Digitale Mundgesundheitsförderung

Können Serious Games die Oralprophylaxe unterstützen?

Laura von Nordheim
,
Johan Wölber
Auf der Suche nach dem perfekten Zahnputz-Algorithmus: Können „Serious Games“ die Oralprophylaxe unterstützen? Was der Markt anbietet und was Stiftung Warentest und die Jugendzahnpflege zu den Versprechungen der Hersteller sagen.

Teil 1: Problemaufriss Serious Games – Dr. Johan Peter Wölber
Teil 2: Stiftung Warentest: „Playbrush“ und die App „Utoothia“
Teil 3: Serious Games und Playbrush aus der Sicht der Jugendzahnpflege – Laura von Nordheim, LAGZ Hessen

Der Markt bietet Familien heute ein breites Spektrum an digital unterstützen Produkten zur Verbesserung der Mundgesundheit. Dieser Artikel gibt einen komprimierten Überblick über die Arten von digitaler, spielbasierter Mundgesundheitsförderung und deren Evidenz.

Computerspiele und digitale Medien bestimmen zunehmend den Alltag von Kindern und Jugendlichen. So spielen in Deutschland rund 89 Prozent der 10- bis 18-jährigen laut Untersuchungen bis zu drei Stunden täglich und länger [BITKOM-Umfrage, 2017]. Während durch die Medien zumeist die negativen Gesundheitsfolgen von intensivem Computerspielen – Aggression, Trägheit, Abhängigkeit oder muskuloskelettale Schäden – beleuchtet werden, gibt es auch Computerspiele, die nachweislich Gesundheit fördern können. Seit der Gründung der „Serious Games Initiative“ im Jahr 2000 spricht man bei solch edukativen Spielen von sogenannten Serious Games. Diese sollen Lern- und Motivationsinhalte (etwa Sprachen, Naturwissenschaft oder auch Gesundheitsinhalte) auf unterhaltsame und spielerische Weise vermitteln. Serious Games werden mittlerweile in vielfältigen Bereichen mit Erfolg eingesetzt – auch im Bereich der Mundgesundheitsförderung gibt es erste Ansätze. Eine Meta-Analyse zu den Gesundsheiteffekten von Serious Games konnte signifikante Verbesserungen in unterschiedlichen Gesundheitsbereichen feststellen [DeSmet et al., 2014]. Allerdings waren die Ergebnisse sehr heterogen in Bezug auf das verwendete Spiel. Ein anderer Begriff in diesem Bereich ist der Begriff „Gamification“, der die Anwendung von spieletypischen Elementen im Kontext von sonst spielefremden Bereichen beschreibt.

So vielfältig wie die Computerspiele selbst können ihre Anwendungsformen zur Förderung der Mundgesundheit aussehen. Grob kann man zwei Bereiche für digitale Medien zur Förderung der Mundgesundheit unterscheiden (siehe Tabelle). Natürlich können diese beiden Bereiche kombiniert werden. Im Fall der Beeinflussung von motorischen Fähigkeiten lässt sich etwa die Beeinflussung von motivationalen Faktoren wie der Selbstwirksamkeit gar nicht vermeiden, da das eigene Erleben (von erfolgreicher Mundhygiene) immer auch die Selbstwirksamkeit beeinflusst. Neben diesen Spielen kursieren auch digitale applikationsbasierte Motivationshilfen    (etwa der Oral B Smartguide©, BushDJ©, Anwendungen mit WhatsApp©), die allerdings weniger als Spieleformen gesehen werden können.

Lieber einen Apfel statt eines Schokoriegels

Um die Evidenz bezüglich der digitalen Anwendungen festzustellen, wurde eine Literaturrecherche in Medline (Pubmed) durchgeführt mit der Verschlagwortung „(video game) OR (serious game) OR (app) AND (dental OR oral)“. Die Suche ergab 630 Treffer, wovon sieben Titel genauer analysiert wurden. Ein doppeltes Suchergebnis wurde ausgeschlossen. Zwei Artikel wurden ausgeschlossen, da sie sich nicht mit Oralprophylaxe beschäftigten. Ein Artikel war nicht verfügbar.

