Denk ich an Jamaika ...
Schnitt! Nun denken Sie an Deutschland, versuchen das nasskalte Novemberwetter vor Ihrem inneren Auge auszublenden, ebenso die sich mehr oder minder mühenden Vielleichtkoalitionäre der CDU, CSU, Grünen und FDP, eine Regierungskoalition zu basteln. Sagen wir lieber zu gestalten, das klingt aktiver, zupackender, formender. Nur, was hat das mit Jamaika zu tun?
Natürlich nichts, aber vielleicht doch mehr als Sie glauben: Sicher ist es ein schwieriges Unterfangen, bereits zu Beginn eines politischen Verhandlungsprozesses mit der Festlegung eines Namens, der auf der Farbenlehre der Parteien basiert, das spätere politische Ergebnis auch treffend zu umschreiben. Aber hier scheint es doch gelungen und vom „Weitblick“ der Unterhändler der einzelnen Parteien geprägt. Und das, obwohl die Verhandler durchaus noch diametrale Positionen in einzelnen Politikfeldern vertreten.
Schauen wir also einmal auf das Basispapier, auf das sich die potenziellen Koalitionäre verständigt haben. Da findet sich unter der Überschrift „Gesundheit und Pflege“ Folgendes, hier dokumentiert im Wortlaut: „Uns eint die Überzeugung, dass sich die Menschen in unserem Land auf eine gute medizinische und pflegerische Versorgung verlassen können müssen, unabhängig von ihrem Einkommen und Wohnort. Besonderer Anstrengung bedarf es für eine flächendeckende Sicherstellung einer guten Versorgung im ländlichen Raum und in unterversorgten Quartieren. Von zentraler Bedeutung ist die Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen, insbesondere in der Pflege, dazu gehört die besondere Unterstützung der Pflegenden.
Im Zuge dessen wollen wir gemeinsam angehen: Eine integrierte und sektorübergreifende Bedarfsplanung; die Nutzung der Chancen der Digitalisierung im Gesundheitssystem; die Weiterentwicklung der Notfallversorgung, denn hier besteht besonderer Handlungsbedarf; die Verbesserung der Geburtshilfe. Darüber hinaus sprechen wir im Rahmen der Sondierungen weiter über die folgenden Themen: die Frage der Krankenhausinvestitionen; die Weiterentwicklung des Medizinstudiums, insbesondere die Zahl der Medizinstudienplätze; die Stärkung der Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen; die Frage der Stärkung der Patientenrechte und Verbesserung der Patienten- und Versichertenbeteiligung; flächendeckende Apothekenversorgung und die Frage des Versandhandels; uns eint der Wille, die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege spürbar zu verbessern. Deshalb diskutieren wir über die Frage der Vergütung und die volle Refinanzierung von Tarifsteigerungen im Rahmen der Krankenhausvergütung. Wir prüfen darüber hinaus die Möglichkeiten eines Sofortprogramms zur Verbesserung der Personalausstattung.
Die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation insbesondere in der Krankenpflege, zur Entlastung der Pflegekräfte. Hier wollen wir insbesondere die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen.
Die Frage der Finanzierung des Gesundheitswesens hinsichtlich der Struktur (Modell einer Bürgerversicherung oder Weiterentwicklung des Dualen Systems); die Entwicklung von Arbeitnehmer und Arbeitgeberbeiträgen (Frage der Parität, Notwendigkeit der Deckelung Zusatzbeitrag oder Beibehaltung Status quo); die Überprüfung des Morbi-RSA (u. a. Regionalisierung); der Entbudgetierung; der Prüfung einer weitergehenden Steuerfinanzierung der GKV-Mitgliedsbeiträge von ALG II-Empfängern; des gemeinsamen Ziels einer Reduktion der Mindestbeiträge von Selbständigen.“
Nun, dass ärztlich und zahnärztlich Tätige in diesem Basispapier nicht vorkommen (sic!), muss nicht mehr verwundern. Denn wie sagte der KBV Vorsitzende, Dr. Andreas Gassen, vor einigen Wochen auf dem Orthopädenkongress in Berlin: „Egal, wie die Regierung letztlich aussehen wird, im Bundesgesundheitsministerium wollen sie glasklar die Substitution.“ Fast hätte ich nun die letzten beiden Sätze des Papiers vergessen: „Die Sicherstellung der Versorgung mit medizinischem Cannabis.“ Und: Jetzt kommt‘s: „Die Frage der legalen kontrollierten Abgabe von Cannabis generell.“
Welch Weitblick in der Namensgebung! Jetzt müssen wir uns nur noch um besseres Wetter kümmern. Einen „Strand“ gibt es ja schließlich auch an der Spree, direkt zu Füßen der Abgeordneten … Und mit freundlicher Unterstützung von Tetrahydrocannabinol ist dann auch alles nicht mehr so schlimm – Jamaika wir kommen.
Dr. Uwe Axel Richter,
Chefredakteur