Frauen gründen anders
Seit dem Jahr 2000 entwickelt sich die Zahl der Existenzgründungen generell rückläufig. Nach einem zwischenzeitlichen Tiefststand 2012 (1.195 Gründungen) liegt sie 2016 mit 1.301 Gründungen (2015: 1.299) auf Vorjahresniveau.
Insgesamt investierten zahnärztliche Existenzgründer 2015/16 schätzungsweise rund eine Milliarde Euro – und konnten mit dieser Summe mehr als 20.000 Arbeitsplätze neu schaffen beziehungsweise erhalten.
Bei dem am häufigsten gewählten Weg in die Selbstständigkeit – der Einzelpraxisübernahme – stieg das durchschnittliche Finanzierungsvolumen gegenüber dem Vorjahr um 5 Prozent auf 342.000 Euro. Die Neugründung einer Einzelpraxis verteuerte sich mit einem Zuwachs der durchschnittlichen Finanzierungssumme um 9 Prozent auf 528.000 (2015: 484.000) Euro noch drastischer.
Der Stellvertretende Wissenschaftliche Direktor des IDZ und Autor der Studie, Dr. David Klingenberger, sieht im Umfang und in der Entwicklung der Praxisinvestitionen einen deutlichen Beleg dafür, „dass die zahnärztliche Berufsausübung eine sehr umfangreiche technisch-apparative Ausstattung zur modernen Patientenversorgung erforderlich macht, die entsprechend hohe Investitionsvolumina begründet“.
Dabei zeigt die Aufschlüsselung nach Übernahme und Neugründung ein uneinheitliches Bild. Die Kostensteigerung bei einer Übernahme ist auf einen Mix aus den gesunkenen Kosten für den Übernahmepreis (- 7 Prozent) und gestiegenen Kosten für die Einzelpositionen Modernisierung/Umbau (+ 11 Prozent), medizinisch-technische Geräte und Einrichtung (+ 15 Prozent), Betriebsmittel (+ 9 Prozent) sowie sonstige Investitionen, die um satte 47 Prozent zulegten, zurückzuführen. Bei der Neugründung hat sich diese Sammelposition mit einem Zuwachs auf 142.000 Euro (2015: 67.000) sogar mehr als verdoppelt, während alle übrigen Finanzierungspositionen fielen. Die Kosten für Modernisierung/Umbau sanken um 28 Prozent, für medizinisch-technische Geräte und Einrichtung um knapp 3 Prozent und der durchschnittliche Betriebsmittelkredit um 8 Prozent. In der Kategorie „sonstige Investitionen“ finden sich alle Investitionen, die keinem anderen Investitionsblock zugeordnet werden können, wie zum Beispiel Einmalzahlungen im Rahmen eines Geräteleasings, Elektroarbeiten oder die Erweiterung der Zahnarztpraxis um ein Eigenlabor.
Der Trend zur Steigerung der Gesamtvolumina galt sowohl für die Neugründung als auch für die Übernahme einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Bei der Neugründung stieg das Finanzierungsvolumen um knapp 3 Prozent auf 339.000 Euro, bei der Übernahme um 9 Prozent auf 318.000 Euro. Einzig der Einstieg in eine BAG reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr, hier sank das Finanzierungsvolumen um 23 Prozent auf 238.000 Euro.
Die Zahl der Gründer unter 30 steigt
Die Übernahme einer Einzelpraxis bleibt die häufigste Gründungsart, so auch 2016 mit 63 Prozent (2015: 65) der Finanzierungsfälle. Ungleich weniger (7 Prozent) gründeten neu, der Wert ist unverändert gegenüber dem Vorjahr. Leicht zugenommen hat hingegen die Zahl der jungen Gründer: 16 Prozent (2015: 14) entfallen auf die Gruppe bis 30 Jahre, 64 Prozent (2015: 65) sind zwischen 31 und 40 Jahre, 20 Prozent (2015: 21) über 40 Jahre alt. Im Osten gab es mehr jüngere (22 Prozent) und weniger ältere Existenzgründer (14 Prozent) als im Westen.
