Mein Appell: Gehen Sie zur Europawahl
Im Mai findet die Europawahl statt: Die Bürger Europas sind dazu aufgerufen, das Europäische Parlament für fünf Jahre neu zu wählen. Wir können zu Recht von einer Richtungswahl in Zeiten des Umbruchs ausgehen. Es gibt heute deutlich mehr Unsicherheiten über die Zukunft Europas als noch bei der letzten Wahl 2014. Die EU steht vor vielfältigen Herausforderungen: Die Folgen der Finanz-, der Euro- und der Flüchtlingskrise haben die Zustimmung für den europäischen Integrationsprozess sinken lassen. Das betrifft ebenso den langwierigen Prozess rund um den Brexit. Auch wenn große Themen wie Klimawandel, Schutz der EU-Außengrenzen oder sozialer Zusammenhang die Programme der zur Wahl stehenden Parteien dominieren, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass Europa für unsere Berufsausübung wichtig ist: Viele für Zahnärzte relevante Entscheidungen werden in Brüssel getroffen. Und es wird mehr: Die laufenden gesundheitspolitischen Initiativen der EU tangieren die Heilberufe immer stärker und unmittelbarer, mit Tendenz nach oben.
Zwar tragen die Mitgliedsstaaten formal die Verantwortung für die Organisation und die Finanzierung ihrer Gesundheitssysteme. Dennoch sind einige Entwicklungen aus Brüssel aus unserer Sicht mit großer Sorge zu betrachten:
Zu warnen ist insbesondere vor einer schleichenden Unterwanderung des Subsidiaritätsprinzips, das unserer Selbstverwaltung zugrunde liegt. Auf europäischer Ebene findet derzeit eine richtungsweisende Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe statt. Betroffen sind die Freien Berufe und damit auch alle Heilberufe. Ziel ist es, durch den Abbau von Regulierungen neue Wachstumsimpulse zu setzen. Von besonderer Brisanz ist hier zum Beispiel die neue Richtlinie für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsregeln, die bis 2020 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Betroffen ist voraussichtlich unser gesamtes Berufsrecht. Zudem wird auch die Betroffenheit des Sozialrechts diskutiert.
Weitere, den Berufsstand tangierende Themenfelder sind die Digitalisierung, der Abbau von Bürokratie, die Finanzierung der Gesundheitssysteme, der Fachkräftemangel oder – gerade in jüngster Zeit sehr heiß im Berufsstand diskutiert – der wachsende Einfluss von Dentalketten und international agierenden PrivateEquity-Gesellschaften im zahnärztlichen Bereich, auch jenseits des SGB V.
Der BZÄK ist es ein großes Anliegen, das in Deutschland existierende und nachweislich steigende hohe Ausbildungsniveau der Zahnärzte und die hohe Versorgungsqualität für Patienten – auch in einem sich wandelnden europäischen Umfeld – weiterhin sicherzustellen. In ihrem gesundheits- und binnenmarktpolitischen Positionspapier hat sich die BZÄK jetzt für die Wahl in Stellung gebracht und ihre Forderungen an den Europäischen Gesetzgeber in acht Kernanliegen formuliert:
1. Im Interesse der Patienten die freie Berufsausübung sicherzustellen und sich für den Erhalt der bewährten Strukturen der Selbstverwaltung einzusetzen.
2. Eine Europäische Charta der Freien Berufe zu verabschieden und darin eine Standortbestimmung der Freiberuflichkeit vorzunehmen.
3. Durch eine konsequente Entbürokratisierung die unzumutbare Belastung der Zahnarztpraxen zu beseitigen und bei künftigen Vorhaben die bürokratischen Auswirkungen frühzeitig zu prüfen.
4. Eine hohe Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung zu gewährleisten.
5. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ausschließlich zum Nutzen der Patienten zu gestalten und so zu einer verbesserten und bürokratiearmen Versorgung beizutragen.
6. Amalgam als eines der notwendigen zahnmedizinischen Füllungsmaterialien zu erhalten.
7. Die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen konsequent fortzusetzen.
8. Weitere Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit und damit der Lebensqualität anzustoßen.
Im europäischen Vergleich nimmt die deutsche zahnmedizinische Versorgung einen Spitzenplatz ein. Damit das so bleibt – dafür setzt sich die BZÄK mit aller Kraft ein. Mein persönlicher Appell an alle Kolleginnen und Kollegen: Machen Sie das Gleiche – gehen Sie zur Europawahl!
Dr. Peter Engel
Präsident der Bundeszahnärztekammer