Im Bereich der Serious Games zur Oralprophylaxe konnte über Pubmed lediglich ein Studienprotokoll gefunden werden, in dem die Untersuchung eines Serious Game bei Kindern mit hohem Kariesrisiko beschrieben wird [Aljafari et al., 2015]. Des Weiteren stellte eine belgische Arbeitsgruppe um Panic et al. [2014] bei einer Untersuchung an 190 Schulkindern fest, dass abschreckende Bilder (von kariösen Zähnen) die Kinder dazu verleiteten, sich häufiger für einen gesunden Snack (Apfel) als für einen ungesunden Snack (Süßigkeit) zu entscheiden – im Vergleich dazu, wenn nicht-abschreckende Bilder von gesunden Zähnen gezeigt wurden. Allerdings war der Effekt der Abschreckung nur gegeben, wenn die Kinder danach nicht durch eine Informationsbroschüre oder ein mundgesundheitsförderndes Serious Game abgelenkt wurden.

Mehr Selfies = weniger Plaque

Im Bereich der nicht-spielebasierten, digitalen Motivationshilfen konnten Zotti et al. [2016] bei 80 Jugendlichen im Rahmen der kieferorthopädischen Therapie zeigen, dass Teilnehmer, die regelmäßig Selfies von ihren Zähnen in einer WhatsApp-Gruppe verschickten, signifikant geringere Plaque- und Gingivitiswerte aufzeigten. Li et al. [2016] untersuchten, ebenfalls bei kieferorthopädischen Patienten, die Wirkung einer Smartphone-Chatgruppe, in der regelmäßig Gesundheitshinweise und Erinnerungen gesendet wurden. Sie konnten bezüglich der Plaque- und Gingivitiswerte keinen Unterschied zwischen der Chat-Gruppe und der Kontrollgruppe feststellen. Allerdings zeigten die Teilnehmer der Chat-Gruppe weniger Fehltermine und ein zuverlässigeres Erscheinen zu den Terminen. Underwood et al. [2015] untersuchten in einer Anwenderbefragung von 189 Teilnehmern die Erfahrungen mit der Brush-DJ-Applikation. Die App informiert die Anwender regelmäßig via „Push-up“-Meldungen (kleine Informationsmeldungen auf dem Display) über Empfehlungen und Informationen zur Mundhygiene. Ein Großteil der Befragten berichtete, länger zu putzen und auch Freunden die App zu empfehlen. Allerdings gab es in der Untersuchung keine Kontrollgruppe und keine klinischen Ergebnisse.

Serious Games zur Förderung der Mundgesundheit

Förderung von kognitiven Aspekten wie Wissen. Selbstwirksamkeit. Motivation (z.B. bezüglich Mundhygiene. Fluoriden)

Förderung von motorischen Fähigkeiten über Feedbackmechanismen in der Nintendo Wii. Playbrush oder Applikationen (Apps)

Protectus (www.tajono.de)

Playbrush© (Playbrush GmbH. Österreich)

Reise nach Zahnasien (LAGZ Baden-Württemberg)

Brush up© (GamesThatWork. USA)

Attack of the S. mutans (Firsthand Inc. USA; noch nicht auf dem kommerziellen Markt verfügbar)

Philips Sonicare For Kids© (Philips. Niederlande)

Disney Magic Timer App (Procter & Gamble©. USA)

Rainbow (Vigilant)

Tabelle 1: Bereiche. die durch Videospiele bzw. Serious Games beeinflusst werden mit beispielhaften Spielen (kein Anspruch auf Vollständigkeit) Quelle: Eigene Auswertung

