Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V.

S3-Leitlinie zur Parodontitistherapie „Subgingivale Instrumentierung“

Lisa Hezel
,
Moritz Kebschull
,
Holger Jentsch
Die Leitlinie „Subgingivale Instrumentierung“ ergänzt die im November 2018 erschienenen S3-Leitlinien „Häusliches mechanisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“, „Häusliches chemisches Biofilmmanagement in der Prävention und Therapie der Gingivitis“ und „Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie“. Damit liegen jetzt vier hochwertige klinische Empfehlungen für die Prävention und Therapie der Parodontitis vor.

Die Parodontitis ist eine der häufigsten Erkrankungen [Kassebaum, 2014]. In Deutschland sind nach den Daten der aktuellen Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) über 50 Prozent der Bevölkerung an einer Parodontitis erkrankt [Jordan, 2016]. Eine Parodontitis wird durch einen dysbiotischen Biofilm unter Beteiligung spezifischer parodontaler „Keystone“-Pathogene [Hajishengallis, 2014] in für die Erkrankung empfänglichen Individuen verursacht [Kinane, 2017]. Ein entscheidender therapeutischer Schritt in der Parodontitistherapie liegt in der subgingivalen Instrumentierung der Wurzeloberflächen, die der Entfernung beziehungsweise Disruption des dysbiotischen Biofilms (subgingivale Plaque) sowie mineralisierter Ablagerungen (subgingivaler Zahnstein) [Jepsen, 2011] von den Wurzeloberflächen ohne Lappenbildung dient [Sanz, 2012].

Diese subgingivale Instrumentierung („geschlossenes Vorgehen“, „subgingivales Debridement“, „Kürettage“ oder „Scaling and Root Planing“ – SRP) wird mit Handinstrumenten und/oder maschinellen Instrumenten durchgeführt und umfasst ausdrücklich nicht die übermäßige Bearbeitung der Wurzeloberflächen mit gezielter Zemententfernung oder Weichgewebskürettage. Sie ist nur bei einer Taschensondierungstiefe (TST) von mehr als 3 mm indiziert, da es andernfalls zu iatrogenem Attachmentverlust kommen kann [Lindhe, 1982].

Die subgingivale Instrumentierung wird seit Langem und mit gleichem Erfolg mittels Handinstrumenten (Küretten, im engeren Sinne Spezialküretten) und/oder Schall- oder Ultraschallinstrumenten durchgeführt [Badersten, 1981; Laleman, 2017]. Die Instrumente können individuell kombiniert eingesetzt werden [Tunkel, 2002; Merte, 2005].

Zielsetzung der Leitlinie

Die Leitlinie soll eine Entscheidungshilfe zur Auswahl geeigneter adjunktiver (einmaliger Einsatz im Zusammenhang mit der Instrumentierung) und additiver (mehrmaliger Einsatz an mehreren Tagen nach der Instrumentierung) Verfahren für die subgingivale Instrumentierung in der Primärtherapie der systematischen Parodontitistherapie bieten. Bei der Entwicklung wurde das Regelwerk der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) verwendet. Die Leitlinie wurde mittels des Deutschen Leitlinien-Bewertungsinstruments (DELBI) auf ihre methodologische Qualität überprüft.

Bei der systematischen Literatursuche wurde folgende Fragestellung im PICO-Format formuliert: Gibt es bei Patienten mit Parodontitis (Population) bei der Parodontitistherapie mittels subgingivaler Instrumentierung ohne adjuvante Antibiotikatherapie (Intervention) für die verschiedenen primären und adjuvanten Methoden (Comparison) Unterschiede in Bezug auf die Taschensondierungstiefenreduktion (primäres Outcome)?

In der Leitlinie wurden explizit die Taschensondierungstiefen (TST) und nicht der klinische Attachmentlevel (CAL) als Zielvariable untersucht, da die TST das für den praktisch tätigen Zahnarzt relevantere Kriterium darstellt. Die dauerhafte Reduktion der TST ist ein geeignetes Maß für den Therapieerfolg. Residuale TST geben eine zuverlässige Voraussage für zukünftige Haltegewebsverluste [Claffey, 1995; Kaldahl, 1996] und auch Zahnverluste [Svardström, 2000; Matuliene, 2008; McGuire, 1996]. Weiterhin wurden nur Studien eingeschlossen, die den einmaligen adjuvanten Einsatz (bei Probiotika den additiven Einsatz) untersuchten und eine Nachbeobachtungszeit von sechs bis zwölf Monaten aufwiesen, um eine längerfristige Wirkung der Behandlung zu beurteilen.

