Positionspapier der Bundeszahnärztekammer

Acht Forderungen zur Europawahl

Vom 23. bis zum 26. Mai finden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Um den europapolitischen Forderungen der Zahnärzteschaft Nachdruck zu verleihen, hat die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ein Positionspapier erarbeitet. Denn der Einfluss Europas auf den zahnärztlichen Berufsstand wächst – nicht nur bezogen auf die Freien Berufe und die Selbstverwaltung allgemein, nein konkret auch auf die Berufsausübung.

Die BZÄK stellt zu diesen acht definierten Handlungsfelden Kernforderungen auf:

1. Sicherstellung der freien Berufsausübung im Patienteninteresse und Erhalt bewährter Strukturen der Selbstverwaltung: 

Die EU-Kommission will durch den Abbau von vermeintlich überflüssiger berufsrechtlicher Regulierung neue Wachstumsimpulse setzen. Von besonderer Brisanz ist für die BZÄK vor allem die Umsetzung der neuen Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor dem Erlass neuer Berufsreglementierungen, die bis Sommer 2020 in nationales Recht umzusetzen ist. Das betrifft zentrale Elemente des nationalen Berufsrechts der Freien Berufe – etwa die Beteiligung Berufsfremder und Investoren am Gesellschaftsvermögen oder die privaten Gebührenordnungen. Vor allem sieht die BZÄK eine Bedrohung der Versorgung durch fremdfinanzierte Dentalketten und eine Gefahr für den Patientenschutz. Sie warnt zusammen mit dem Council of European Dentists (CED), dass finanzielle Überlegungen von Investoren nicht die Vertrauensbeziehung zwischen Zahnarzt und Patient sowie die Behandlungsentscheidungen beeinflussen dürfen. 

Die Anliegen: 

  • Das Europäische Parlament soll die Diskussion über das Berufsrecht der Freien Berufe kritisch begleiten.

  • Die BZÄK warnt davor, dass das Infragestellen von bewährtem Berufsrecht zu einer Aushöhlung der Qualität freiberuflicher Dienstleistungen führt. Dies gilt in besonderem Maße für die Heilberufe.

  • Das hohe Qualitätsniveau in Deutschland ist auch Folge des bestehenden Regulierungsniveaus. Deregulierung, allein um das Wirtschaftswachstum zu fördern, ist für die BZÄK zu kurz gedacht.

  • Zu groß ist die Gefahr, dass bewährte Strukturen der beruflichen Selbstverwaltung zugunsten einmaliger Beschäftigungseffekte infrage gestellt und voreilig aufgegeben werden, ohne etwaige Folgen zu kalkulieren. Das betrifft auch die Selbstverwaltungsstrukturen der Heilberufe.

2. Verabschiedung einer Europäischen Charta der Freien Berufe

Mit Blick auf die Freien Berufe fehlen auf europäischer Ebene bis heute sowohl ein gemeinsames Verständnis von Freiberuflichkeit als auch ein einheitlicher Politikansatz gegenüber diesen Berufen. Es ist vor allem der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), der sich mit Fragen der Gestaltung des zukünftigen Umfelds der Freien Berufe in Europa beschäftigt. Hier engagiert sich die BZÄK in besonderem Maße.

Die Anliegen: 

  • Die BZÄK fordert das Europäische Parlament auf, sich für die Verabschiedung einer Europäischen Charta der Freien Berufe einzusetzen, die eine Standortbestimmung der Freiberuflichkeit auf europäischer Ebene vornimmt.

  • Hierfür kann auf die Vorarbeit des EWSA zurückgegriffen werden, der im Dezember 2017 in Rom ein Manifest der Freien Berufe verabschiedet hat. Gleiches gilt für den vom CED und anderen Dachverbänden der Freien Berufe formulierten Entwurf einer solchen Charta.

  • Der europäische Gesetzgeber soll damit den Bedürfnissen der Freien Berufe besser gerecht werden. Wichtig ist für die BZÄK, dass die EU-Institutionen den Mehrwert der Freien Berufe für die europäische Gesellschaft anerkennen.

3. Bürokratieabbau für die Freien Berufe – Folgen europäischer Gesetzgebung besser abschätzen

Die BZÄK kritisiert die unverhältnismäßig starke Belastung der Zahnarztpraxen mit Bürokratie – nicht nur national, sondern auch auf internationaler Ebene. Das betrifft zum Beispiel Vorgaben wie Melde- und Dokumentationspflichten.

Die Anliegen: 

  • Die BZÄK fordert, dass sich das Europäische Parlament für eine stärkere Entbürokratisierung einsetzt. Der europäische Gesetzgeber sollte sich der (unternehmerischen) Folgen bewusst sein, die bürokratische Vorgaben speziell für freiberufliche Einheiten haben.

  • Jedes neue Gesetz soll vor seiner Verabschiedung auf seine bürokratischen Auswirkungen für die Betroffenen hin geprüft werden. Das Ergebnis dieser Prüfung soll gemeinsam mit dem jeweiligen Rechtsakt veröffentlicht werden.

