Wachstum im Dentalmarkt (Teil 3)

So mischen Freiberufler mit

Investoren verändern mit ihrer Kapitalkraft den Markt der zahnärztlichen Freiberufler. Doch die wirtschaftlichen Vorteile dieser Konzepte sind nicht allein branchenfremden Investoren vorbehalten. Organisches Wachstum bei gleichzeitig zahnärztlicher Selbstbestimmung ist ebenso möglich. Wie schildert Steuerberater Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff.

In Deutschland üben Zahnärzte ihren Beruf in kleineren unternehmerischen Strukturen – überwiegend in der Form der Einzelpraxis – aus. Seit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes 2015 und den erweiterten Gründungsmöglichkeiten, die das Bundessozialgericht 2017 geschaffen hat, steigt allerdings die Zahl der zahnärztlichen MVZ. Aufgrund ihrer immensen Kapitalkraft profitieren bislang insbesondere Investoren von den neuen Freiheiten.

Die Vorteile der Zahnärzte

Doch auch Zahnärzte können skalierbare Konzepte unter Beibehaltung freiberuflicher Strukturen und Prinzipien umsetzen. Sie haben dabei manchen Vorteil, der Investoren verwehrt bleibt. Werden zum Beispiel die freiberuflichen Strukturen in einem MVZ beibehalten, so lässt sich die Expansion zu sehr niedrigen Zinsen finanzieren. Im Unterschied dazu liegen die Kapitalbeschaffungskosten der Investoren deutlich höher. Warum? Investoren werden bei der Bank behandelt wie gewerbliche Unternehmen. Ihr Rating ist deshalb wesentlich ungünstiger als das der Zahnärzte. So erhalten Letztere mit einem guten Konzept – selbst bei einer Praxisgründung – durchgehend ein A-Rating. Bei der Nutzung öffentlicher Finanzierungsinstrumente entspricht dies einem Zinsniveau von 1 bis 1,5 Prozent für eine Investitionsfinanzierung mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Zahnärzte können sich zurzeit also billiger Geld besorgen als Investoren. Auch der teure Umweg über ein zwischengeschaltetes Krankenhaus, den branchenfremde Investoren nehmen müssen, bleibt einem zahnärztlichen MVZ erspart.

Vor allem aber verstehen Zahnärzte etwas von Zahnmedizin, von Praxisführung, von Patienten und sind tief verwurzelt im Praxisbetrieb. Insbesondere hoch rentable Praxen – in Teil 1 der Reihe als Optimierer beschrieben – haben guten Chancen in diesen Zeiten zu den Gewinnern zu gehören.

So berechnet derInvestor den Praxiswertgrundsätzlich:

T €

Übertragbare Praxiseinnahmen

2.500

./. übertragbarePraxisausgaben

1.800

= nachhaltiges Ergebnis gem.§ 4 (3) EStG

700

./. (kalk.) Gehälter für zweiPraxisinhaber 2 x 250 T €

500

= übertragbarer Gewinn

200

x Multiple (5–10)

x8

= Wert der Praxis*

1600

* Wert inkl. Einrichtung, Geräte, „normaler Forderungsbestand“.Den Wert kürzen noch zu übernehmendeVerbindlichkeiten und Rückstellungen.

Tabelle 1, Prof. Dr. J. G. Bischoff

Die BAG: Szenario 1

Angenommen, mehrere Zahnärzte wollen sich zusammenschließen mit dem Ziel, eine Kette oder eine Großpraxis zu betreiben. In den meisten Fällen stellt hier eine BAG die beweglichste und günstigste Rechtsform dar. Zahnärzte können hier nämlich weiterhin freiberuflich bleiben und ihre Gewinne flexibel und wie gewohnt durch eine Einnahme-Überschuss-Rechnung ermitteln. Außerdem sind sie nicht gewerbesteuerpflichtig. Eine BAG kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Partnerschaftsgesellschaft (PartG) sein. Möchte die BAG unbegrenzt Kollegen einstellen, kann zudem ein MVZ beantragt werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass ein oder mehrere Zahnärzte eine GmbH mit Zulassung als MVZ gründen. Sogar die Gründung einer Genossenschaft ist möglich, aber im Markt eher seltener anzutreffen.

Auf den ersten Blick erscheint diese Struktur nicht neu. Aber Vorsicht: Wer Großes vorhat, kann hier leicht strukturelle Fehler begehen, wie das nachfolgende Beispiel von zwei Zahnärzten verdeutlicht (Abbildung 1):

Die beiden führen ihre Praxis als BAG mit dem Schwerpunkt Implantologie. Über die Jahre haben sie die Praxisabläufe so stark optimiert, dass die Praxis heute hoch rentabel ist. Auf das wachstumsträchtige Konzept sind sogar schon Investoren aufmerksam geworden. Entsprechende Übernahmeangebote lehnen die beiden aber ab. Sie möchten die Fäden lieber selbst in der Hand behalten und sind überzeugt, ihr Konzept auch an anderen Standorten unter ihrer Leitung erfolgreich anbieten zu können. Für diese neuen Standorte wollen sie weitere Kollegen als Gesellschafter beteiligen, allerdings nur bis zur rechtlich geringstmöglichen Höhe. Mit jedem Standort steigt der Finanzbedarf der BAG, über die die beiden Praxisinhaber das weitere Wachstum finanzieren wollen.

Leider geht der Plan nicht auf und der Ausbau erfolgt nur schleppend. Was sind die Ursachen?

Der Kapitalbedarf stieg schneller an als gedacht und überstieg die finanziellen Möglichkeiten der Alt-Gesellschafter über die BAG. Dies führte dazu, dass notwendige Investitionen zulasten der bis dahin erfreulichen Wachstumsdynamik nur zögerlich durchgeführt werden konnten. Eine weitere Ursache verbarg sich in der geringen Beteiligung der anderen Zahnärzte. Sie identifizierten sich offensichtlich nicht richtig mit dem Konzept. Denn ein besonders erfolgreicher Juniorpartner stieg mangels höherer Beteiligungsperspektiven frühzeitig aus, um eigene Wege zu gehen. Das von den beiden Zahnärzten gewählte Konstrukt stieß also finanziell und personell an Grenzen und erlitt Rückschläge. Ein hoher Preis dafür, dass man die Fäden alleine in der Hand behalten wollte.

Die BAG: Szenario 2

Setzen wir die beiden Zahnärzte also noch einmal „auf Start“ und beschreiben das bessere Konstrukt. Um die finanziellen Wachstumsgrenzen zu überwinden, lassen die beiden einen Standort durch einen neu eintretenden Gesellschafter finanzieren, der einen persönlichen Kredit aufnimmt  und das Geld in die BAG einzahlt. Dafür erhält er eine Beteiligung an der BAG. Die Geldeinlage in die BAG wird für die notwendigen Investitionen in den Standort verwendet. Weder die BAG noch die Alt-Gesellschafter müssen für das Wachstum Kredite aufnehmen. Bewertet wird die BAG vor Eintritt des neuen Gesellschafters zum Beispiel nach der Bewertungsmethode von Investoren (Tabelle 1).

Der Wert der Beteiligung des neuen Gesellschafters ergibt sich aus seiner Einlage. Die Altgesellschafter erhalten aus diesem Vorgang kein Geld und müssen bei richtiger Gestaltung auch keine Steuern zahlen (Abbildung 2). Die Kunst liegt für sie darin, bei dieser stufenweisen Finanzierung neuer Standorte durch neue Partner die „Verwässerung“ ihrer Anteile im Griff zu behalten. Dies gelingt, wenn das Wachstum durch Skalierungseffekte den Gewinn mit jedem Standort überproportional steigen lässt. Das heißt, der Wert der Anteile der Alt-Gesellschafter wächst mit jedem neuen Standort, ohne dass sie Geld in die Hand nehmen müssen. Die prozentuale Beteiligung der Altgesellschafter am Kuchen wird bei diesem Konzept zwar kleiner. Dafür wird der Kuchen wesentlich größer und die Tortenstücke werden es damit auch.

Verfügen die Alt-Gesellschafter über ausreichende Finanzkraft, können sie das Niveau ihrer Beteiligungshöhe natürlich höher halten und zwar mit der Teil-Finanzierung der Standorte durch die neuen Partner. Diese werden dann entsprechend geringer an der BAG beteiligt. Auch bestehende Praxen können in dieses Konstrukt eingebunden werden. Die bisherige Einzelpraxis wird dann für einen Anteil an der BAG getauscht.

Ohne Teamgeist kein Erfolg

Eine Beteiligung von Partnern stößt bei Zahnärzten mit ausgeprägtem freiberuflichen Naturell nicht automatisch auf Gegenliebe. Wer sich aber auf ein Freiberufler-Konzept einlassen möchte, muss sich im Klaren sein: Ausgeprägter Teamgeist, die Fähigkeit Themen auf Augenhöhe zu diskutieren und Kompromiss-Entscheidungen gelten zu lassen sind unbedingte Erfolgsfaktoren.

Hier nur einige der üblichen Diskussionspunkte: Akzeptieren alle beteiligten Zahnärzte das Konzept und die einheitliche Leitung durch einen Kollegen – auch innerlich? Dies ist vor jedem Neueinstieg, aber auch danach immer gründlich und für beide Seiten klar abzuklären. Oder: Welchen Wert hat die einzubringende Praxis? Hier weichen die Kalkulationen der Alt-Gesellschafter und der neueintretenden Einbringenden naturgemäß deutlich voneinander ab – wie übrigens auch in Gesprächen mit Investoren. Ebenso führen unterschiedliche Vorstellungen von der Unternehmensführung und der Expansionsstrategie unter den Gesellschaftern – auch nach dem Einstieg – häufig zu Diskussionen darüber, ob man weiterwachsen oder jetzt erst einmal konsolidieren soll? Und wenn man weiterwachsen will, in welche Richtung?

Erwartungen der Jungen

Junge Zahnärzte, die sich mit eigenem Geld einbringen, sind mit Herzblut dabei. Sie sind nicht weisungsgebundene Arbeitnehmer, sondern wirklich Partner in einem erfolgreichen Verbund von Kollegen, die gemeinsam nach Erfolg streben. Das heißt, ihr unternehmerisches Risiko ist geringer als in der Einzelpraxis bei gleichzeitig besseren Erfolgsaussichten. Sie erwarten für ihre Bareinlage zumindest, dass sie „realistisch“ mit einem Gewinnanteil rechnen können, der über ihrem Angestelltengehalt (zuzüglich 20 Prozent für Arbeitgeberanteil für Sozialversicherung) und Zins und Tilgung für den Kredit für die Finanzierung der Geldeinlage liegt. Langfristig erwarten junge Zahnärzte heute, dass ihr Gewinnanteil mindestens dem durchschnittlichen Gewinn vor Steuern eines Zahnarztes entspricht (steuerliche Einnahmen-Überschussrechnung je Inhaber 2015, alte Bundesländer, Einnahmen-Überschuss, 163.200 €, vgl. KZBV-Jahrbuch 2017, S. 126).

Das folgende Beispiel zeigt, wie gerechnet wird: Dr. Dent hat ein Gehalt von 5.000 Euro. Der Arbeitgeber trägt für ihn Sozialabgaben in Höhe von 1.000 Euro pro Monat. Für seine Beteiligung soll Dr. Dent 250.000 Euro bezahlen. Dafür betragen Zins und Tilgung überschlägig 2.500 Euro pro Monat bei einer 10-jährigen Finanzierung (etwa 1 Prozent pro Monat). Erwartet Dr. Dent auf Dauer einen Gewinn von 90.190 Euro, so ist diese Beteiligung für ihn finanziell interessant. Erwartet er aber 110.110 Euro, so würde er sich finanziell verschlechtern bei höherem Risiko. Warum sollte er dafür einen Kredit von 250.000 Euro aufnehmen?