Neben der Literaturrecherche mittels Pubmed wurde noch eine Handsuche durchgeführt. Im deutschsprachigen Raum konnte eine Greifswalder Arbeitsgruppe um Höfer et al. [2017] an 49 Vorschulkindern zeigen, dass ein applikationsgestüztes Zahnputzspiel (Rainbow, Vigilant) sowohl die Plaqueals auch die Gingivitiswerte signifikant senken konnte im Vergleich zu einer Zahnbürste ohne applikationsgestütztes Spiel. Die Werte der Experimentalgruppe waren dabei nach sechs Wochen mit Applikation wie auch weitere sechs Wochen ohne Applikation besser im Vergleich zur Kontrollgruppe. Weiterhin konnte eine vorläufige Studie zum Spiel „Brush Up“ (www.brushupgame.com) gefunden werden, deren Ergebnisse allerdings noch nicht publiziert sind [Jacobson et al., unpublished]. In Untersuchung einer eigenen Arbeitsgruppe befindet sich das Spiel „Protectus“ (www.tajono.de) Limitationen von digitalen Motivationshilfen können in der einseitigen Betonung der extrinsischen Motivation liegen. Fällt die digitale Motivationshilfe unter bestimmten Umständen weg (etwa bei einem Camping-Urlaub), kann die Motivation unter Umständen eingeschränkt sein. Die Beeinflussung von Wissens- und Technikaspekten (wie dem Schutz der Zähne durch flouridierendes Zähneputzen oder den Zusammenhang zwischen Zucker und Karies beziehungsweise das Erlernen von bestimmten Putztechniken) kann hingegen als stabil betrachtet werden.

Fazit

Im Bereich der Serious Games in der Oralprophylaxe lassen sich viele interessante Projekte finden, mit allerdings nur wenigen Untersuchungen zu den Effekten dieser Spiele. Im Gegensatz dazu zeigen Studien zu applikationsbasierten Motivations- beziehungsweise Putztechnikhilfen erste positive und vielversprechende Ergebnisse.

Dr. Johan Peter Wölber

Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg
johan.woelber@uniklinik-freiburg.de

Stiftung Warentest zur App „Utoothia“ von „Playbrush“

Motivationshilfe mit Mängeln

„Mit Playbrush wird 40 % mehr Plaque als durch reguläres Putzen beseitigt.“ Mit diesem „dental fact“ wirbt Playbrush auf seiner Website. 

 

Wer mit der Zahnbürste Monster jagen, Flieger steuern oder gar Bilder malen will, kann das mit der Variante „Playbrush“ versuchen. Der Kunststoffaufsatz funktioniert auf vielen Handzahnbürsten, nicht aber auf elektrischen Modellen. Dazu gehört eine App. Beides hat die Stiftung Warentest in diesem Jahr in einem Schnelltest untersucht.

Getestet wurde die App „Utoothia“: In einer Variante kämpft ein Ritter mit einem Laserstrahl gegen schädliche Bakterien-Monster. Die Bürste muss den Monstern in alle Richtungen folgen. Bewegt man die Bürste zu langsam oder zu schnell, erscheint eine Warnung auf dem Handydisplay. Macht der Putzer seine Aufgabe gut, wird er gelobt. Ziel ist es, beim Spielen möglichst viele Punkte zu sammeln und dabei gleichzeitig alle Zähne zu erreichen.

Drei Erwachsene und drei Kinder im Vorschulalter haben das Produkt genutzt und wurden von Experten aus dem Fachgebiet „Gebrauchstauglichkeit“ beobachtet: Der Aufsatz erschwerte demnach vor allem den kleinen Testern das Halten der Zahnbürste. Durch den Aufsatz verdreifache sich ungefähr das Gewicht, je nach Zahnbürste. Die jungen Tester hätten primär auf das Spielgeschehen geachtet. Problematisch: Playbrush lasse sich austricksen. Nicht kontrollierbar sei, ob die Bürste tatsächlich im Mund bewegt wird und die Borsten dabei Kontakt mit den Zähnen haben. Spielpunkte ließen sich auch sammeln, wenn die Zahnbüste außerhalb des Mundes bewegt wird. Und um die Hinweise, die während des Spiels auf dem Display angezeigt werden, zu berücksichtigen, müsse man eben lesen können.

Und Stiftung Warentest bemängelte noch etwas anderes: Die via Bluetooth übersendeten persönlichen Daten könnten Rückschlüsse auf den Nutzer zulassen. Sowohl die Android- als auch die iOS-App bewerteten die Tester im Datensendeverhalten als sehr kritisch, weil sie den Benutzernamen unverschlüsselt an den App-Anbieter übermitteln. Hier gebe es datenschutzfreundlichere Alternativen, bei Android beispielsweise die Instance-ID, die immer wieder neu generiert wird.

