Robotik erobert die Implantologie
„Alles, was automatisiert werden kann, wird auch automatisiert werden.“ So lautet eines der bekanntesten Ökonomiegesetze der amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff – das offensichtlich auch vor der Zahnmedizin nicht haltmacht. Wie verschiedene Medien unter Berufung auf die „China Morning Post“ berichten, führte am 16. September im Nordwesten der chinesischen Provinz Shaanxi ein programmierter Roboterarm autonom eine Implantation durch.
Der Roboter sei in den vergangenen vier Jahren von der Beihang University und vom Fourth Military Medical University’s Stomatological Hospital mit Blick auf den in China herrschenden Zahnärztemangel bei gleichzeitig hohem Implantationsbedarf entwickelt worden, heißt es. Aktuell hätten 400 Millionen Menschen in China Bedarf an einem Implantat, durch die aktuell praktizierenden Operateure könnten jedoch nur eine Million von ihnen pro Jahr versorgt werden, berichten mehrere Medien übereinstimmend. Entwicklungen wie der nun erfolgreich getestete Roboter sollen perspektivisch Abhilfe schaffen. Letztlich dauerte die Insertion der zwei Implantate aus dem 3-D-Drucker etwa eine Stunde, heißt es in den Berichten weiter. Dabei sei der Roboter auch fähig gewesen, sich in Abhängigkeit von den Bewegungen der Patientin jeweils neu zu justieren.
Ist das das Ende derBohrschablone?
Gut sechs Monate zuvor erhielt mit dem Produkt Yomi des Herstellers Neocis ein ähnlicher Roboterarm die Zulassung der US-amerikanischen Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drug Administration). Das amerikanische Modell ist vorerst jedoch nur als Assistenzsystem konstruiert. Die Technik soll Operationszeiten verkürzen und die Präzision erhöhen, heißt es. Nach der knappen Auskunft des Geschäftsführers Alon Mozes ist die Technik bisher nur in einer Klinik, dem South Florida Center for Periodontics and Implant Dentistry, im Einsatz.
Die Idee des Herstellers laut Produktvideo: Auf Grundlage einer Computertomografie plant der Operateur in der Software die ideale Position, Ausrichtung und Tiefe des Implantats. Anschließend überprüft der Roboterarm, ob der Bohrer richtig platziert und geführt wird. Gleichzeitig soll die Software erlauben, das Operationsgeschehen als digitales Mischbild aus CT und projizierter Bohrerposition auf einem Monitor zu verfolgen.
Neocis ist mit dem Anspruch angetreten, durch die Führung und das sensorische Feedback des Systems die Verwendung von Bohrschablonen künftig überflüssig zu machen, heißt es in einer Pressemitteilung. Und: Die finale Kontrolle über den Bohrer liege letztlich immer beim Operateur, der jederzeit den Plan dynamisch an die Gegebenheiten anpassen könne.
Fachliche Einschätzungen zur Technik sind bisher nicht zu bekommen. Anfragen an den Chefoperateur des South Florida Center for Periodontics and Implant Dentistry sowie an DGI-Präsident Prof. Frank Schwarz blieben bis zum Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe leider unbeantwortet.mg
Mit den Händen in den Taschen: Nur zur Sicherheitwaren mehrere erfahrene Operateure bei dem Eingriff des autonom arbeitenden Roboterarms anwesend.
Mischbild: Zur Kontrolle wird die Position des vom Roboterarm gesteuerten Bohrers in Echtzeit in die OP-Planung projiziert.
Aufbau: Beim Pilotversuch in China war der Personalbedarf groß, geht es nach den Herstellern, könnten künftig wenige Helfer genügen.
Null Sicht: Das Gesicht der mutigen Testpatientin ist fast vollständig verhüllt, als der Roboterarm seine Arbeit aufnimmt.
Klinische Bewegtbilder
Gemessen an der möglichen Innovationskraft des Eingriffs in China sowie der in den USA zugelassenen Technik ist die Informationslage dünn. Es gibt wenige, immer gleichlautende Meldungen. Über die nebenstehenden QR-Codes gelangen Sie zu jeweils einer Nachricht mit einem kurzen YouTube-Video, das die Technik in ihrer klinischen Anwendung in China (oben) sowie in den USA (unten) zeigt.