Empfehlungen

Laser versus konventionelle Instrumente

Die Durchführung der subgingivalen Instrumentierung mittels Erbium-YAG-Laser kann erwogen werden. Die Auswertung der vorhanden Studien zeigte, dass die Anwendung eines Erbium-YAG-Lasers anstelle konventioneller Hand- und/oder Schall-/Ultraschallinstrumente zur subgingivalen Instrumentierung zu keiner signifikanten Verbesserung der klinischen Effektivität der subgingivalen Instrumentierung führt.

Adjuvanter Lasereinsatz

Im Rahmen der Primärtherapie sollte eine einmalige adjuvante Anwendung eines Lasers bei der subgingivalen Instrumentierung nicht erfolgen.

Die einmalige adjuvante Anwendung eines Lasers führt zu keiner signifikanten Verbesserung der klinischen Effektivität der subgingivalen Instrumentierung. Die Studienlage ist geprägt von einer starken Heterogentität der Methoden, hohen Konfidenzintervallen und geringen Fallzahlen sowie von zum Teil stark erhöhtem Biasrisiko. Der Stellenwert einer mehrmaligen Anwendung der Lasertherapie über einen längeren Zeitraum wurde im Rahmen dieser Leitlinie nicht systematisch recherchiert. Aus Expertensicht ist er unklar, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Wirkung der verschiedenen Wellenlängen. Hierzu besteht Forschungsbedarf.

Adjuvante photodynamische Therapie

Im Rahmen der Primärtherapie sollte eine einmalige adjuvante Anwendung der photodynamischen Therapie bei der subgingivalen Instrumentierung nicht erfolgen.

Die einmalige adjuvante photodynamische Therapie führt laut unserer Metaanalyse zu einem geringen positiven Effekt (0,21 mm zusätzliche TST-Reduktion, p = 0,03). Die Studienlage ist aber geprägt von einer starken Heterogentität der Methoden, hohen Konfidenzintervallen und geringen Fallzahlen sowie von zum Teil stark erhöhtem Biasrisiko. Die identifizierten Studien waren heterogen in Hinblick auf die eingesetzten Wellenlängen, Photosensitizer und Laserparameter. Zudem wurden in den Studien photochemische und photothermische Effekte nicht klar getrennt. Der Stellenwert einer mehrmaligen Anwendung der photodynamischen Therapie über einen längeren Zeitraum wurde im Rahmen dieser Leitlinie nicht systematisch recherchiert. Aus Expertensicht ist er unklar. Hierzu besteht Forschungsbedarf.

Einsatz von Antiseptika

Eine adjuvante subgingivale Anwendung von Chlorhexidin- (0,12 Prozent) oder PVP-Jod-Spüllösung, Chlorhexidin-Gel oder Chlorhexidin-Chips zum Zeitpunkt der subgingivalen Instrumentierung sollte nicht erfolgen, da sie zu keiner signifikanten Verbesserung der klinischen Effektivität führt.

Adjuvanter Einsatz von Antiseptika im Sinne einer Full-Mouth-Disinfection

Ein adjuvanter Einsatz von Chlorhexidin-Präparaten im Zusammenhang mit der subgingivalen Instrumentierung im Sinne einer Full-Mouth-Disinfection nach Quirynen sollte nicht erfolgen, da er zu keiner signifikanten Verbesserung der klinischen Effektivität der subgingivalen Instrumentierung gegenüber einem konventionellen Full-Mouth-Scaling führt.

Additiver Einsatz von Probiotika

Die Studienlage ist geprägt von einer starken Heterogentität der Ergebnisse, der eingesetzten Mikroorganismen, hohen Konfidenzintervallen und geringen Fallzahlen sowie von zum Teil stark erhöhtem Biasrisiko. Daher kann über den Nutzen eines additiven Einsatzes von Probiotika aufgrund der jetzt vorliegenden Evidenz keine abschließende Empfehlung erfolgen. Bei Vorliegen von wenigen, aber qualitativ guten Studien müssen die im Statement aufgeführten Limitationen berücksichtigt werden. Es besteht weiterer Forschungsbedarf.

Ausblick

Mit der Veröffentlichung der S3-Leitlinie zur subgingivalen Instrumentierung liegen nun insgesamt vier systematisch erarbeitete, hochwertige klinische Empfehlungen für die Prävention und Therapie der Parodontitis vor. Aktuell sind Parodontologen aus Deutschland auch in einen europäischen Prozess der Leitlinienentwicklung unter dem Dach der European Federation of Periodontology (EFP) eingebunden.

