Volker Looman

Die (un)feinen Sitten feiner Banken

Darf ich Sie mal was Intimes fragen? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie bemerken, jahrelang betrogen worden zu sein? Ich meine jetzt nicht, was Sie wahrscheinlich vermuten, sondern es geht um Geld, das Sie für Leistungen bezahlt haben, die Sie gar nicht erhalten haben. Bitte überlegen Sie gut, was Sie sagen, weil alle Urteile, die Sie nun fällen, auch auf Sie zutreffen könnten.

Falls auch Sie zu den Zahnärzten gehören, die ihre Bank beauftragt haben, sich ums liebe Geld zu kümmern, sollten Sie jetzt die Depotberichte der vergangenen Jahre aus dem Schrank holen. Außerdem wäre etwas Likör von Vorteil, weil Sie ihn in Kürze mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Beruhigung brauchen werden.

Wie hoch sind die Depotgebühren, die vom 31. Dezember 2005 bis zum 31. Dezember 2015 abgerechnet worden sind? Wenn das Depot bei 500.000 Euro begann und in den folgenden Jahren nicht eingebrochen ist, schätze ich die Summe auf 50.000 bis 60.000 Euro. Dagegen ist nichts zu sagen, verehrte Anleger, weil Sie vor dem 31. Dezember 2005 die Vereinbarung unterschrieben haben, dass die Verwaltung jährlich 1 Prozent kostet.

Bitte sehen Sie sich jetzt Jahr für Jahr den Bestand des Depots an. Besaßen Sie immer nur einzelne Anleihen oder Aktien? Oder waren in diesem Zeitraum auch Anteile an Investmentfonds im Depot, vorzugsweise Anteile der DEKA, der DWS oder der UNION?

Sollte mein Verdacht zutreffen, dass die Bank im Laufe der Zeit immer mehr Investmentanteile ins Depot geholt hat, dürfte Sie das viel Geld gekostet haben. Es können Aufschläge von bis zu 6,25 Prozent der Anlagebeträge erhoben worden sein. Auf jeden Fall haben Sie zusätzliche Gebühren bezahlt, weil die Manager der Kapitalanlagegesellschaften nicht umsonst gearbeitet haben. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Teil dieser jährlichen Zusatzgebühren als „Bestands- und Vertriebsfolgeprovision“ an die Bank geflossen ist.

Ich hoffe natürlich nicht, dass Ihnen das widerfahren ist. Sollte bei Ihnen aber Geld in Investmentfonds angelegt worden sein, möchte ich Sie auf einige Aspekte aus der Welt des Rechts aufmerksam machen. Der Vertrag über die Vermögensverwaltung, den Sie mit der Bank abgeschlossen haben, ist ein Dienstleistungsvertrag nach Paragraf 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Bank hat sich verpflichtet, Ihr gutes Geld nach bestem Wissen und Gewissen zu verwalten. Sie war Ihnen aber keinen Erfolg schuldig. Wenn sich das Depot nicht so entwickelt hat, wie Sie sich das gewünscht hatten, können Sie der Bank daraus keinen Strick drehen.

Anders sieht die Sache aus, wenn die Bank für den Kauf von Investmentfonds zusätzlich 20.000 oder 30.000 Euro kassiert hat. Das ist nach dem Gesetz nicht erlaubt, weil in Paragraf 667 BGB klipp und klar geregelt ist, dass der Beauftragte – also die Bank – verpflichtet ist, dem Auftraggeber – folglich Ihnen – alles herauszugeben, was er zur Ausführung des Auftrags erhalten und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat. Das heißt für Sie im Klartext, dass die Ausgabeaufschläge und Provisionen allein Ihnen gehören.

Die „Kickbacks“ und „Retrozessionen“ sorgen seit Jahren nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz für erbitterten Streit zwischen Anlegern und Verwaltern. Dort hat das Bundesgericht am 30. Oktober 2012 in einem aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass Vermögensverwalter jeden Franken und jeden Rappen, den sie von dritter Seite erhalten, an ihre Mandanten herauszugeben haben, weil sie sich sonst der Untreue schuldig machen.

In Deutschland zeichnen sich seit Jahren ähnliche Turbulenzen ab. Nur hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dieser Sache bisher kein höchstrichterliches Urteil gefällt. Die Banken und Sparkassen sehen aber seit Jahren das „Gewitter“ am Himmel aufziehen, und es ist bemerkenswert, wie sie sich mit Händen und Füßen gegen die Herausgabe der Provisionen wehren. Die erste Maßnahme waren persönliche Verzichtserklärungen. Banken und Sparkassen ließen sich von jedem Kunden einzeln bestätigen, Provisionen und Zuwendungen, die ihnen von Investmentfonds zugeflossen waren, für sich behalten zu dürfen.

Irgendwann muss ihnen der Papierkrieg aber über den Kopf gewachsen sein. Seitdem versuchen die Institute, ihre „Pfründe“ durch die Änderung der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf „einen Streich“ zu sichern.

Vorreiter dieser Praxis war die Deutsche Bank mit ihrer Rahmenvereinbarung. Die Sparkassen haben am 1. April 2015 ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen geändert. Wer bis zu diesem Stichtag den neuen Bedingungen nicht widersprochen hat, hat seitdem keinen Anspruch mehr auf die Herausgabe der Provisionen.

Die neuen Klauseln sind kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Sie sollten eher der Anlass sein, die Frage zu klären, wofür Leute entlohnt werden, die sich weigern, ihre Arbeit zu erledigen. Ich würde solche Menschen auf gut Deutsch gesprochen zum Teufel jagen. Stattdessen würde ich die Verwaltung mithilfe von Indexfonds selbst in die Hand nehmen. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass kein Mensch in die Zukunft schauen kann. Daher will mir nicht einleuchten, warum ich Geld für Leute ausgeben soll, die genauso ahnungslos sind wie ich selbst. Oder sehen Sie das anders?

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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