Alle drei möglichen Gründungswege in eine BAG machen zusammen die am zweithäufigsten gewählte Art der Existenzgründung aus: Auf Neugründungen, Übernahmen und Beitritte in eine bestehende BAG entfielen zusammen 30 Prozent (2015: 28) aller Gründungen – ein Wert der seit 2012 vergleichsweise stabil ist.
Das Durchschnittsalter betrug bei der Erstniederlassung 35,9 Jahre, wobei die Männer im Mittel mit 35,5 Jahren exakt ein Jahr früher in die Selbstständigkeit starteten als die Frauen.
Vorsichtiger und kleiner: wenn Frauen investieren
Zahnärztinnen starten demnach nicht nur später, sondern auch mit einem anderen Fokus in diese berufliche Lebensphase. Zwar entscheiden sich Männer und Frauen etwa gleich oft für eine Neugründung, doch investieren Frauen in diesem Prozess im Durchschnitt 7 Prozent weniger. Noch deutlicher fällt die finanzielle Zurückhaltung bei den Übernahmen von Einzelpraxes aus, für die sich Frauen seltener entscheiden als Männer. Mehr als 70.000 Euro geringer fällt das Investitionsvolumen aus, wenn frau eine Praxis übernimmt – was vor allem auch am geringeren Übernahmepreis liegt. Denn der ist bei weiblichen Existenzgründern im Durchschnitt rund 50.000 Euro niedriger – er liegt mit 132.000 Euro 37 Prozent unter dem Durchschnittswert der Männer. „Diese Unterschiede dürften, in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass die Praxisgründerinnen einen tendenziell kleineren Praxiszuschnitt präferieren“, führt Klingenberger aus. Ein erfolgreicheres Verhandlungsgeschick der Frauen beim Aushandeln des Übernahmepreises sei indes nicht belegt.
Auch wenn die Einzelpraxisübernahme für beide Geschlechter nach wie vor die bevorzugte Niederlassungsform ist, entscheiden sich Frauen deutlich häufiger als Männer für die BAG. Mehr als jede dritte (35 Prozent) startet in die Selbstständigkeit, indem sie eine BAG gründet, übernimmt oder ihr beitritt. Bei den Männern ist es nur jeder vierte (25 Prozent). Damit entfallen 87 Prozent aller Gründungen auf eine Übernahme, den Beitritt oder den Einstieg in eine BAG oder aber auf die Übernahme einer Einzelpraxis. Betrachtet man die finanzielle Entwicklung, wurde bei den Einzelpraxisübernahmen im Schnitt ein Übernahmepreis von 161.000 Euro gezahlt, was einem Rückgang von 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Bei den BAG-Übernahmen stieg der durchschnittliche Übernahmepreis dagegen gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent auf 162.000 Euro. Der Übernahmepreis für den Beitritt in eine BAG betrug 180.000 Euro – 29 Prozent weniger als im Vorjahr.
Verteilung auf Stadt und Land bleibt stabil
Die Standortwahl spielt bei der Existenzgründung eine entscheidende Rolle, dementsprechend schlüsselt der InvestMonitor auch die Verteilung nach Ortsgrößen auf. Unterschieden werden dabei entsprechend den gängigen wissenschaftlichen Standards der eher großstädtische Raum einschließlich der Metropolen mit 100.000 Einwohner oder mehr, mittelstädtische Gemeinden mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern und eher kleinstädtisch-ländlich geprägte Gebiete mit bis zu 20.000 Einwohnern.
