzung zuvor genehmigt hat. Selbst ein Genehmigungsbescheid ist danach nichts mehr wert, so dass die KZBV zu keinemZeitpunkt mehr sicher sein kann, auf einer tragfähigen satzungsrechtlichen Grundlage zu handeln.
4. Anordnung, Aufhebung und Ersetzung von VV-Beschlüssen (§ 78a Abs. 2, 3)
Jegliche Beschlüsse der Vertreterversammlung (VV) sollen von der Aufsicht nach Belieben aufgehoben beziehungsweise ersetzt werden können, ohne dass hierfür eine Rechtswidrigkeit des Beschlusses erforderlich wäre. Dies betrifft besonders, aber nicht nur, Beschlüsse zur Umsetzung gesetzlicher Vorschriften oder aufsichtsrechtlicher Verfügungen, so dass sich die Aufsicht danach auch ganz unabhängig von weitergehenden Maßnahmen nach Belieben an die Stelle der VV setzen kann. Damit wird die Funktion der VV als letztes verbliebenes Selbstverwaltungsorgan der KZBV voll umfänglich und ohne Not zur Disposition gestellt.
5. Haushaltsrechtliche Vorgaben (§ 78 Abs. 6)
Die vorgesehene Geltung auch der §§ 81 bis 83 SGB IV für die KZBV würde einen erheblichen Eingriff in die Haushaltskompetenz der VV darstellen. Denn die Verpflichtung zur Bereithaltung von Betriebsmitteln in bestimmter Höhe und die inhaltlich nicht näher definierte Begrenzung des Vermögens der KZBV würde zu erheblichen Schwankungen in der Beitragshöhe führen.
6. Berichtspflichten des Vorstandes gegenüber der VV und ihren Mitgliedern (§ 79 Abs. 3)
Künftig soll jedes Mitglied der VV vom Vorstand jederzeit einen Bericht über die Angelegenheiten der Körperschaft verlangen können.
Vollständige Transparenz des Verwaltungshandelns zwischen den Organen ist seit Jahrzehnten selbstverständliche Realität in der Selbstverwaltung. Der Vorstand unterrichtet die VV schon im eigenen Interesse regelmäßig über seine wesentlichen Tätigkeiten und entsprechende Berichte können bereits angefordert werden.
Die vorgesehene Regelung fördert aber eine allgemeine Misstrauenskultur und eröffnet zudem Möglichkeiten des Missbrauchs, wodurch die Vorstandstätigkeit wesentlich erschwert und verzögert werden könnte.
Eine entsprechende Verpflichtung sollte daher allenfalls auf einen generellen schriftlichen Bericht bei Sitzungen der VV begrenzt sowie eine entsprechende Geltung der §§ 4 und 6 IFG vorgesehen werden.
7. Grundsätzliche Anordnung der namentlichen Abstimmung (§ 79 Abs. 3b)
Die vorgesehene grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung namentlicher Abstimmungen in der VV verletzt bereits das Demokratieprinzip, das auch auf die Selbstverwaltung anwendbar ist. Die ersichtliche Zielsetzung, damit haftungsrechtliche Konsequenzen an ein Abstimmungsverhalten zu knüpfen, befördert erneut die Misstrauenskultur des Gesetzentwurfs und beeinträchtigt die freie Entscheidung der VV. Dies sowie die zusätzlich vorgesehene Verpflichtung zur schriftlichen Begründung von Beschlüssen über eine geheime Abstimmung verletzen den Grundsatz der Freiheit des Mandats, das auch im Bereich der Selbstverwaltung Geltung beansprucht.
8. Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl des Vorsitzenden des Vorstandes (§ 79 Abs. 6)
In Abhängigkeit von standespolitischen Mehrheitsverhältnissen wird sich das vorgesehene Quorum nur schwer erreichen lassen. Es ist auch jedenfalls für die KZBV völlig unnötig und kontraproduktiv, da die KZBV über drei Vorstandsmitglieder verfügt und somit eine Patt-Situation im Vorstand nicht eintreten kann. Insofern kommt dem Vorsitzenden des Vorstandes in der KZBV auch nicht die im Gesetzentwurf angesprochene „besonders herausgehobene Stellung“ zu. Die Bestimmung sollte daher zumindest auf den Bereich der KBV beschränkt werden, auf deren Verhältnisse sie ersichtlich abstellt.
9. Form und Wirkung der Anordnung einer Geschäftsübernahme bei den KBVen (§ 79a Abs. 1c)
Die nicht näher begründete Kürzung der Vergütung des Vorstandes, falls sich eine Geschäftsübernahme auf dessen Geschäfte bezieht, ist durch nichts gerechtfertigt, würde massiven wirtschaftlichen Druck auf die Vorstandsmitglieder ausüben und diese auch als Privatpersonen und nicht in ihren Funktionen als Vorstandsmitglieder treffen.
Dadurch würde ihnen eine freie Willensbildung unmöglich gemacht und im Hinblick auf die zeitgleiche Erweiterung der Aufsichtskompetenzen einem System des vorauseilenden Gehorsams den Weg bereiten. Dies ist umso weniger sachgerecht, als davon auch Vorstandsmitglieder betroffen wären, die sich innerhalb des Vorstandes ausdrücklich gegen eine eventuell beanstandete Geschäftsführung ausgesprochen haben.
10. Abwahl der Vorsitzenden der Vertreterversammlung (§ 80 Abs. 4)
Die Vorsitzenden der VV sollen mit einfacher Mehrheit dann abgewählt werden können, wenn Tatsachen das Vertrauen der VV-Mitglieder in deren Amtsführung ausschließen. Die VV hat bereits bisher autonom über ihre Vorsitzenden und deren Amtstätigkeit entschieden. Derartig unnötige Bestimmungen befördern daher einmal mehr die allgemeine Misstrauenskultur des Gesetzentwurfs. Sie sähen ohne Not Misstrauen und Verunsicherung innerhalb der VV.
Fazit: Die KZBV lehnt den Gesetzentwurf als maßlos und sachlich vollkommen ungerechtfertigt ab, weil er die Funktion der Organe der KZBV und daher der KZBV insgesamt vollständig zur Disposition der Aufsicht stellt.
Die für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung unverzichtbare Gestaltungshoheit unter Nutzbarmachung der besonderen Sachkenntnis der unmittelbar Betroffenen ginge in der alleine an den Meinungen der Aufsicht orientierten Misstrauenskultur gänzlich verloren. Die KZBV fordert daher das BMG auf, den Gesetzentwurf insgesamt zurückzuziehen.
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