Der Patient hat die Wahl – und er nutzt sie auch!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Regelversorgung: Gut bewährt, aber immer seltener“ lautet das Fazit des Barmer-Zahnreports 2019. Generell werde neuer Zahnersatz immer weniger eingesetzt, heißt es in dem am 11. Juni erschienenen Kassenbericht: „In den Jahren von 2014 bis 2017 ging der Anteil der Versicherten ab 20 Jahren, die Prothesen, Brücken oder Zahnkronen bekamen, um acht Prozent zurück. Auch die Zahl der Fälle sank von 5,31 auf 4,96 Millionen.“
Vollkommen richtig. Genauer: Unsere Regelversorgung ist top! Wer sie wählt, erhält in Deutschland eine qualitativ wirklich gute Versorgung. Das bestätigen auch die statistischen Analysen der KZBV. Insofern hat der als „Chefautor“ des Reports aufgeführte Prof. Michael Walter aus Dresden recht mit seiner Aussage, dass jene Grundleistungen gerade für diejenigen die richtige Wahl sind, die bei ZE auf Haltbarkeit setzen und zugleich die Kosten begrenzen wollen.
Dass die Inanspruchnahme von Zahnersatz in der Versorgung sinkt – stimmt ebenfalls. Und das ist ja auch gut so! Denn was sind die Gründe für den abnehmenden Bedarf? Exakt: eine deutlich bessere Zahngesundheit, die wiederum einen längeren Erhalt der Zähne zur Folge hat. Was Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, im Übrigen ja auch so sieht: „Geringere Fallzahlen bei Zahnersatz sind der besseren Mundgesundheit in Deutschland zu verdanken“, stellte er in diesem Zusammenhang fest.
Blicken wir auf unsere Zahlen, so zeigt die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) beispielsweise, dass die jüngeren Senioren, also die 65- bis 74-Jährigen, 2014 insgesamt 6,5 mehr erhaltene Zähne besaßen als noch 1997. War damals noch jeder vierte jüngere Senior zahnlos, ist es heute nur jeder achte. Ein Präventionserfolg, der überdies verdeutlicht, dass die epidemiologischen Konsequenzen weit über die Altersgruppe der Kinder hinausgehen.
Nun weist der 220 Seiten starke Zahnreport zudem darauf hin, dass im Verhältnis zur gleich- und andersartigen Versorgung die Inanspruchnahme der Regelversorgung als Referenzversorgung abnimmt. Für Straub Anlass zu fordern, „dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Regelversorgung [...] an die Entwicklung der Zahnmedizin anpasst, damit gesetzlich Versicherte am zahnmedizinischen Fortschritt teilhaben können“.
Und hier muss ich widersprechen: Seit der Gesetzgeber Anfang 2005 das von der Vertragszahnärzteschaft entwickelte Modell der befundorientierten Festzuschüsse eingeführt hat, steht allen GKV-Mitgliedern das gesamte Behandlungsspektrum der Zahnmedizin offen, inklusive Implantat-getragenem Zahnersatz – und zwar ohne dass sie wie in anderen europäischen Ländern mit hohen Selbstbehalten rechnen müssen. Dabei belohnt das Bonusheft präventionsorientiertes Verhalten, während die Härtefallregelung dafür sorgt, dass ein niedriges Einkommen kein Ausschlusskriterium darstellt. Gesetzlich Versicherte haben damit in vollem Umfang Zugang zum medizinischen Fortschritt. Fakt ist, dass sich hier jede Patientgruppe wiederfindet, denn das System bildet das gesamte Behandlungsspektrum ab – von den Standardleistungen bis hin zu ästhetischen Komfortlösungen. Klar ist: Die Inanspruchnahme der Regelversorgung führt zu geringeren Eigenanteilen. Und wer besonders hohe Ansprüche hat, muss mehr zahlen. Das ist gewollt, gleichwohl hat der Patient die Wahl – und er nutzt sie auch!
Wie wichtig es ist, die Festzuschüsse als funktionierendes System zu erhalten, wissen selbstverständlich auch die Krankenkassen: Schließlich haben sie in ihrem Portfolio zunehmend auch Zahnzusatzversicherungen im Angebot, die diese Behandlungen am Ende refinanzieren.
Letztlich belegt der Barmer-Zahnreport einmal mehr, wie sehr sich unser Festzuschusssystem etabliert und bewährt hat: in seiner Steuerungsfunktion hinsichtlich der Selbstbeteiligung wie eben auch als wichtiger Meilenstein hin zu mehr Versorgungsgerechtigkeit.
Martin Hendges,
Stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der KZBV