Fazit: Die Kinder, die gut allein putzen, bräuchten Playbrush demnach nicht. Bei hartnäckigen Putzverweigerern könne der Aufsatz eine spielerische Motivationshilfe sein. Über kurz oder lang sollten Kinder aber lernen, dass Zähneputzen zu den alltäglichen Routinen gehört – auch ohne digitale Unterstützung. sf

Serious Games aus Sicht der Jugendzahnpflegeprofis

Wenig Benefit für Zähne, viel Spaß für Kinder

Laura von Nordheim

Am Beispiel PlayBrush lässt sich vergleichen, was die digital unterstütze Oralprophylaxe im Unterschied zur analogen Anleitung von Mensch zu Mensch leisten kann und wo die Defizite liegen. Prädestiniert für einen solchen Vergleich ist eine Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege, Laura von Nordheim, aus Hessen.

Bei der PlayBrush handelt es sich um einen Zahnbürstenaufsatz für Handzahnbürsten, der sich per Bluetooth mit einer App auf Smartphone oder Tablet verbinden lässt und so Zugriff auf vier verschiedene Spiele schafft. Die Idee hinter Playbrush ist, „lästige Routine in ein spannendes Spiel zu verwandeln“, damit „Kinder endlich Spaß am Zähneputzen haben“ und „die Wichtigkeit der Zahnhygiene auf spielerische Art verstehen“. Zahnputzmonster werden gejagt, Bilder gemalt und Heißluftballons geflogen, indem man die Zahnbürste durch alle vier Quadranten führt. So will der Hersteller garantieren, dass durch zweimal am Tag Putzen für je zwei Minuten alle Zähne erreicht werden, damit „Angst vor dem Zahnarzt und hohe Behandlungskosten“ der Vergangenheit angehören.

Prophylaxe war schon vor PlayBrush spannend

Dass Zähneputzen jedoch keine „lästige Routine“ sein muss, zeigt sich in der Gruppenprophylaxe der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugenzahnpflege in Hessen schnell. Begleitet vom Zahnputzzauberlied erlernen Kinder durch das Üben in der Kita die Zahnputzsystematik KAIplus, die sie ein Leben lang in Sachen Zahngesundheit begleitet. Entwicklungspädagogische Grundlagen, Erkenntnisse in motorischer und kognitiver Entwicklung (in Bezug auf handmotorische Fähigkeiten und Körperwahrnehmung), zahnmedizinische Forschung und langjährige Praxiserfahrung haben zur Entwicklung der KAIplus-Zahnputzsystematik geführt. Die Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) empfiehlt sie als effektive, zielsichere und leicht verständliche Zahnputzsystematik für alle Kinder und Eltern: So werden Kau-, Außen- und Innenflächen mit schrubbenden, kreisenden und auswischenden Bewegungen zielsicher gereinigt.

Mit viel Lob für jeden Putzversuch und einer Menge Spaß beim Singen lernen Kinder gemäß ihres individuellen Entwicklungsstands, alle Zähne von allen Seiten zu erreichen. Bis sie dazu handmotorisch und kognitiv in der Lage sind, spielen Eltern die Hauptrolle beim abendlichen Sauber- beziehungsweise Nachputzen der Kinderzähne und werden speziell in der letzten Strophe des Zahnputzzauberliedes an ihre Verantwortung erinnert. „Jetzt ist meine Mama (Papa, Oma, Onkel, ...) dran, fängt bei mir zu putzen an. Hin und her, rundherum, wische aus, jetzt ist aller Schmutz heraus!“. Einfach zugänglich auf YouTube und CD, geht das Zahnputzzauberlied schnell ins Ohr, leitet an und macht viel Spaß. Seit Kurzem gibt es auch für ältere Kinder einen Zahnputz-Rap, der als spaßige, musikalische Untermalung zum Putzen motiviert. Zusätzlich unterstreichen engagierte Kita-BetreuerInnen die Angebote der Patenschaftszahnarzt-Teams und regelmäßige Zahnarztbesuche die Wichtigkeit von Zahngesundheit und erhöhen durch persönliche Motivation und Feedback die Chance auf gesunde Kinderzähne.

Ein Algorithmus für eine bessere Zahngesundheit?

PlayBrush hingegen funktioniert gänzlich anders, verspricht aber ähnliche Erfolge. PlayBrush soll Spaß machen, die Zahngesundheit erhöhen und Eltern unterstützen. Ein „spezieller Algorithmus“ und ein Belohnungssystem sollen sicherstellen, dass Kinder regelmäßig, lange genug und überall im Mund putzen. Korrekt verwendet, ermutigt PlayBrush Kinder, alle Zähne im Mund zu erreichen. Verschiedene Putzbewegungen werden geübt und auch die Putzgeschwindigkeit wird bewertet. Trotzdem setzt PlayBrush eine körperliche und kognitive Koordinationsfähigkeit heraus, die für jüngere Kinder schwierig ist und auch bei älteren Kindern Übung benötigt. Heißluftballons fliegen lassen, Bilder ausmalen und Zahnmonster jagen macht zwar Spaß, lenkt aber ab. Die sensorische Erfahrung wird durch eine Verfolgungsjagd auf dem Bildschirm ersetzt, was die Verletzungsgefahr bei übereifrigen Spielern erhöhen kann.

”Wenn man zehn Sekunden lang entsprechend den Anweisungen geputzt hat (also je nach Spiel entweder entsprechend der angezeigten Richtung oder bei freier Richtungswahl korrekt geputzt hat), dann erscheint ein „Gut geputzt!”, um die Kinder mit positivem Feedback zu motivieren.

Paul Varga, Playbrush Co-Founder/Managing Director

PlayBrush übersieht, dass Eltern eine zentrale Rolle bei der Zahngesundheit ihrer Kinder spielen und verspricht ihnen Entlastung und Unterstützung. Neben einer verbesserten Putz-Motivation aufseiten des Kindes, soll es Eltern durch integrierte Statistiken möglich sein, die Putzerfolge ihrer Kinder zu überprüfen. Nichtsdestotrotz werden sie weder an das abendliche Nach- beziehungsweise Sauber-Putzen von allen Seiten erinnert noch können sie ihre Vorbildfunktion wahrnehmen, positive Normen ums Zähneputzen schaffen oder das Zähneputzen anzuleiten, da Kinder auf dem Smartphone Zahnmonster jagen, statt ihren Eltern beim Zähneputzen zuzuschauen.

Und obwohl Playbrush mit einem cleveren Algorithmus hinter den Spielen lockt, der zum Erreichen aller Zähne führen soll, lässt sich das Tool austricksen: Da PlayBrush nicht erkennen kann, wo sie verwendet wird, kann man beispielsweise auch durch Schrubben auf dem Badezimmerspiegel Punkte sammeln. Diese Tatsache wiederum lässt einen zweifeln, ob PlayBrush tatsächlich halten kann, was sie verspricht: eine verbesserte Zahngesundheit durch effektive Zahnreinigung.

Zwar schult PlayBrush die handmotorischen Fähigkeiten, jedoch wird keine Systematik geübt. Das Erlernen einer effektiven Zahnputzsystematik, die die Zahngesundheit lebenslang unterstützt, bleibt bei der PlayBrush daher leider aus. Dies wirft Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit des Gadgets auf. Lässt die Begeisterung für das Gadget erst einmal nach, kann das Zähneputzen tatsächlich als langweiliger als je zuvor empfunden werden – und das systematische Sauber-Putzen aller Zahnflächen wurde nicht genügend geübt, um eine selbstständige, effektive Reinigung ohne Aufsatz und Anleitung erwirken zu können.

Trotzdem macht PlayBrush Spaß und besonders putzbegeisterte Kinder können mit PlayBrush für ihre Mühen belohnt werden. Außerdem kann PlayBrush als Motivationshilfe für Kinder eingesetzt werden, die eine Starthilfe in Sachen Zähneputzen brauchen. Vor allem, wenn sich Zähneputzen schon in einen Streitpunkt verwandelt hat, verspricht PlayBrush Abhilfe: „Keine Tränen mehr, kein Stress im Badezimmer!“, heißt es auf der Firmenhomepage.

Statt auf den oft ablenkenden Aspekt der „Gamification“ zu setzen, möchte ich auf die bewährten Tipps der Jugendzahnpflege verweisen, damit Kinder die Zahnputz-Systematik internalisieren:

  • Routine hilft Kindern, ihren Aufgaben gerecht zu werden. 

