Grundlagen der zahnärztlichen Leistungsvergütung
In vielen Fachzeitschriften finden sich zahlreiche Abrechnungskolumnen, die auf spezifische Details einzelner Gebührennummern der gesetzlichen oder der privaten Gebührenordnung hinweisen mit dem Ziel, der fortgeschrittenen Fachfrau oder dem fortgeschrittenen Fachmann zu helfen, seine Abrechnung und Liquidation zu optimieren.
Gerade am Anfang seiner selbstverantwortlichen Abrechnungstätigkeit ist es aber oft nicht das Fachwissen zu einzelnen Leistungslegenden oder Berechnungsmodalitäten der Gebührennummern, was dem Abrechnungsneuling wirklich fehlt und wovon er maßgeblich profitiert. Nein, häufig sind es Grundprinzipien und Leitplanken einer korrekten Abrechnung, die ihm zuerst einmal als Gerüst für sein verantwortungsvolles lebenslanges „Abrechnen“ zu vermitteln sind. Einige davon wollen wir mit unserer Artikelserie erläutern.
In zm-starter 4/2017 wurde auf die Bedeutung der Mantelverträge der Primärkassen (Bundesmantelvertrag der Zahnärzte, BMV-Z) und Ersatzkassen (Ersatzkassenvertrag, EKVZ) eingegangen. Heute widmen wir uns dem § 4 BMV-Z Rechte und Pflichten des Vertragszahnarztes, der dem § 7 des EKVZ sinngemäß entspricht.
In diesem sehr wichtigen § 4 werden absolute Grundlagen der vertragszahnärztlichen Behandlung geregelt, so die Definition der persönlichen Durchführung der Behandlung, eine Definition des Wirtschaftlichkeitsgebots der Behandlung sowie nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen. Auch die Antwort auf die Frage, wann Privatvergütungen bei gesetzlich versicherten Patienten erlaubt sind, wird hier definiert. Schließlich kann man im § 4 nachlesen, wann die Ablehnung der Behandlung oder Weiterbehandlung eines gesetzlich versicherten Patienten möglich beziehungsweise nicht möglich ist.
Persönliche Durchführung der Behandlung:
Nach Absatz 1 des § 4 BMV-Z hat der Vertragszahnarzt die vertragszahnärztliche Versorgung persönlich durchzuführen. Dabei wird aber ausdrücklich anerkannt, dass dazu auch die Anordnung der Hilfeleistungen anderer Personen gehört. Der Begriff der zahnärztlichen Tätigkeit ist daher nicht auf solche Tätigkeiten beschränkt, die der Zahnarzt selbst ausübt.
Voraussetzung für Hilfeleistungen am Patienten jeglicher Art ist, dass sie in der Verantwortung des Zahnarztes durchgeführt werden. Dies bedeutet, dass sie von ihm angeordnet und unter seiner Aufsicht und Anleitung erfolgen. Hilfeleistungen sind nicht als selbstständige Leistungen denkbar, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Zahnarztes. Dabei darf er sich nicht nur auf die Verordnung der Drittleistungen beschränken. Die Leistungen des Hilfspersonals müssen mehr oder weniger intensiv persönlich beaufsichtigt werden. Der Zahnarzt trägt immer die haftungsrechtliche Verantwortung für die Gesamtbehandlung. Weitere wichtige Rechtsgrundlagen zur persönlichen Leistungserbringung und Delegation finden sich insbesondere im Zahnheilkundegesetz (§ 1 Abs. 1, 3, 5 und 6) und den Berufsordnungen der jeweiligen Landeszahnärztekammern.
Wirtschaftlichkeitsgebot:
In Absatz 2 wiederholt der BMV-Z das Wirtschaftlichkeitsgebot, das in den §§ 12, 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V geregelt ist. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Die zahnärztliche Versorgung kann dann als wirtschaftlich betrachtet werden, wenn der von der Leistung erwartete Erfolg in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand steht. Die Wirtschaftlichkeit der zahnärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise wird nach § 106 SGB V von den Prüfungseinrichtungen überprüft. Verstößt der Vertragszahnarzt gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit, hat er mit Honorarkürzungen oder -regressen zu rechnen.
Nicht notwendige oder unwirtschaftliche Leistungen:
Absatz 3 bestimmt, dass der Vertragszahnarzt Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder die unwirtschaftlich sind, nicht zulasten der Krankenkasse bewirken oder verordnen darf. Jene darf sie nicht nachträglich bewilligen. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung haben in Abschnitt C „Verordnung von Arzneimitteln“ eine Definition des Begriffs der Wirtschaftlichkeit gegeben, die nicht nur für die Arzneimittelversorgung, sondern für die gesamte vertragszahnärztliche Versorgung gilt. Danach steht im Vordergrund die Frage nach der wirtschaftlichen Behandlung, ob durch sie die kürzeste Behandlungsdauer und damit die baldmöglichste Wiederherstellung der Gesundheit der Arbeitsfähigkeit erreicht wird. Aber auch diese vom G-BA aufgestellten Grundsätze vermögen an der Tatsache nichts zu ändern, dass dem Zahnarzt im Einzelfall ein nicht unerheblicher Spielraum bei der Abgrenzung des Wirtschaftlichen eingeräumt wird. So hat das BSG in einer Entscheidung vom 5. August 1992 (Az. 14/6a RKa 17/90) festgestellt, die Richtlinien, die das Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren, seien insofern verbindlich, als sie Erfahrungssätze wiedergeben. Im Regelfall sei von den Richtlinien auszugehen. Ein Abweichen ist aber möglich, wenn es wirtschaftlicher war oder der zugrunde liegende Erfahrungssatz nicht dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse entspricht.