Hier wurden sehr umfassende S3-Leitlinien für die gesamte Parodontitistherapie von der Initialbehandlung bis hin zur korrektiven Chirurgie und Unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) entwickelt, die eng an der neuen EFP/AAP-Klassifikation der Parodontalerkrankungen ausgerichtet sind und Orientierung für einen evidenzbasierten Therapieentscheid entsprechend den verschiedenen Stadien der Parodontitis bieten. Die Veröffentlichung dieser Leitlinien ist für den April 2020 geplant.

Dr. Lisa Hezel

Zahnarztpraxis Dr. Hezel

Ernst-Reuter-Allee 28, 39104 Magdeburg

mail@dr-hezel.de

Prof. Dr. Dr. Holger Jentsch

Universitätsklinikum Leipzig

Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Funktionsbereich Parodontologie

Liebigstr. 12, 04103 Leipzig

Holger.Jentsch@medizin.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Moritz Kebschull

Chair of Restorative Dentistry

The School of Dentistry, University of Birmingham

5 Mill Pool Way, EdgbastonBirmingham B5 7EG, England

moritz@kebschull.me

Literaturliste

Kassebaum, N.J., et al., Global burden of severe periodontitis in 1990-2010: a systematic review and meta-regression. J Dent Res, 2014. 93(11): p. 1045-53.

Jordan, A.R. and W. Micheelis, Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) – Kurzfassung. 2016.

Hajishengallis, G., Immunomicrobial pathogenesis of periodontitis: keystones, pathobionts, and host response. Trends Immunol, 2014. 35(1): p. 3-11.

Kinane, D.F., P.G. Stathopoulou, and P.N. Papapanou, Periodontal diseases. Nat Rev Dis Primers, 2017. 3: p. 17038

Jepsen, S., et al., Calculus removal and the prevention of its formation. Periodontol 2000, 2011. 55(1): p. 167-88.

Sanz, I., et al., Nonsurgical treatment of periodontitis. J Evid Based Dent Pract, 2012. 12(3 Suppl): p. 76-86.

Lindhe, J., et al., „Critical probing depths“ in periodontal therapy. J Clin Periodontol, 1982. 9(4): p. 323-36.

Badersten, A., R. Nilveus, and J. Egelberg, Effect of nonsurgical periodontal therapy. I. Moderately advanced periodontitis. J Clin Periodontol, 1981. 8(1): p. 57-72.

Laleman, I., et al., Subgingival debridement: end point, methods and how often? Periodontol 2000, 2017. 75(1): p. 189-204.

Tunkel, J., A. Heinecke, and T.F. Flemmig, A systematic review of efficacy of machine-driven and manual subgingival debridement in the treatment of chronic periodontitis. J Clin Periodontol, 2002. 29 Suppl 3: p. 72-81; discussion 90-1.

Merte, K., Initialtherapie - Scaling und Wurzelglättung, in Praxis der Zahnheilkunde: Parodontologie 4. Aufl., D. Heidemann, Editor. 2005, Urban & Fischer.

Claffey, N. and J. Egelberg, Clinical indicators of probing attachment loss following initial periodontal treatment in advanced periodontitis patients. J Clin Periodontol, 1995. 22(9): p. 690- 6.

Kaldahl, W.B., et al., Long-term evaluation of periodontal therapy: II. Incidence of sites breaking down. J Periodontol, 1996. 67(2): p. 103-8.

Svardstrom, G. and J.L. Wennstrom, Periodontal treatment decisions for molars: an analysis of influencing factors and long-term outcome. J Periodontol, 2000. 71(4): p. 579-85.

Matuliene, G., et al., Influence of residual pockets on progression of periodontitis and tooth loss: results after 11 years of maintenance. J Clin Periodontol, 2008. 35(8): p. 685-95.

McGuire, M.K. and M.E. Nunn, Prognosis versus actual outcome. III. The effectiveness of clinical parameters in accurately predicting tooth survival. J Periodontol, 1996. 67(7): p. 666-674.

Dr. Lisa Hezel

Zahnarztpraxis Dr. Hezel
Ernst-Reuter-Allee 28, 39104 Magdeburg
76299-flexible-1900

Prof. Dr. Moritz Kebschull

Oberarzt
Chair of Restorative Dentistry
The School of Dentistry, University of Birmingham
5 Mill Pool Way, EdgbastonBirmingham B5 7EG, England

Prof. Dr. Holger Jentsch

Universitätsklinikum Leipzig
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Funktionsbereich Parodontologie
Liebigstr. 12, 04103 Leipzig

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