Interview mit Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbands

Eine Unterscheidung zwischen Z-MVZ und MVZ macht Sinn

Franz Knieps ist bei Medizinischen Versorgungszentren strikt gegen Beschränkungen in Zulassung, Investitionen und Tätigkeiten: Statt über die Trägerschaft sollte man über die Versorgungsqualität sprechen. Eine Unterscheidung zwischen Z-MVZ und MVZ kann er sich dennoch gut vorstellen, Stichwort Bereichsausnahme. Denn: „Ich will Vielfalt und Fairness im Wettbewerb!“

Als Vorstand des BKK-Dachverbands lehnen Sie „restriktive Regelungen im Bereich der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ)“ ab. In Frankreich, Spanien und Großbritannien hat die laxe Gesetzgebung gegenüber Dentalketten dazu geführt, dass Tausende von Patienten heute unversorgt und teils verschuldet dastehen. Warum soll man aus diesen Erfahrungen nicht lernen und es in Deutschland besser machen?

Franz Knieps: Natürlich sollte man aus Erfahrungen anderer Länder lernen. Deshalb muss darauf geschaut werden, dass ein Unternehmen nicht eine marktbeherrschende Stellung in einem Versorgungsgebiet erlangt. Ich selbst will nicht nur von einer Kette im Land bedient werden. Wettbewerb muss möglich sein. 

Es müssen für alle – Betreiber und Inhaber von MVZ sowie niedergelassene Zahnärzte – faire Bedingungen herrschen. Es kann nicht sein, dass wir nur noch Großinvestoren haben, es kann aber auch nicht sein, dass gerade bei technisch geprägten ärztlichen Richtungen, die höhere Investitionen erfordern, größere Einheiten verhindert werden. Die grundsätzliche Frage ist, ob wir Betreiber und Inhaber von MVZ haben wollen, die keinen Bezug zum Gesundheitswesen haben. Hier kann ich mir zumindest vorstellen, dass man im zahnärztlichen Bereich so etwas wie „Firewalls“ braucht. 

Sie haben in einem aktuellen Interview gesagt, dass Sie MVZ für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung unverzichtbar halten – unabhängig von ihrer Trägerschaft. Ärzte und Zahnärzte sind dem hippokratischen Eid und der Berufsordnung verpflichtet. Wie wollen Sie sicherstellen, dass in der Zahnmedizin fachfremde Betreiber in erster Linie die Versorgung im Blick haben – und nicht die Rendite? 

Die einzelne Arzt- oder Zahnarztpraxis – sei sie noch so klein – strebt doch auch nach Gewinn. Eine Differenzierung, woher das Geld kommt, halte ich für absurd. Und dass derjenige, der das Geld in einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis verdient, darauf setzen darf, Kapitalrenditen zwischen 20 und 30 Prozent zu erzielen – dass aber andere wie zum Beispiel ärztliche oder zahnärztliche Versorgungswerke, die das Geld institutionell anlegen und dafür eine Rendite von 5 Prozent haben wollen, nicht an einer bedarfsgerechten Versorgung interessiert sind, halte ich schlichtweg für unseriös! MVZ sind für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung unverzichtbar – unabhängig von ihrer Trägerschaft. Beschränkungen von Investitionen in MVZ sind daher ebenso kontraproduktiv wie Hürden bei ihrer Zulassung oder ihren Tätigkeiten. 

Anstelle von Trägerschaftsdiskussionen sollten wir eine Debatte über Versorgungsqualität führen. Dies sollte Dreh- und Angelpunkt sein, ob wir über Vergütung oder über Versorgungsplanung sprechen. Ein Wettbewerb um Qualität würde den Markt für eine einseitige Renditeorientierung unmöglich machen – sowohl aufseiten der Z-MVZ als auch bei den Einzelpraxen.

Sie sagen, „die Differenzierung, woher das Geld kommt, ist absurd“. Doch Fakt ist: Die Haltezeiten von Private-Equity-Gesellschaften betragen durchschnittlich vier bis sieben Jahre. Ziel ist, kurz- bis mittelfristig möglichst hohe Renditen zu erzielen – und dann zu verkaufen. Ist es nicht gefährlich, die zahnmedizinische Versorgung dem freien Spiel des Marktes zu überlassen? Wer soll die Versorgung sicherstellen, wenn Investoren unrentable Praxen schließen?

Die Frage ist doch: Warum sollte sich denn ein Renditejäger, eine sogenannte Heuschrecke, erst einmal in den Gesundheitsmarkt einkaufen, dann das Geld abschöpfen und danach die Quelle ihres Geldschöpfens fallen lassen? Also diese Gefahr sehe ich vorerst nicht. Wenn ein Laden gut läuft und dort gutes Geld zu verdienen ist, dann wird man auch immer jemanden finden, der ihn betreibt. Egal, ob niedergelassene Zahnärzte oder ein zahnmedizinisches MVZ. Lassen sie mich noch anmerken, dass häufig die MVZ die Zweitpraxen auf dem Land eröffnen, rollierende Praxen ins Leben rufen, die Gemeindehäuser anfahren und so eine ortsnahe Behandlungsmöglichkeit für die Bevölkerung sicherstellen.