Bei weiterhin starkem Frauenanteil im Berufsstand und zunehmendem Erziehungswunsch der Männer erwarten Zahnärzte mit jungen Kindern, weniger zu arbeiten, ohne die Selbstständigkeit aufgeben zu müssen. In einem „Freiberufler-Konzept“ sind ja genügend Kollegen vorhanden, die Fehlzeiten abfedern können. Im Partnerschaftsvertrag kann der „Familien-Fall“ fair und sachgerecht geregelt werden (zum Beispiel bei der Gewinnverteilung). Es muss dabei aber sichergestellt bleiben, dass sich für jeden Gesellschafter ein großer persönlicher Einsatz lohnt. 

Erwartungen der Alten

Alt-Gesellschafter werden einer Erweiterung des Gesellschafterkreises nur zustimmen, wenn sie sich davon deutlich höhere Gewinnanteile versprechen beziehungsweise wenn sich der Wert ihres Anteils bei einem späteren Austritt zumindest nicht senkt. Ein zusätzliches Motiv kann auch sein, dass die Alt-Gesellschafter Sorge haben, ohne die Erweiterung „im Markt“ zurückzufallen. Ähnlich liegt die Interessenlage bei Zahnärzten, die ihre Praxis einbringen. Gerade ältere Berufsträger können dadurch versuchen, ihren Ausstieg aus dem Beruf schon frühzeitig abzusichern.

Ausblick

Auch in diesen Zeiten des Umbruchs bieten sich Freiberuflern mit Unternehmergeist reale Wachstumschancen. Allerdings sollten sie sich bewusst sein, dass sie in Konkurrenz zu kapitalstarken Investoren stehen und ihr Wettbewerbsvorteil vor allem in ihrer zahnmedizinischen Kompetenz begründet liegt.

Die Investoren ihrerseits werden versuchen, schnelles Wachstum zu erreichen, starke Marktpositionen aufzubauen und den Wettbewerbsdruck besonders in größeren Städten zu erhöhen. Darüber hinaus werden Zentren, die mithilfe großer Marketing-Etats aufwendig beworben werden, die Wahrnehmung der Patienten verändern und könnten dazu führen, dass Größe als Qualitätsmerkmal verstanden wird.

Andererseits bieten große Zentren denjenigen, die lieber angestellt arbeiten wollen, bessere Möglichkeiten. Auch Zahnärzte, die ihre Praxis abgeben wollen, sehen in den aktuellen Marktentwicklungen eine Option ihre berufliche Tätigkeit zu beenden, indem sie an den Investor statt an den Kollegen verkaufen.

Im Investorengeschäft unerfahrene Praxisinhaber – das sind die meisten Zahnärzte – sollten in jedem Fall vorsichtig sein und sich erst einmal mit den Spielregeln des Geschäfts vertraut machen. So berechenbar wie der freiberufliche Kollege ist ein Investor sicher nicht – zudem steht ja auch einiges auf dem Spiel.

Investoren im Dentalmarkt

Univ.-Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer. Seit 1985 ist er geschäfts führender Mehrheitsgesellschafter der Unternehmensgruppe Prof. Dr. Bischoff & Partner® mit Sitz in Köln, Chemnitz und Berlin.

Bischoff lehrt seit 1996 Controlling an der Bergischen Universität Wuppertal.

In einem dreiteiligen Beitrag beleuchtet er, welche Konzepte Investoren verfolgen (Teil 1, zm 11/2018 S. 34–36), wie sie vorgehen (Teil 2, zm 12/2018 S. 74–76) und welche Wachstumsmöglichkeiten es gibt (Teil 3).

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