Volker Looman

Eigenheime kosten in der Regel ein Vermögen

Die niedrigen Kreditzinsen sind für viele Mieter die größte Gefahr, mit einem Eigenheim auf die Nase zu fallen. Darf ich Ihnen an folgendem Beispiel schildern, wie Mieter zurzeit auf Abwege gelockt werden? Es gibt in Frankfurt eine Bank, die sich auf ihre Fahnen geschrieben hat, Leistung aus Leidenschaft zu erbringen. Das große Institut – bekannt durch Presse, Funk und Fernsehen – hat in seinen Filialen einen Prospekt ausgelegt, in dem es um die Geldanlage in Immobilien geht. Dazu gehören auch Eigenheime.

Auf der fünften Seite des Prospekts ermuntert die Bank ihre Leser, wertvolles Wohneigentum zu schaffen und Mietausgaben zu sparen. In einer kleinen Tabelle wird vorgerechnet, wie hoch die gesamte Kaltmiete der nächsten 30 Jahre ist. Da steht zum Beispiel, dass ein Mieter, der zurzeit eine Kaltmiete von 2.000 Euro bezahlt, in den nächsten 360 Monaten rund 974.000 Euro überweisen muss, wenn die Miete jedes Jahr um 2 Prozent steigt.

Die Rechnung ist korrekt, doch ich frage mich, was in einem 40 Jahre alten Zahnarzt vor sich geht, der mit seiner Frau abends am Kamin eines gemieteten Hauses sitzt, für das jeden Monat – sagen wir – 2.500 Euro fällig sind. Der Mann wird aller Voraussicht nach 85 Jahre alt werden, so dass noch 540 Monate vor ihm liegen. Heilberufler stehen zwar im Ruf, besonders großzügig zu rechnen, wenn es um Zahlungen aus ihrem  Einkommen geht. Doch diese Art der Großzügigkeit ist gefährlich: Denn die Addition von 540 Mieten à 2.500 Euro ergibt 1.350.000 Euro! Die leidenschaftliche Bank aus dem Hessischen würde sogar auf 2.156.781 Euro und 31 Cent kommen, weil ihrer Meinung nach die Miete jedes Jahr um 2 Prozent steigen wird.

Wird das Paar bei diesen Zahlen kühl feststellen, das sei eben der Preis für standesgemäßes Wohnen? Oder werden die Akademiker über ihr Schicksal klagen, arme Schlucker zu sein? Wird der Mann im Stillen denken, alle Vermieter seien Halsabschneider? Oder wird die Frau das Gespräch mit einem der über 3.500 „Spezialisten für Baufinanzierung“ suchen, um sich ein „überzeugendes Konzept für Immobilienpläne“ ausarbeiten zu lassen?

Ich gehe davon aus, dass das Ehepaar zu den 95 Prozent der Mieter gehört, die ein Eigenheim nicht bar bezahlen können. Wieviel Kredit vermuten Sie, verehrte Doctores, kann ein Mensch aufnehmen, wenn der Geldgeber einen Zins von 3 Prozent pro Jahr verlangt und der Schuldner im Laufe von 45 Jahren insgesamt 2.156.781 Euro zurückzahlt? Ich biete Ihnen – fast wie bei Günter Jauch – drei Antworten an: 1.680.000 oder 1.330.000 oder 1.072.000 Euro?

Richtig ist, Sie dürfen nur 1.072.000 Euro aufnehmen, wenn Sie monatlich 2.500 Euro bezahlen können. Da nützt Ihnen auch der jährliche Anstieg von 2 Prozent nicht, zu mehr reicht es nicht! Von diesem Betrag muss ich Ihnen noch 10 Prozent abziehen, weil der Kauf von Eigenheimen mit Kosten verbunden ist. Das Finanzamt fordert Steuern, der Makler hält die Hand auf und auch Notare pflegen nicht umsonst zu arbeiten. Kurzum: Das Haus darf nicht mehr als 975.000 Euro kosten.

Ist Ihnen klar, was das heißt? Sie bezahlen zwar keine Miete mehr, doch Sie entrichten Zinsen, in diesem Fall mal eben 1.085.000 Euro. Das ist „saumäßig“ viel, wie Ihnen jeder Schwabe attestieren wird. Er wird Ihnen allerdings auch bestätigen, dass 975.000 Euro für ein Häusle in Stuttgart nicht langen werden, auf Hochdeutsch: Es genügt nicht, das ist zu wenig! Nicht anders sieht es in Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg oder München aus. Wer artgerecht wohnen möchte, dafür aber nicht mehr als 2.500 Euro ausgeben kann, muss in diesen Städten froh und dankbar sein, wenn ihm Grundbesitzer ihre Häuser zu diesen Preisen vermieten, doch der Kauf für 975.000 Euro ist blanke Utopie.

Der emotionale Spagat, zu den Besserverdienenden zu gehören und doch am Katzentisch sitzen zu müssen, treibt manche Wunscheigenheimbesitzer zu der Entscheidung, sich im Umland anzusiedeln. Der Frankfurter zieht in den Westerwald, der Hamburger geht in die Heide, der Münchner siedelt sich in Tuntenhausen im Oberbayerischen an, weil es dort Häuser für 975.000 Euro zu kaufen gibt.

Das ist in meinen Augen verständlich. Trotzdem machen diese Leute die Rechnung ohne den Wirt. Sie denken weder an die Instandhaltung des Eigenheims noch an den Verkauf, weil diese „Ereignisse“ in ferner Zukunft liegen.

Glauben Sie im Ernst, hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen „wertbeständiges Vermögen“ aufbauen zu können? Was geschieht mit Häusern, die 45 Jahre nicht in Schuss gehalten werden, weil die Mittel fehlten, was passiert mit Objekten, die in 45 Jahren kein Mensch mehr haben will, weil sie abgewohnt sind und in Landstrichen liegen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen?

Ich will mich kurz fassen: Eigenheime dieser Art werden nicht mehr viel oder überhaupt nichts mehr wert sein. Folglich ist die Aussage von Banken, Eigenheime seien sichere Geldanlagen, mit größter Vorsicht zu genießen, und der Glaube vieler Privatleute, Eigenheime verlören nicht an Wert, ist der größte Selbstbetrug aller Zeiten. Frauen, Kinder und Eigenheime, das wird Ihnen jeder altgediente Familienvater bestätigen, sind zwar ihr Geld wert, doch sie kosten ein Vermögen. Wenn Sie sich finanziell übernehmen, können sie sogar Ihr schönes Leben kosten, und das muss ja nun wirklich nicht sein. Oder doch?

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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