Die Übernahme auf Probe
In meinen vorigen Kolumnen habe ich bereits die Themen Praxisbewertung, Investitionsmanagement und die Auswahl des richtigen Praxispartners im Bereich der Übergabe- und Nachfolgerplanung thematisiert. Was aber, wenn – wie in der E-Mail beschrieben – keiner der pozentiellen Nachfolger den subjektiven Ansprüchen des abgebenden Praxisinhabers genügt? Nicht nur, dass das eigene Lebenswerk auf- und übergeben wird, gleichzeitig wechseln auch etliche Patienten in die Hände des neuen Praxisinhabers. Zwar bleiben die Kernstrukturen und Persönlichkeiten des Praxisteams auch nach der Übernahme häufig bestehen, dennoch wirken sich die Ansichten und Denkweisen des/der „Neuen“ auf den Eindruck der Patienten aus.
Bleiben Sie objektiv!
Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet ist es demnach völlig normal, hohe Anforderungen an einen Nachfolger zu stellen und diese beim Verkaufsprozess offensiv zu benennen und einzufordern. Dabei gilt es aber immer auch, eine objektive Betrachtung der Situation zuzulassen und nicht die eigenen Erwartungen und Einstellungen im Berufsleben auf andere zu übertragen. Dies mag nach Jahrzehnten in der eigenen Praxis nicht einfach sein, hilft aber dabei, mit dem Berufsleben aktiv abzuschließen und dem Nachfolger einen guten Einstieg zu ermöglichen. Betonen Sie in den Verkaufsgesprächen nicht zu sehr die Last und den Stress des Alltags – dies ist ohnehin allen Gründern bewusst –, sondern legen Sie den Fokus auf die positiven Erlebnisse in der Praxis und mit Ihrem Team. Denn: Ebenso schwer wie die Entscheidung, eine Praxis aufzugeben, ist die Entscheidung, sich für die Selbstständigkeit in einer eigenen Praxis zu entscheiden. Nicht immer können Sie dabei auf einen Seelenverwandten auf Käuferseite hoffen – die Ansprüche der aktuellen Käufergeneration basieren auf anderen Wertvorstellungen als noch vor zehn oder 20 Jahren.
„Work hard, play hard“ – ein Zitat, das sehr eng mit der sogenannten Generation Y in Verbindung gebracht wird. Diese Generation – auch Gen Y genannt – umfasst die Geburtenjahrgänge von 1980 bis 2000 und wird der englischen Aussprache des „Y“ (Why) folgend durch häufiges und intensives Hinterfragen von Gegebenheiten und Lebensentscheidungen charakterisiert. Viele der oben angesprochenen „jungen Nachfolger“ fallen in diese Generation – und sollten daher mit anderen Augen gesehen werden.
Niederlassung ja, aber nicht um jeden Preis
Bereits 2015 führte das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) eine Studie durch, in der Zahnmedizinstudierende, Assistenzzahnärzte und angestellte Zahnärzte von ihren beruflichen Erfahrungen, Vorstellungen und Wünschen für die kommenden Jahre berichteten. Neben der allgemeinen Feminisierung der Dentalbranche und der damit einhergehenden Forderung nach Kooperations- oder Anstellungsverhältnissen sprach auch der Plan von über 80 Prozent der Befragten, zu einem späteren Zeitpunkt Kinder bekommen zu wollen, für den Rückgang der anvisierten Niederlassungen in der eigenen Praxis. Insgesamt will sich mit rund 61 Prozent immer noch die absolute Mehrheit der Befragten für niederlassen – doch erkennt man eine deutliche Diskrepanz zwischen weiblichen (53,9 Prozent) und männlichen Teilnehmern (78,9 Prozent).
Auch wenn vor allem junge Zahnärzte nach wie vor die Selbstverwirklichung in der eigenen Praxis anstreben, sinkt vielerorts die Bereitschaft, diesem Traum alles andere unterzuordnen. Ist eine Praxis erst einmal im Markt etabliert,sind die Behandlungsabläufe sowie die Mitarbeiter- und Patientenkommunikation auf einem qualitativ hohen Niveau gesichert, kann ein Gefühl der Sicherheit und inneren Ruhe entstehen. Bis dahin erwartet die Existenzgründer aber viel Arbeit, die insbesondere im administrativen, bürokratischen und wirtschaftlichen Bereich wenig Charme versprüht und dafür sorgt, dass der Reiz des Angestelltendaseins steigt. Der Wunsch und der Fokus liegen auf der Behandlung – hier fühlen sich die jungen Kolleginnen und Kollegen sicher. Lukrative Anstellungsverhältnisse bieten genau dies.
So hat sich etwa die Zahl der Angestelltenverhältnisse in Bayern von 2006 bis 2016 mehr als verdoppelt: Der Anteil der angestellten Zahnärzte stieg nach Angaben der Bayerischen Landeszahnärztekammer von 11 auf 26 Prozent. Eine Entwicklung, die auch im hohen Norden nicht anders wahrgenommen wird und dazu führt, dass Praxen immer häufiger keinen Nachfolger finden. Bereits Anfang Mai stellte der Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Michael Brandt, fest, dass deutschlandweit über 800 Praxen nicht zu verkaufen seien.
Versuchen Sie den sanften Übergang
Nicht selten führt ein kleiner Umweg zum Erfolg: Anstatt die Praxis direkt und komplett an einen Nachfolger zu übergeben, rechnet sich für beide Seiten eine Testphase, bei dem der Nachfolger zunächst im Angestelltenverhältnis in die Praxis einsteigt. Diese Variante bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, sich aneinander zu gewöhnen, neue Abläufe zu implementieren und einen sanften Übergang zu gestalten. So wird nicht nur das abrupte Ende des Arbeitslebens des Abgebers, sondern auch der Einstieg des künftigen Praxisinhabers vereinfacht. Eine Übernahme auf Probe – mit Aussicht auf Erfolg!
In diesem Sinne …
Ihr Christian Henrici
Henrici@opti-zahnarztberatung.de
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