4. Gewährleistung einer hohen Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung

Zahnärzte, die einen EU-Studienabschluss erworben haben, profitieren vom System der automatischen Anerkennung. Voraussetzung ist, dass Ausbildungsdauer und -inhalte den in der Berufsanerkennungsrichtlinie, Richtlinie (EG) 2005/36, festgelegten Mindestanforderungen entsprechen. Mit der Überarbeitung der Berufsanerkennungsrichtlinie, Richtlinie (EU) 2013/55, hat der europäische Gesetzgeber die zahnärztliche Mindestausbildungsdauer auf eine neue Grundlage gestellt: Sie besteht demnach obligatorisch aus einem mindestens fünf Jahre dauernden Vollzeitstudium, das sich aus mindestens 5.000 Fachstunden theoretischer und praktischer Ausbildung zusammensetzt. Die in dieser Zeit zu erwerbenden Ausbildungsinhalte sind jedoch völlig veraltet und folgen einer aus den 1970er-Jahren stammenden Auflistung, die im Anhang V der Berufsanerkennungsrichtlinie festgelegt ist.

Die Anliegen: 

  • Das Europäische Parlament sollte sich dafür einsetzen, dass die in Anhang V der Berufsanerkennungsrichtlinie festgelegten zahnmedizinischen Ausbildungsinhalte den wissenschaftlichen Erkenntnissen der vergangenen Jahre angepasst werden.

  • Dies sollte in enger Kooperation mit den zahnmedizinischen Hochschulen und den zahnmedizinischen Berufsorganisationen in Europa erfolgen.

  • Oberstes Ziel sollte sein, eine hohe Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung innerhalb der EU im Interesse der Patientensicherheit weiterhin zu gewährleisten.

5. Gestaltung der Digitalisierung im Gesundheitswesen zum Nutzen der Patienten

Die EU will in drei Bereichen der Digitalisierung besonders aktiv werden: So sollen die Bürger überall einen sicheren Zugang zu einer vollständigen elektronischen Akte mit ihren Gesundheitsdaten haben. Das setzt eine Interoperabilität der bestehenden elektronischen Patientendatensysteme einschließlich eines europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten voraus. Ferner sollen unter Einhaltung der bestehenden EU-Datenschutzvorschriften der Austausch von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken, insbesondere im Bereich der personalisierten Medizin und der Erforschung des menschlichen Genoms, verbessert werden. Schließlich will man die Entwicklung und Verwendung digitaler Hilfsmittel, etwa von Apps auf mobilen Endgeräten, fördern, um so in der Gesundheitsversorgung und Pflege Fortschritte zu erzielen.

Die Anliegen:

  • Die Digitalisierung sollte zu einer verbesserten und bürokratiearmen Versorgung führen.

  • Die in Deutschland geltenden hohen Standards zum Schutz der Privatsphäre – auch und gerade im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung und des Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses – dürfen nicht geschmälert werden.

  • Der Missbrauch von Gesundheitsdaten muss verhindert werden. Der Prozess einer sicheren Vernetzung und Digitalisierung der Praxisabläufe muss dabei auch für kleinere niedergelassene Praxen strukturell und finanziell bewältigbar bleiben.

6. Erhalt von Amalgam als notwendiges zahnmedizinisches Füllungsmaterial

Die neue EU-Quecksilberverordnung besagt, dass seit dem 1. Januar 2019 Betreiber zahnmedizinischer Einrichtungen, in denen Dentalamalgam verwendet wird, sicherstellen, dass sie mit Amalgamabscheidern zur Rückhaltung und Sammlung von Amalgampartikeln ausgestattet sind. Die Quecksilberverordnung schränkt zudem die Verwendung von Amalgam bei bestimmten Risikogruppen ein. Diese EU-Vorgaben entsprechen weitgehend Regeln, die in Deutschland seit über 20 Jahren gelten. Die Verordnung sieht allerdings auch vor, dass die weitere Nutzung von Amalgam einer Überprüfung bis 2030 unterliegt. 

Die Anliegen:

  • Die BZÄK fordert den Erhalt von Amalgam als Füllungsmaterial in der Zahnmedizin. Amalgam ist ein langlebiges, kostengünstiges und leicht zu verarbeitendes Füllungsmaterial. Ein generelles Amalgamverbot hätte spürbare Auswirkungen auf die Gesundheitskosten in vielen EU-Mitgliedstaaten.

  • Weltweit gibt es kein anderes Füllungsmaterial, das so oft und intensiv auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung hin untersucht wurde. Keine Studie konnte den Nachweis für die These erbringen, dass das Vorhandensein von Amalgamfüllungen in einem ursächlichen Zusammenhang für Krankheiten steht.

7. Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen

Der 2017 vorgestellte EU-Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen sieht verschiedene Maßnahmen vor. Auch die europäische Zahnärzteschaft hat Angehörige der zahnmedizinischen Heilberufe aufgerufen, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Übertragung resistenter Bakterien in der zahnärztlichen Versorgung durch effektive Infektionskontrolle und Präventionsmaßnahmen zu verhindern.

Das Anliegen:

  • Die BZÄK fordert das Europäische Parlament auf, den von der Europäischen Union bereits eingeschlagenen Weg zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen konsequent fortzusetzen. 

8. Verbesserung der Mundgesundheit in der Europäischen Union

Deutschland ist Vorbild in der zahnmedizinischen Prophylaxe.

Das Anliegen:

  • Die BZÄK fordert das Europäische Parlament auf, einen Anstoß für europäische Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit einschließlich der zahnmedizinischen Prävention zu geben.

Das Positionspapier mit dem Titel „Für eine moderne Zahnmedizin mit hoher Versorgungsqualität“ wird die BZÄK im Vorfeld der Europawahlen den Kandidaten für das Europäische Parlament und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Außerdem sollen alle gewählten deutschen Europaabgeordneten nach ihrem Amtsantritt im Juli 2019 ein Exemplar erhalten. Das Papier ist als Download verfügbar unter: www.bzaek.de/ueber-uns/europa/europapolitische-themen.html.

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