Ein Appell zum Spülen
"Noch ist die Heilung der Pulpa, beispielsweise mithilfe von Stammzellen, eine Vision“,stellte Prof. Dr. Christian Gernhardt in seinem Abschlussvortrag „Endodontie der Zukunft“ fest. „Doch die Endodontie boomt und hat in den letzten Jahren den Hype der Implantologie fast eingeholt.“ Sein Fazit:
Der Erfolg bei Single- und Multi-Visit-Behandlungen ist laut Studienlage vergleichbar. Allerdings gebe es beim Multi-Visit-Vorgehen weniger postoperative Beschwerden.
Da es keinen evidenten Unterschied zwischen einer Revision und einer Wurzelspitzenresektion (WSR) gebe, gelte: erst revidieren, dann resezieren.
Wichtig für den langfristigen Erfolg ist einerseits die endodontische Behandlung und andererseits die postendodontische Versorgung in einem angemessenen Zeitraum.
Die Ursachen für Misserfolge liegen in:
einer unzureichenden Infektionskontrolle,
unbehandelten Kanälen,
Instrumentenfrakturen,
einer exponierten Wurzelfüllung,
einer unzureichenden koronalen Restauration,
einer Reinfektion,
Perforationen,
Resorptionen,
Traumen, Frakturen und
Zysten, Tumoren.
Ein Thema zog sich wie ein roter Faden durch die Woche: spülen, spülen und nochmals spülen: „Mindestens 30 Minuten und 10 ml pro Kanal“, bekräftigte Prof. Dr. Michael Hülsmann aus Göttingen.
„Mindestens 30 Minuten und 10 ml pro Kanal“
Hülsmann erinnerte daran, dass die Pulpa aufgrund ihrer guten Vaskularisierung eine eigene Immunabwehr besitzt, die aber nicht so stark ist wie die von peripheren Gefäßen. Zur Aufgabe der Pulpa als natürliche Abwehrfunktion gehöre auch die nach außen gerichtete Druckbarriere der Dentinflüssigkeit. Wenn aber Dentin freiliegt, könnten Bakterien leichter von außen eindringen, da das Abwehrsystem dann bereits verletzt sei. Sehr viel Zeit sollte dafür aufgewendet werden, weitere Kanäle zu finden. „Suchen Sie alle Kanäle, meistens gibt es immer einen mehr, als Sie denken! Suchen Sie genau an den Farbübergängen und in den Winkeln zu den aufsteigenden Seiten. Wenn Sie die Pulpa präpariert haben, stechen Sie sehr vorsichtig und vermeiden Sie eine Via falsa!“ Hülsmann: „Das Wichtigste zum Kanalauffinden sind: Trockenheit, Licht, Vergrößerungshilfe (Lupe oder OP-Mikroskop) und Zeit!“
Dr. Kai Voss aus dem Vorstand der Zahnärztekammer Schleswig Holstein verwies bei bildgebenden Verfahren auf rechtliche Fallstricke: „Für jede Röntgenaufnahme ist eine zahnmedizinische Indikation zwingend erforderlich! Besonders wichtig ist auch eine umfangreiche Dokumentation.“
Prof. Dr. Jens Türp, Basel stellte verschiedene Schmerzsymptomatiken in der Mund- und Kieferheilkunde vor und gab eine gezielte Anleitung zur Diagnostik. Wichtig: Beim Palpieren sollte der Behandler nie den Finger, sondern das Palpeter verwenden, um sichere, reproduzierbare Werte zu erhalten. Prof. Dr. Dr. Thomas Kreusch, Hamburg, und Prof. Dr. Dr. Patrick Warncke, Flensburg, gaben Tipps für den eingespielten Notfalleinsatz und zeigten, wie man reanimiert und beatmet.
Dass es mit den Honoraren der gesetzlichen Krankenversicherung betriebswirtschaftlich nicht möglich ist, die im Kongress erlernten Methoden in den Praxen umzusetzen, bemängelte der Präsident der Zahnärztekammer, Dr. Michael Brandt. Ein Festzuschussmodell wie beim Zahnersatz oder die Aufhebung des Zuzahlungsverbots würde allen Patienten diese modernen Möglichkeiten erschließen.
Dr. Andreas Sporbeck, verantwortlich für Konzeption und Durchführung, beendete die Kongresswoche und dankte den Referenten, dem Kooperationspartner Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie, und den Teilnehmern. Zur Jubiläumstagung im nächsten Jahr unter dem Titel „Sylter Perlen“ ist die Anmeldung ab Februar 2018 möglich. Der Kongress findet wie immer in der Woche vor Pfingsten statt.