Delegierte stimmen für GOÄ-Novellierung
Im Vorfeld waren Bedenken gegen die Bildung der sogenannten GeKo – der Gemeinsamen Kommission aus BÄK, PKV und Beihilfe – laut geworden: Die Verhandlungsergebnisse drückten die GOÄ zu sehr in die Staatsmedizin, lautete die Kritik, die größtenteils aus den ärztlichen Fachverbänden kam. Auch die Bundeszahnärztekammer hatte sich in den letzten Wochen mahnend zu Wort gemeldet: Die GOÄ bilde die Berechnungsgrundlage für viele zahnärztliche Leistungen und sei erklärte Blaupause für die GOZ-Weiterentwicklung.
Die Meinung der Fachverbände konnte sich auf dem Sonderärztetag nicht durchsetzten. Die Delegierten nahmen den Leitantrag des BÄK-Vorstands mit großer Mehrheit an und stärkten damit den Verhandlern den Rücken. Gleichzeitig überwiesen sie Anträge, deren Umsetzung eine Unterbrechung der laufenden Verhandlungen mit PKV und Beihilfe zur Folge gehabt hätten, an den zuständigen BÄK-Ausschuss. Die Delegierten forderten die Bundesregierung auf, die GOÄ analog zu dem zwischen der BÄK, der PKV und der Beihilfe ausgehandelten Kompromissvorschlag zum nächstmöglichen Zeitpunkt in der laufenden Legislaturperiode in Kraft zu setzen. Sie beauftragten den Vorstand damit, unter Beratung durch den zuständigen Ausschuss die Gesetzesinitiative zur Anpassung der Bundesärzteordnung und den Entwurf der neuen GOÄ abschließend zu prüfen und gegenüber dem BMG freizugeben.
In seiner Rede ging BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery auf den aktuellen Novellierungsprozess ein: Auch der Wunsch nach mehr Transparenz rechtfertige nicht das Aufstellen falscher Behauptungen, sagte er an die Kritiker gerichtet. Sein Fazit: Es gebe keine Öffnungsklausel und keine Budgetierung. Es gebe einen robusten Einfachsatz (alte Steigerungen: 1,8 - 2,3 - 3,5), eine Steigerung auf bis zu 2-fach (Gebührenrahmen). Abweichende Vereinbarungen, Analogziffern und eine schnelle Anpassung seien möglich. Wer die Novellierung der GOÄ ablehne, riskiere eine Verweigerung der SPD-geführten Bundesländer im Bundesrat. Damit wäre eine Jahrhundertchance auf eine selbstbestimmte Novelle der GOÄ vertan und der Bürgerversicherung der Weg geebnet, mahnte er.
Dr. Bernhard Rochell, Verhandlungsführer der BÄK für die GOÄ-Reform, machte den Delegierten im Detail deutlich, dass im Laufe der Verhandlungen bisher fast alle Vorgaben der Deutschen Ärztetage der vergangenen Jahre zur GOÄ umgesetzt worden seien.
Kein Wunschprogramm
Die GeKo habe Empfehlungscharakter, Änderungen an der GOÄ seien nur auf dem Verordnungsweg durch das BMG möglich. Sein Appell: „Nach 20 Jahren Vertröstung ist das Ziel nun zum Greifen nahe, leider nicht als Wunschprogramm, aber als ausgewogener Kompromiss mit Chancen.“
Fundamentale Kritik an der GOÄ-Reform äußerte der Vizepräsident der Berliner Ärztekammer, Dr. Elmar Wille. Es gehe hier um grundlegende Änderungen, die die Freiheit des Berufsstandes weiter beschränkten. Die GeKo werde sich zum „Gemeinsamen Bundesausschuss für den privatärztlichen Bereich“ etablieren. Die GOÄ werde zum Steuerungsplanungsinstrument, es gebe einen bisher nie da gewesenen Einfluss der Privatversicherungswirtschaft, BMG und PKV übernähmen Kompetenzen der ärztlichen Selbstverwaltung und die ärztliche Approbation würde entwertet.
„Wir sind noch nie so weit mit einer GOÄ gekommen, die die Ärzte mitbestimmen“, konterte Dr. Theodor Windhorst, Vorsitzender des GOÄ-Ausschusses der BÄK. Es handele sich um eine Gebührenordnung, die die Patienten verstünden und mit der der Arzt richtig abrechnen könne.