Beratungsgesellschaften empfehlen ihren Kunden ausdrücklich eine Konzentration auf „High-End-Services“. Stichwort Rosinenpickerei: Mit einer Portfolio-Verschiebung im Leistungsangebot wird doch die sinnvolle wirtschaftliche Versorgung von Patienten geschwächt. Kann das wirklich im Interesse der GKV sein, solche Mechanismen im Gesundheitsmarkt zu verankern?

Nein. Das wollen weder die GKV noch ich. Rosinenpickerei sollte verhindert oder zumindest erschwert werden. Meine Bemerkungen bezogen sich auf das ärztliche Portfolio. Denn das ärztliche Portfolio wird in der Versorgungsplanung nur unzureichend berücksichtigt. Hier herrscht völlige Intransparenz und genau da müssen wir ansetzen: Wenn Leistungsspektren die maßgebliche Größe in der Versorgungsplanung werden, dann wird es auch keine Anbieter geben, die nur lukrative, hochspezialisierte Leistungen anbieten.

Es sind bereits signifikante Unterschiede im Abrechnungsverhalten bei Fremdinvestoren-geführten Z-MVZ feststellbar: Zu nennen ist etwa der Schwerpunkt auf Zahnersatz (ZE), deutlich erhöhte KCH-Fallwerte und eine Tendenz zu ZE-Neuversorgungen statt Erhaltung. Das heißt, ein massiver Schub zu Über- und Fehlversorgungen bahnt sich an. Auch das dürfte doch nicht im Interesse der Kassen sein, oder? Immerhin gehören Sie zu denjenigen, die diese Kosten bezahlen müssen.

An Ihren Beispielen zeigt sich doch ganz deutlich: Eine Debatte um Transparenz und Qualität ist notwendig. Und Zahnerhalt wäre doch ein guter Indikator, um Qualität in der zahnärztlichen Versorgung zu messen.

Die Aufhebung der Zulassungsbeschränkung für Zahnärzte mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde seinerzeit übrigens damit begründet, dass sich das Problem der Überversorgung im vertragszahnärztlichen Bereich nicht zeigen würde. Ist aber die Wiedereinführung der Bedarfsplanung geboten? Davon einmal abgesehen muss der Patient von seinem Zahnarzt über Behandlungsoptionen aufgeklärt werden. Wir sollten Ansatzpunkte finden, wie die Patientensouveränität gefördert werden kann. Auch hier sind Informationen über Versorgungsqualität von zentraler Bedeutung. 

Die schwedische Private-Equity-Gesellschaft EQT hat Ende 2017 die niederländische Dentalkette Curaeos mit rund 220 Dentalpraxen (Niederlande, Belgien, Dänemark, Deutschland und Italien) und etwa einer Million behandelter Patienten übernommen. Quadriga Capital ist im Besitz der zweitgrößten zahnärztlichen MVZ-Kette – der „Zahnärztlichen Tageskliniken Dr. Eichenseer“ mit inzwischen deutschlandweit 13 MVZ-Standorten. Weitere Standorte sind im Zulassungsverfahren. Wie wollen Sie verhindern, dass solche Unternehmen marktbeherrschend werden?

Grundsätzlich wird Kartellrecht im Gesetz gegen Wettbewerbseinschränkungen (GWB) – und nicht im SGB V – geregelt. Wer dennoch Überlegungen für eine „Firewall“ bei Z-MVZ anstellen möchte: Hier böte sich der Weg über das Zulassungsverfahren an. Das setzt gesetzliche Änderungen voraus. 

Welche Maßstäbe man in der Beurteilung zugrunde legen müsste, sollte kritisch diskutiert werden. Prinzipiell muss man sich fragen, ob es in einem solidarischen Gesundheitswesen Gewinnstreben geben darf. Wer hier mit „Nein“ antwortet, muss sich gleichzeitig auch für den National Health Service wie in Großbritannien aussprechen. Ich tue das nicht.

Im Portfolio von EQT befinden sich derzeit deutschlandweit neun Z-MVZ in fünf KZV-Bereichen, darunter die Implaneo Dental Clinic München. Für weitere fünf Z-MVZ sind Zulassungen bei den KZVen beantragt. Ein gemeinsames Auftreten der Z-MVZ unter einer Dachmarke ist nicht erkennbar. Finden Sie es richtig, dass es für Z-MVZ keine Anzeigepflicht gibt, die Beteiligungsverhältnisse von Groß- und Finanzinvestoren offenzulegen?

Ich bin hier ganz bei Ihnen. Transparenz zu schaffen, ist unbedingt angezeigt. 