Privatvergütungen bei GKV-Patienten: Absatz 5 regelt alle Fälle, in denen der Vertragszahnarzt von einem Versicherten eine Vergütung fordern darf.
Nach § 8 Abs. 2 BMV-Z kann der Vertragszahnarzt eine Privatvergütung fordern, solange eine Krankenversichertenkarte nicht vorgelegt oder die Anspruchsberechtigung nicht auf andere Weise nachgewiesen worden ist. Legt der Versicherte diese Nachweise innerhalb von zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme vor, so muss die entrichtete Vergütung zurückgezahlt werden.
Weitere Fälle betreffen die Mehrkostenvereinbarung bei Zahnfüllungen, soweit der Versicherte eine über das Ausreichende und Zweckmäßige hinausgehende Versorgung wählt sowie die Versorgung mit Zahnersatz, die über die Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 SGB V hinausgeht.
Verlangt der Versicherte klar erkennbar, auf eigene Kosten „privat“ behandelt zu werden, ist vor Beginn der Behandlung hierüber eine schriftliche Vereinbarung zwischen ihm und dem Vertragszahnarzt zu treffen. Der Vertragszahnarzt soll sich den Wunsch des Versicherten, die Behandlung auf eigene Kosten durchführen zu lassen, schriftlich bestätigen lassen. Es liegt auch in seinem eigenen Interesse, um spätere Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden, ob eine Privatleistung vereinbart wurde, diese Bestimmung zu beachten.
Zuzahlungen zu den vertragszahnärztlichen Leistungen sind nicht erlaubt und können eine gröbliche Verletzung der vertragszahnärztlichen Pflichten darstellen, die eine Entziehung der Zulassung rechtfertigen können (BSG SozR 3–5533 Nr. 2449 Nr. 2).
Ablehnung oder Weiterbehandlung: Absatz 6 regelt die Ablehnung der Behandlung oder Weiterbehandlung des Versicherten. Die Behandlung oder Weiterbehandlung darf nur in begründeten Fällen abgelehnt werden. Es ist anerkannt, dass der Vertragsarzt eine Behandlung zum Beispiel wegen Überlastung, der Überschreitung der Grenzen seines Fachgebiets oder übermäßiger Entfernung zum Wohnsitz des Patienten bei Hausbesuchen ablehnen kann. Dies kann auch der Fall sein, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt zerstört ist. Hierzu existiert umfangreiche juristische Literatur, deren Zitieren den Umfang dieses Übersichtsartikels sprengen würde.
Lehnt der Zahnarzt die Behandlung ab, hat er formal die Krankenkasse unter Mitteilung der Gründe zu unterrichten. Der Zahnarzt bleibt zur Auskunft an einen nachbehandelnden Zahnarzt über diagnostische Ergebnisse und durchgeführte Behandlungen verpflichtet.
Eine Ablehnung kommt nicht in Betracht, wenn es sich um Notfälle handelt. Das Gleiche gilt in der Regel für die Schmerzbehandlung. Die Schwere der Krankheit und der damit verbundene Zeit- und Arbeitsaufwand stellen keinen Ablehnungsgrund dar. Im Übrigen ist eine Ablehnung der Behandlung und Weiterbehandlung immer dann ausgeschlossen, wenn es dem Patienten nicht zuzumuten ist, einen anderen Zahnarzt aufzusuchen, was heute selbst in ländlichen Gebieten mit geringer Zahnarztdichte den Ausnahmefall bilden dürfte und wohl nur bei kurzfristiger Behandlungsnotwendigkeit und gleichzeitiger Überlastung der benachbarten Zahnärzte in Betracht kommt.
Grundsätzlich ist über diese sich etwas restriktiv lesenden Vorgaben des Absatz 6 jedoch festzuhalten, dass der Vertragszahnarzt keiner generellen Behandlungspflicht unterliegt (vgl. lediglich beispielhaft BSG, Urteil vom 14. März 2001, B 6 KA 36/00 R, MedR 2002, 42) und selbstverständlich Umfang und Art seiner Tätigkeit selbstständig planen und strukturieren kann.
Dr. Dr. Alexander Raff, Stuttgart, ist Herausgeber des „Kommentar zu BEMA und GOZ“ von Liebold/Raff/Wissing sowie stellvertretender Vorsitzendender des GOZ-Ausschusses der LZK Baden-Württemberg und GKV-, Privat- und Gerichtsgutachter der Kammer und der KZV. Darüber hinaus ist er Referent für Vertragsabrechnung und Privatliquidation.