Kommentar
„Die GOÄ-Novellierung ist für uns ein Dilemma!“
Die Situation der Privatzahnmedizin war im Jahr 2015 unaufgeregt: Die Veränderungen durch die Novellierung der GOZ 2012 sind inzwischen Alltag. Man muss deshalb daran erinnern, dass die Gefahr der Einführung einer Bürgerversicherung nicht vom Tisch ist. Die aktuelle Diskussion um die Novellierung der GOÄ zeigt das Problem mehr als deutlich auf: Wäre auf dem Sonderärztetag der zwischen Bundesärztekammer und PKV-Verband erarbeitete Entwurf verworfen worden, hätte es auf absehbare Zeit keine Novellierung der GOÄ gegeben. Das Zeitfenster für eine Novellierung in dieser Legislatur schließt sich im Herbst.
Stimmt der Sonderärztetag, wie jetzt geschehen, zu, ist es sehr fraglich, ob Minister Gröhe im Kabinett und im Bundesrat für den GOÄ-Novelle eine Mehrheit organisieren kann. Unter Führung von Karl Lauterbach hat die SPD-Bundestagsfraktion deutlich gemacht, dass sie jede Novellierung der GOÄ rundweg ablehnt, da jede GOÄ durch die Einführung der durch die SPD angestrebten Bürgerversicherung überflüssig sein soll.
Für die Privatzahnärzte ergibt sich damit eine Dilemma Situation: Entweder wird eine GOÄ-Novelle umgesetzt, die freiberufliche Rechte an vielen Stellen beschneidet oder aber der SPD gelingt es, die Bürgerversicherung als das unabwendbare Zukunftsmodell in der öffentlichen Wahrnehmung zu verankern. Was sind die privatzahnärztlichen Hauptkritikpunkte an dem vorliegenden Entwurf? Zunächst einmal wird es nicht mehr möglich sein, im Rahmen einer Gebührenspanne die Höhe des Honorars so zu bemessen, dass der Patient seinen individuellen Behandlungsaufwand berechnet erhält.
Das ist die Folge des „robusten Einfach-Satzes“ und der fehlenden Gebührenspanne. Das kann der Zweifach-Satz als einzige alternative Berechnungsoption nicht ausgleichen. Seine Berechnung ist nur bei Vorliegen vorher in einem paritätisch besetzten Ausschuss konsentierter Kriterien im Einzelfall möglich. Die Punktwertentwicklung ist mit dem Ministerium nicht abschließend abgestimmt. Ob die angepeilte Gebührenanpassung vom Bundesrat, in dem ja die Länder als Zahler der Beihilfe über ihre eigenen Ausgabenerhöhungen zu beschließen haben, akzeptiert werden wird, ist zumindest sehr fraglich.
Die Möglichkeiten der Analogberechnung und der freien Vereinbarung werden voraussichtlich eingeschränkt werden. Bislang fehlen allerdings konkrete Informationen. Die Bundesärztekammer und die PKV haben genauso wie das Ministerium keinen Entwurf des Paragrafenteils im Wortlaut veröffentlicht. Wir Zahnärzte sind jedenfalls gut beraten, wenn wir entsprechend der Beschlusslage der BZÄK-Bundesversammlung einfordern, dass die Beratungs- und Röntgenleistungen bei Novellierung der GOÄ eigenständig in die GOZ übernommen werden. Nur so kann ein möglicher Schaden begrenzt werden.
Im kommenden Jahr gilt es, in der Öffentlichkeit für das duale Krankenversicherungssystem zu werben: Eine gute Absicherung in der GKV wird es nur solange geben, wie es eine bessere Private Krankenversicherung gibt. Der Wettbewerb der Systeme setzt Standards, die allen Patienten nutzen. Bei der nächsten Bundestagswahl besteht aber die Gefahr, dass die eigentliche Debatte um die Bürgerversicherung in den Hintergrund tritt, andere Themen wahlentscheidend sind. Gleichwohl wird jede nicht von der Union geführte Regierung den Status quo in Richtung Bürgerversicherung verschieben. Da hilft nur, die Bevölkerung frühzeitig aufzuklären.
Dr. Wilfried Beckmann, Präsident der Privatzahnärztlichen Vereinigung Deutschlands e.V. (PZVD)
Der Sonderärztetag war notwendig geworden, nachdem die Delegiertenversammlungen der Ärztekammern von Baden-Württemberg, Berlin und Brandenburg ihn beantragt hatten. Seit Monaten zeigten sich etliche Ärzteverbände kritisch, weil sie befürchten, dass mit der Novelle der Rechtsverordnung zur GOÄ (Paragrafenteil) einige Elemente eingebaut seien, die charakteristisch für die Kassenmedizin sind. Der Sonderärztetag sollte für Klarheit sorgen. Seit März 2015 laufen beim BMG Verhandlungen zwischen PKV, Beihilfe und der BÄK über die Novellierung. Vereinbart wurde ein Klima der Vertraulichkeit in extrem dicht getakteten Verhandlungen.