Die Zahnmedizin braucht ein neues Gesicht
Spricht man in diesen Tagen mit Kolleginnen und Kollegen, dann begegnet einem nahezu immer diese Einschätzung: „Ich hätte nicht gedacht, wie wenig Verständnis und Respekt die Gesellschaft unserem Beruf entgegenbringt“. Sind die Kollegen zu empfindlich, oder ist da wirklich etwas dran? Erinnern wir uns:
Das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz soll allen Arztgruppen helfen, uns aber nicht.
Die Diskussion um den zweiten Rettungsschirm (COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutz-verordnung), der auch Heilmittelerbringern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen helfen soll, würzte die Tagesschau mit der Schlagzeile „Zuschüsse für Zahnärzte“ an.
Häufig war die Rede von „notwendigen“ Behandlungen, auf die sich die Zahnmedizin zur Kontaktvermeidung beschränken solle. Wer wird da nicht denken, dass Zahnärzte sich überwiegend mit nicht notwendigen Behandlungen befassen? Am Gründonnerstag erließ die Landesregierung Baden-Württemberg ohne Rücksprache mit den zahnärztlichen Gremien im Land eine Corona-Verordnung, die einem Berufsverbot für Zahnärzte gleichkam. Die standespolitische Reaktion konnte diese Saat zum Glück im Keim ersticken.
Besonders empfindlich muss man nicht sein, um die Botschaft klar zu verstehen: Liebe Zahnärztinnen und Zahnärzte, wir halten Euch weder für bedürftig noch für wichtig.
Aus dem Blickwinkel der einzelnen Praxis ist diese Geringschätzung völlig unverständlich. In Studien zur Patientenzufriedenheit belegen wir unter Ärzten regelmäßig erste Plätze (Weiße Liste, jameda), wir kümmern uns intensiv um Pflegebedürftige, wir behandeln so schonend, dass Schmerz- und Notfälle immer seltener auftreten, und wir haben die Deutschen zum mundgesundesten Volk in der Welt gemacht. Warum rechnet man das dem eigenen Zahnarzt offensichtlich an, schätzt aber die Zahnärzte als Gruppe trotzdem nicht? Hier begegnen uns zwei Paradoxa:
1. Das Präventions-Paradoxon: Je erfolgreicher wir die Mundgesundheit unserer Patienten verbessern, um so entbehrlicher erscheinen wir.
2. Das Porsche-Paradoxon: Kaum noch Porsche-Fahrer unter uns, aber der einzelne wird als „typisch Zahnarzt“ wahrgenommen.
Niemand ahnt, dass wir die präventiven Erfolge mit einem starken Rückgang der restaurativen Zahnmedizin ziemlich teuer bezahlen. Kaum einer weiß, was eine Praxis kostet oder wie unsere Einkommensstruktur abseits von Mittelwerten aussieht. Ein CDU-MdB meinte kürzlich „Ich hab mich erkundigt: Angestellte Zahnärzte verdienen im Durchschnitt 10.000 Euro im Monat.“ Sorry, nein, mit längerfristiger Anstellung liegt das Einkommen zwischen dem eines Grundschul- und eines Gymnasiallehrers. Aber die Paradoxa wirken trotzdem. In jedem politischen Gremium genügt eine Stimme, die mahnt „Aber doch bitte nicht für die Zahnärzte!“ und schon wird jeder Vorschlag, der uns helfen könnte, verschämt vom Tisch genommen. Sollen wir das weiter erdulden oder aktiv zeigen, was wir täglich leisten? Dass dieser Beruf aus engagierten, beim Patientenstamm hochgeschätzten Zahn-Medizinern besteht?
Die Ärzte waren 2013 in einer fast noch schwierigeren Lage, galten sie doch als „gierige Dienstleister“, die oft in Korruptionsskandale verwickelt waren. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung startete daraufhin die preisgekrönte Kampagne „Wir arbeiten für Ihr Leben gern“. Das hat gewirkt.
Einen Vorgeschmack darauf, wie glaubwürdig und sympathisch sich die Zahnmedizin darstellen kann, zeigt ein Interview mit der Kollegin Leonie Wälder im Zeitmagazin (21/2020) zu ihrem persönlichen Umgang mit der Corona-Krise. Auch die BZÄK hat sich bereits in einem RND-Interview dazu geäußert (Redaktionsnetzwerk Deutschland, 12.5.2020). Schon die Reaktionen auf diese Beiträge lassen ahnen, wie erfolgreich eine gut gemachte (zum Beispiel) „So sind wir wirklich“-Kampagne sein könnte. Die Zeit ist reif und die Bundeszahnärztekammer ist dran. Wir werden Planungen zu einer solchen Kampagne einleiten.
Dr. Peter Engel,
Präsident der Bundeszahnärztekammer
Prof. Dr. Dietmar Oesterreich,
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer
Prof. Dr. Christoph Benz,
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer