Interview mit Harald Schrader

„Alle merkantilen Großstrukturen dienen nur der Gewinnmaximierung!“

Investoren gründen Zahnärzte-MVZ um des Geschäfts wegen, die Qualität der Patientenversorgung interessiert sie nicht. Für den Vorsitzenden des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Harald Schrader, ist das Genossenschaftmodell eine Alternative.

Herr Schrader, mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber den Weg frei gemacht für arztgruppengleiche MVZ - und damit auch für rein zahnärztliche MVZ. Welche Folgen hat das für den Markt und die Versorgung?

Harald Schrader: Bis zum Jahr 2015 spielten die bis dahin möglichen arztgruppenübergreifenden Versorgungszentren eine nachgeordnete Rolle in der Versorgung mit zahnmedizinischen Leistungen.

Durch die Öffnung hin zu arztgruppengleichen MVZ wurde der ambulante zahnmedizinische Markt auch für Kapitalanleger attraktiv. Seitdem haben sich fast 600 MVZ gegründet, darunter etliche, die durch Aufkauf von maroden Krankenhäusern ein Einfallstor in den ambulanten Markt gefunden haben.

Dies hat gegenüber den tradierten Niederlassungsformen wie BAG oder ÜBAG zu starken Wettbewerbsverzerrungen geführt. Neben Vorteilen bei der Niederlassung und unbegrenzten Anstellungsmöglichkeiten erzielen größere Organisationsformen durch Skaleneffekte und Synergien betriebswirtschaftliche Gewinne, die für die herkömmlichen Berufsausübungsformen nicht realisierbar sind. Hier setzen wir mit unseren Überlegungen an.

Richtig, der FVDZ macht sich für Genossenschaftsmodelle stark. Welche Konstruktionen schweben Ihnen in dem Zusammenhang vor?

Unser Genossenschaftsmodell findet auf zwei Ebenen statt. Die eine Ebene ist die Überlegung, die Wettbewerbsvorteile der merkantil gesteuerten MVZ auch den herkömmlichen Praxen zugänglich zu machen. Allen Praxen laufen die Kosten für überbordende Bürokratie, für Hygiene, Röntgen oder Personal - um nur einige der Hauptursachen zu nennen - davon. Hier soll eine gemeinschaftlich organisierte Dienstleistungsgenossenschaft Hilfe bieten.

Uns schweben Paketlösungen für alle Bereiche der Praxisführung vor. Nicht Einzelangebote für Abrechnung oder Validierung, sondern ein Angebot, das alle Bereiche der Praxisführung von Personal bis Einkauf umfasst. Die Teilnehmer an einer solchen Gesellschaft profitieren dann gleich doppelt: Einmal über den Einkauf von günstigen Dienstleistungen, zum anderen als Genosse bei der Ausgestaltung der Gesellschaft und natürlich bei der Ausschüttung des Unternehmensgewinns.

Wir praktizieren dieses Modell als Heilberufler übrigens schon recht erfolgreich bei unserer Standesbank, die ja auch genossenschaftlich organisiert ist. Genossenschaften sind eine sehr moderne und erfolgreiche Körperschaftsform, siehe auch EDEKA oder Datev.

Auf der anderen Ebene wollen wir die Gründung von Genossenschaften zum Zweck der gemeinschaftlichen Berufsausübung befördern. Viele junge Kolleginnen und Kollegen möchten sich selbstständig machen, schrecken aber vor hohen Investitionen und starker Arbeitsbelastung zurück. Hier bietet eine genossenschaftliche Lösung Vorteile für Praxisabgeber, aber auch eine moderne Ausgestaltung bei der Übernahme.

Arbeitsteilung und Spezialisierung, aber auch ökonomische Vorteile können unter einen Hut gebracht werden. Es führt zu weit, hier auf alle Details und Möglichkeiten einzugehen. Hierzu werden wir weiter Informationsveranstaltungen in der ganzen Republik anbieten. Die Auftaktveranstaltung in Bremen war ein voller Erfolg, besonders weil auch viele jüngere Kolleginnen und Kollegen teilgenommen haben. Der Generationenvertrag kann auf diese Weise wieder mit neuem Leben erfüllt werden.

Wie unterscheiden sich solche Modelle von den sogenannten Großversorgungsstrukturen, die in aller Regel von Fremdinvestoren aufgebaut werden?

Alle merkantilen Großstrukturen dienen nur einem Ziel: der Gewinnmaximierung! Einziger Zweck ist die ökonomische Optimierung, um das Konglomerat spätestens nach fünf bis sieben Jahren gewinnbringend weiterzuveräußern. So entsteht im ambulanten Bereich eine Blase, die irgendwann platzt. Dies ist mit einer nachhaltigen, den Patienten zugewandten Versorgung nicht vereinbar.

Wer die ambulante zahnärztliche Versorgung meistbietend versteigert, wird eine schlechtere Versorgung und in der Fläche eine Mangelversorgung bekommen. Warum dies ohne Not in einem der besten Gesundheitssysteme geschieht, ist nicht nachvollziehbar. Durch unsere Modelle soll für unsere Patienten die bestmögliche und nicht die lukrativste Therapie erhalten bleiben. Nach meiner Überzeugung kann das nur durch Selbstständige, die zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet sind, erfolgen.

Nicht der Verwaltungsdirektor, sondern der Arzt im Zusammenwirken mit seinem Patienten kann die beste Therapieentscheidung treffen.

Warum sind Genossenschaften eine zukunftsfähige Option für die Zahnärzteschaft?

Wer in der freien Berufsausübung einen Garanten für die wohnortnahe, flächendeckende und hochqualitative Zahnheilkunde sieht, muss daran interessiert sein, diesen Freiberuflern einen sicheren ökonomischen Background zu schaffen. Auch Einzel- und Doppelpraxen müssen Gewinne erzielen, um ihren Patienten auch zukünftig ein attraktives Therapiespektrum bieten zu können.

Hier bietet ein Zusammenschluss in Form von Genossenschaften zur gemeinschaftlichen Berufsausübung und eine Dienstleistungsgesellschaft die Chance, ein Gegengewicht zu rein kommerziell getragenen Einrichtungen zu schaffen. Die Genossenschaftsbetreiber bleiben auch immer die Eigentümer der Gesellschaft, die persönliche Leistungserbringung ist garantiert. Der Gesundheitsmarkt ist in starker Bewegung.

Ich möchte mit einem Zitat von unserem Gesundheitsminister Jens Spahn enden. Er hat anlässlich des Frühjahrsempfangs der KZBV in Berlin gesagt: Entweder wir gestalten es, oder wir erleiden es. Ich möchte mitgestalten!

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