Editorial

... und raus bist Du?

Vor einem Jahr verkündete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn seine Absicht, die gematik mehrheitlich übernehmen zu wollen. Im Sommer war es dann soweit: Das BMG übernahm im Zuge eines unfriendly takeover fast für umme 51 Prozent der gematik-Anteile von den Altgesellschaftern – der verfassten Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft, der deutschen Krankenhausgesellschaft sowie dem GKV-Spitzenverband. Was ist seitdem „besser“ geworden? Der neue Geschäftsführer Dr. Markus Leyck Dieken, Arzt mit langjähriger Pharmaexpertise, würde jetzt sagen: Alles! Sagen wir es so: Die gematik kommuniziert aktiver und präsentiert sich als offenes Unternehmen, ganz im Gegensatz zum früheren Modell Auster. Und ja, die neue Webseite ist schön geworden. Zudem sind die ganz in Spahn’scher Manier formulierten Ansprüche deutlich größer und offensiver, auf das „die Telematikinfrastruktur nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen ein Netz von allen für alle ist und bleibt“. Gut gebrüllt!

Doch dann dürfen in der TI solche Fehler wie die vom Chaos Computer Club aufgedeckten Lücken, die die gematik zwar nur in Teilen zu verantworten hat, nicht passieren. TI-Kritikern, auch TI-Verweigerer genannt, entzieht man so nicht die argumentative Basis. Vielmehr passiert das Gegenteil, nämlich die erneute Bestätigung der seit Jahren vorgetragenen Befürchtungen. Denn wenn schon die Ausgabe von Teilen der TI-Hardware, in diesem Fall die Zugangsschlüssel Arzt- und Praxisausweis, ohne großen Aufwand an Käsetheken möglich ist, wie wird es dann um den seit Jahren kritisierten Umgang mit den Patientendaten stehen? Sicher, man kann die Einstellung so mancher Heilberufler als ewig gestrig abtun – obwohl wir uns bereits im Jahr 16 des TI-Projekts befinden. Trotz der langen Zeit sind aber weder Bedenken ausgeräumt noch der Nutzen belegt worden. Es sei daran erinnert, dass die TI als Überprüfung der Versichertenstammdaten startete, um Betrugsfälle zulasten der Krankenkassen zu verhindern. Dafür war die verpflichtende Teilnahme an der TI vorgesehen. Dumm nur, dass genau diese Funktion keinen Nutzen für die Heilberufler, sondern nur für die Kassen hat. Der Benefit für Arzt und Patient eines medial gehypten digitalen Impfbuchs oder auch Bonusheftes ist für viele derer, die die TI kritisch sehen, eben nicht ausreichend, um die damit einhergehenden Risiken wie den potenziellen Verlust des Arzt-Patienten-Geheimnisses oder den gläsernen Patienten zu akzeptieren. Eine Entscheidung, die jeder für sich selber treffen muss, aber in dem politisch dominierten GKV-System nicht kann. Immerhin stehen für die nicht an die TI angeschlossenen niedergelassenen Heilberufler seit 2017 ein Prozent ihres GKV-Honorars im Feuer, die ersten Honorarabzugsbescheide liegen auf dem Tisch. Eine lässliche Summe? Vielleicht. Noch.

Aber Daumenschrauben, staatliche allzumal, haben es an sich, mit der Zeit fester angezogen zu werden. Und so droht bereits ab März 2020 eine Erhöhung des Abzugs auf 2,5 Prozent des GKV-Honorars. Spätestens jetzt fängt es an, wirtschaftlich weh zu tun. Und Spahn äußerte bereits, dass es für die TI-Verweigerer noch teurer werden wird. 3,5 Prozent Abzug steht ab Juli 2021im Raum, ist allerdings noch nicht beschlossen. Da muss man kein Prophet sein, dass das politische Kalkül aufgehen wird, auf diese Weise die Anzahl der TI-Verweigerer auf einen kleinen Restbestand abschmelzen zu können. „Positiv“ formuliert wird mit dieser Vorgehensweise die Versorgung höchstwahrscheinlich nicht gefährdet werden. Was Stand Anfang diesen Jahres bei kolportierten rund 30 Prozent nicht an die TI angeschlossenen niedergelassenen Ärzten und knapp 9 Prozent auf der Zahnarztseite passieren würde. Nun sind von der Datenproblematik nicht nur die Heilberufler betroffen, sondern vor allem die Patienten, um deren Daten es in der Hauptsache geht. Hierzu gab es im September 2019 eine Petition an den Bundestag. Der Titel: „Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten / Anschluss von Arzt- und Psychotherapiepraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) nur auf freiwilliger Basis“. Das Ergebnis der Mitte Januar beendeten Petition war wie folgt: 19.764 Online- und 45.007 Offline-Mitzeichner. Mit 64.771 Unterzeichnern wurde die Petition zwar angenommen. Ein deutliches Signal an die Politik sieht aber anders aus. Die TI-Karawane wird also weiter ziehen. Mit der Frage, wer zurückbleiben wird und was die Folgen sein werden – auch für den Berufsstand. Das derzeitige BMG-Politmotto: „Nicht reden, machen“, hilft leider nur dort …

Dr. Uwe Axel Richter

Chefredakteur

Dr. Uwe Axel Richter

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