Analysen zeigen, dass Fremdinvestoren-geführte Z-MVZ sich zu 80 Prozent in städtischen Gebieten und nur zu 20 Prozent in ländlichen Gebieten befinden. Das heißt, die Versorgung auf dem Land wird dadurch nicht sichergestellt. Eine Feststellung, die auch das Bundesgesundheitsministerium in seiner Antwort im November 2018 auf eine Kleine Anfrage der Grünen bestätigt hat. Was können Z-MVZ-Ketten von Finanzinvestoren aus Ihrer Sicht besser als die niedergelassenen Zahnärzte?

Ja, klar! In dieser Republik leben ja auch nur 20 bis 30 Prozent der Menschen auf dem Land! Insofern macht es auch Sinn, dass nur 20 bis 30 Prozent dieser Zentren auf dem Land existieren. Es ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält, dass solche MVZ nur in der Stadt entstehen und das Land nicht versorgen. 

Ob Z-MVZ von Finanzinvestoren oder nicht, MVZ bieten für die dort beschäftigten Ärzte Berufsbedingungen ohne finanzielle Risiken der Niederlassung, was moderne Lebens- und Arbeitsmodelle befördert. Junge Ärztinnen und Ärzte stimmen schon längst mit den Füßen ab und bevorzugen die Arbeit als Angestellte in einem MVZ. So schrecklich können die Strukturen also doch kaum sein.

Wie erfolgreich ist die MVZ-Strategie zur Stärkung der Versorgung auf dem Land eigentlich im ärztlichen Bereich?

Wie bereits erwähnt, Zweitpraxen oder rollierende Praxen entstehen vor allem auf dem Land auf Initiative von MVZ. Insofern sind MVZ für mich EIN Teil der Antwort für die Versorgung auf dem Land. Organisationsvielfalt ist aber auch in ländlichen Regionen wünschenswert, beispielsweise in Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften. Noch einmal: Ich will Vielfalt und Fairness im Wettbewerb. 

Ein in einem Z-MVZ angestellter Zahnarzt berichtete in der TV-Sendung Plusminus vom 24. Oktober 2018 anonym, dass er von der Klinikleitung dazu gedrängt wurde, die Patienten zu teuren Versorgungen zu überreden (Implantat statt Prothese). Wie wollen Sie in solchen Strukturen die Therapiefreiheit garantieren? 

Ich höre seit 25 Jahren die Behauptung, angestellte Ärzte seien nicht frei in ihrer Entscheidung – das könnten nur unternehmerisch tätige Freiberufler sein. Freiberuflichkeit kann doch nicht heißen, dass ich als Unternehmer selbstständig sein muss. Diese Debatte ist verlogen. 

Hoch qualifizierte Ärzte und Zahnärzte arbeiten als Spezialisten und Forscher in Kliniken. Und sie sind zumeist nicht ihr ganzes Berufsleben als Unternehmer tätig. Möchte jemand bestreiten, dass es sich dabei um unabhängig arbeitende, exzellente Ärzte handelt? 

Auch hier ist der Hebel die Transparenz über die Qualität der Versorgung. Das würde auch denjenigen Ärzten und Ärztinnen den Rücken stärken, die sich von ihrer Klinikleitung drangsaliert fühlen. 

Die Entwicklung von MVZ in der Medizin und in der Zahnmedizin ist unterschiedlich. Sollte man diesen Unterschied nicht auch im SGB V festschreiben?

Ich bin bereit, eine Unterscheidung bei Z-MVZ und MVZ vorzunehmen. Ich plädiere seit Jahren für ein eigenes Kapitel zur Vertragszahnärztlichen Verbesserung im SGB V.

Eine Dentalkette mit Niederlassung unter anderem in München bietet GOZ-Leistungen zum Festpreis an. Wie bewerten Sie diese Aufweichung? 

Festpreise sind für jede Zahnarzt-Praxis denkbar, das ist kein alleiniges Phänomen bei Z-MVZ. Außerdem müssen Festpreise nicht zwangsläufig Mondpreise sein. 

Zum Abschluss: Als erster Medizinproduktehersteller will das Berliner Unternehmen DrSmile über den Kauf von Zahnarztpraxen seine Produkte – Aligner – in den Markt drücken. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß?

Auch nahezu alle Kieferorthopäden bieten Zusatzleistungen an. In diesem Rahmen werden auch außervertragliche Versorgungsformen angeboten, zu denen auch Produkte von Alignern gehören können. In diesem Bereich gibt es eine Vielzahl von Angeboten, die aber auch Abnehmer finden müssen. Und was die Abnehmer oder in dem Fall Patienten brauchen, sind Möglichkeiten, sich unabhängige Informationen zu beschaffen. 

Ob man generell die Gründung von Praxen und Einrichtungen in der Hand von Heuschrecken beschränken sollte, wäre zu diskutieren. Dann würde man aber an einem großen Rad drehen (Beispiel Fresenius).

Die Fragen stellte Claudia Kluckhuhn.

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