Editorial

Die Geister, die Ulla S. rief

Mit schnellen Schritten geht es dem Jahresende zu. Allerorten ist nichts von Beschaulichkeit zu verspüren. Es liegt weniger am zurzeit noch fehlenden Schnee, dass die klassischen Trigger vorweihnachtlicher Stimmung nicht so recht wirken wollen. Sondern eher daran, dass angesichts der vielen offenen Fragen und ungelösten Aufgaben dieses Jahr durchaus mehr Tage bräuchte. Man könnte es auch Zeitenwende nennen. Diese ist auch im Gesundheitswesen allerorten wahrnehmbar. Und gerade die Heilberufler bekommen die finanziellen Verwerfungen und technischen, genauer digitalen, Systembrüche der vergangenen Jahre jetzt massiv zu spüren. Apropos Heilberufler – in dem zusammengesetzten Wort stecken gemäß Duden die Verbalableitungen „gesund“, „heil machen“ und „erretten“. Lassen wir bei letzterem (Heiland) einmal den weihnachtlichen Aspekt weg, landen wir bei Worten wie Heilanstalt, Heilquelle und Heilberufler. Was aber ist der Wesenskern von „heil machen“? Ohne pathetisch sein zu wollen: Es ist das Vertrauen der Patienten in ihre Zahnärztin, ihren Arzt oder eben auch Apotheker. Dieses Vertrauen ist ein kostbares Gut, welches in seiner Unmittelbarkeit die Heilberufler fundamental von allen anderen „Anbietern“ im Gesundheitswesen unterscheidet.

Wie „man“ es nach meiner Wahrnehmung systematisch zerstören kann, erfährt gerade exemplarisch die Zahnmedizin. Wie? Mit der Knute des Kommerzes. Mittels vermeintlicher Transparenz in einem Markt namens Zahnersatz bringt man die HKPs zum Abschmelzen. Genau an dieser Stelle wird exemplarisch das zeitgeistige Dilemma der Heilberufe deutlich – nämlich Heiler und zugleich Unternehmer sein zu sollen. Die Alternative des „Oder“ ist seit den Zeiten von Ulla Schmidt vorbei.

Macht man aber den Heilberufler zu einem Kaufmann – ein Weg, den im Übrigen jeder Apotheker, der eine Apotheke eröffnet, von Gesetzes wegen beschreiten muss – dann wird es mit dem Vertrauen schwierig. Unter den Berufsgruppen mit dem höchsten Vertrauenswert in Deutschland (GfK 3/2016) stehen längst nicht mehr die Heilkundigen ganz oben, sondern die Feuerwehrleute. Danach folgen Sanitäter, Krankenschwestern und -pfleger, Apotheker und erst dann Ärzte, die sich mit 89 Prozent Zustimmung mit Lok-, Bus-, U-Bahn- und Straßenbahnführern auf einem Level befinden.

Zwei Vertrauen-zerstörende Aspekte möchte ich herausheben, wohl wissend, dass diese nur einen Teil der Problematik abbilden. Einerseits die teils unsäglichen Versuche der Krankenkassen – egal, ob privat oder gesetzlich – die „Einkaufs“preise zu drücken. Den Vogel schoss jetzt die AOK Baden-Württemberg ab (Dank an unsere Leser, die uns dies umgehend gemeldet haben), die eine Anzeige veröffentlichte, in der sie ihr (!) Auktionsportal bewirbt und Preisersparnisse von bis zu einem Drittel für Zahnersatz auslobt. Wem als Patient das als Anreiz noch nicht reicht, bekommt oben drauf noch eine PZR für nur 44 Euro. Ich frage mich wirklich, welcher Zahnarzt ohne Quersubvention solche Preise feilbieten, keine Abstriche an der Leistung und der Qualität derselben machen und gleichzeitig noch ein Drittel Kostenersparnis auf den HKP bieten kann. Aber dass das am sogenannten Markt möglich ist, zeigen ja die vielfältigen Online- basierten Auktions- und Wie-auch-immer-Angebote, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Wer zu diesen Preisen auskömmlich wirtschaften will, braucht semi-industrielle Verhältnisse. Wie auch immer die aussehen werden …

Der andere Aspekt findet sich in dem ersten Satz des Angebots der AOK BW: „Wer einen Handwerker braucht, vergleicht meist verschiedene Kostenschätzungen, bevor er den Auftrag vergibt. Das geht auch beim Zahnarzt.“ So wenige Worte braucht es, um die Geringschätzung wie auch die grundsätzliche Austauschbarkeit zahnmedizinischer Leistung auszudrücken. Wie war das mit Freiberuflichkeit? Wenn deutsche Zahnmedizin Premium ist – und das ist sie – muss eines klar sein: Qualität und Preis sind nicht verhandelbar.

Für all diese Probleme gilt:

Auf ein Neues im nächsten Jahr!

Frohe Weihnachten!

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.