Der Anteil der Existenzgründungen im großstädtischen Bereich stieg demzufolge auf 41 Prozent (2015: 35) – zulasten der Gründungen in mittelstädtischen Lagen, deren Anteil auf 29 Prozent (2015: 32) sank sowie der eher ländlichen Bereiche, in denen sich nur 30 Prozent (2015: 33) der Existenzgründer niederließen. Bei der Betrachtung der Verteilung über die vergangenen fünf Jahre zeigt sich jedoch kein Trend, sondern eine gewisse Schwankungsbreite um stabile Mittelwerte. Klingenberger: „Die regionale Verteilung der Praxisgründungen ist ein empirischer Hinweis darauf, dass die zahnärztliche Versorgung in der Fläche auch mittelfristig gesichert erscheint.“
Gründung einer Fachpraxis ist deutlich teurer
Zahlen zu den fachzahnärztlichen Praxen werden im InvestMonitor ebenfalls erfasst, aufgrund der geringeren Fallzahlen jedoch gesondert ausgewertet. Hier wird lediglich nach der Fachrichtung sowie innerhalb der Fachrichtung nach der Form der Existenzgründung (Neugründung oder Übernahme) unterschieden. In der aktuellen Analyse wurden die Finanzierungsdaten von 73 Fachpraxen ausgewertet, darunter 40 kieferorthopädische Fachpraxen und 33 für Oralchirurgie beziehungsweise für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG). Innerhalb der Fachrichtung wurde dann unterschieden, ob die Existenzgründung in Form einer Neugründung (Einzelpraxis oder Berufsausübungsgemeinschaft) oder in Form einer Übernahme beziehungsweise eines Beitritts/Einstiegs (Einzelpraxis oder Berufsausübungsgemeinschaft) erfolgte. Bei der Neugründung einer kieferorthopädischen Praxis wurden 517.000 Euro (2015: 484.000) gezahlt, bei Übernahme/Beitritt 422.000 Euro (2015: 403.000).
Über alle Praxisformen hinweg lag das Finanzierungsvolumen von kieferorthopädischen Fachpraxen damit im Durchschnitt 35 Prozent über dem Niveau allgemeinzahnärztlicher Praxen. Bei Existenzgründungen von oralchirurgischen Praxen sowie von MKG-Fachpraxen wurde sogar ein um 65 Prozent höheres Finanzierungsvolumen benötigt.
IDZ und apoBank
Der InvestMonitor 2016
Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) analysiert seit 1984 gemeinsam mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) in Düsseldorf das zahnärztliche Investitionsverhalten bei der Niederlassung. Unterschieden werden drei Arten der zahnärztlichen Existenzgründung: die Neugründung einer Einzelpraxis, ihre Übernahme sowie die Niederlassung in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft.
Basis des InvestMonitors Zahnarztpraxis 2016 sind 474 von der apoBank protokollierte Finanzierungen zahnärztlicher Existenzgründungen im gleichen Jahr.
Studie zum Investitionsverhalten
Frauen versus Männer
Frauen investieren weniger Geld in ihre Praxisgründung – zwischen 2006 und 2015 steckten sie in eine Einzelpraxisneugründung durchschnittlich 80.000 Euro und in eine Übernahme 54.000 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Aber verdienen sie anschließend auch weniger?
Für die Panelstudie AVE-Z (Ökonomische Analyse der Ausgangsbedingungen, Verlaufsmuster und Erfolgsfaktoren von zahnärztlichen Existenzgründungen) wurden jeweils im Oktober 2002, 2004 und 2006 rund 110 zahnärztliche Existenzgründer befragt. Verglichen wurden damals auch die nach Geschlechtern getrennten jährlichen Gesamteinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben in der Startphase nach der Gründung (bei einer Gründung zwischen 1998 und 2001) sowie in den folgenden Befragungen in der Expansionsphase zwei Jahre und in der Konsolidierungsphase vier Jahre später.
Ergebnis: Bei den Einzelpraxisneugründungen zeigten sich in der Konsolidierungsphase große Unterschiede zwischen weiblichen (74.000 Euro) und männlichen Existenzgründern (99.000 Euro). In der Expansionsphase war der Unterschied zwischen dem Einnahmenüberschuss von Zahnärztinnen (19.000 Euro) und ihren männlichen Kollegen (31.000 Euro) noch geringer ausgefallen. Bei den Einzelpraxisübernahmen betrug der Einnahmensaldo in der Expansionsphase bei den Männern durchschnittlich 104.000 Euro, bei den Frauen 90.000 Euro. In der Startphase hatte der Einnahmensaldo der Zahnärztinnen nur 2.000 Euro unter dem entsprechenden Wert ihrer männlichen Kollegen gelegen.