  • Zähneputzen direkt nach dem Frühstück, direkt nach dem Abendessen oder vor dem Zubettgehen kann helfen, dem bekannten „Ja Mama, mach ich später!“ aus dem Weg zu gehen. 

  • Eine Gutenachtgeschichte als Belohnung für das Zähneputzen kann bei der Überzeugungsarbeit helfen, ebenso wie personalisierte oder selbstausgesuchte Zahnbürsten und -pasten. 

Wenn Zähneputzen mit Kuscheleinheiten und dem liebevollen Blick der Eltern beim Nachputzen ausgestattet wird, verwandelt sich das Zähneputzen schnell in eine schöne statt stressige Erfahrung.

Fazit

PlayBrush ist genau das, was es verspricht: eine Spiel-Bürste. PlayBrush kann motivieren, macht Spaß und kann helfen, Zahnputz-Verweigerungsphasen spielerisch zu lösen. Trotzdem kann PlayBrush keinesfalls Eltern in Sachen Zahngesundheit ersetzen. Eltern sollten weiter ihre Vorbildfunktion erfüllen, können Kinder beim Erlernen der korrekten Zahnputzsystematik anleiten und unterstützen durch positive Bestärkung und Lob – wie es eben nur Eltern können. Da PlayBrush keine effektive Zahnputzsystematik lehrt, die auch ohne Aufsatz zu definitiv Plaque-freien Zähnen führt, sollte PlayBrush als Spielzeug, jedoch nicht als Zahnputz-Coach verwendet werden.

Wir empfehlen KAIplus als effektive, zielsichere und leicht verständliche Zahnputzsystematik, die Spaß am Zähneputzen vermittelt.

Laura von Nordheim

Gesundheitspsychologin
Referentin der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege in Hessen (LAGH) 

Literaturliste

Aljafari, A., Rice, C., Gallagher, J.E., Hosey, M.T., 2015. An oral health education video game for high caries risk children: study protocol for a randomized controlled trial. Trials 16, 237. doi:10.1186/s13063-015-0754-6

DeSmet, A., Van Ryckeghem, D., Compernolle, S., Baranowski, T., Thompson, D., Crombez, G., Poels, K., Van Lippevelde, W., Bastiaensens, S., Van Cleemput, K., Vandebosch, H., De Bourdeaudhuij, I., 2014. A meta-analysis of serious digital games for healthy lifestyle promotion. Prev Med 69C, 95–107. doi:10.1016/j.ypmed.2014.08.026

Höfer, M., Alkilzy, M., Treuner, A., Splieth, C., 2017. Kariesprophylaxe mit der App. Zahnmedizinische Mitteilungen - ZM. • Jacobson, R., Flores, J., Leong, T., Lourenco, S., Jacobson, J., Fuller, D., Jacobson, D., n.d. Toothbrush Training with a Videogame. unveröffentlicht.

Li, X., Xu, Z.-R., Tang, N., Ye, C., Zhu, X.-L., Zhou, T., Zhao, Z.-H., 2016. Effect of intervention using a messaging app on compliance and duration of treatment in orthodontic patients. Clin Oral Investig 20, 1849–1859. doi:10.1007/s00784-015-1662-6

Underwood, B., Birdsall, J., Kay, E., 2015. The use of a mobile app to motivate evidence-based oral hygiene behaviour. Br Dent J 219, E2. doi:10.1038/sj.bdj.2015.660

Zotti, F., Dalessandri, D., Salgarello, S., Piancino, M., Bonetti, S., Visconti, L., Paganelli, C., 2016. Usefulness of an app in improving oral hygiene compliance in adolescent orthodontic patients. Angle Orthod 86, 101–107. doi:10.2319/010915-19.1

Laura von Nordheim

PD Dr. Johan Wölber


Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg
2007 Examen in Zahnmedizin an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg i. Br., seit 2007 Assistenzzahnarzt in der Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie in Freiburg, 2010 Promotion, 2012 Curriculum „Zahnärztliche Hypnose und Kommunikation“ (DGZH e.V.), 2012 Mitarbeit beim Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Zahnmedizin (NKLZ) der DGZMK/VHZMK im Bereich Prävention, 2017 Habilitation im Fach Zahnheilkunde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, diverse nationale und internationale wissenschaftliche Preise.

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