Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

Existenzgründung und Praxisabgabe in Krisenzeiten – Teil 2: Praxisabgabe

Christian Henrici
Lassen Sie mich anhand von drei Punkten darstellen, warum Sie genau jetzt mit der Planung Ihrer Praxisabgabe beginnen sollten, sofern Sie in den nächsten fünf bis acht Jahren planen, in den Ruhestand zu gehen.

Bevor ich auf Ihre Fragen eingehe, möchte ich Ihnen Mut für die Zukunft machen. Auch wenn die vergangenen Wochen und Monate für alle Praxisbetreiber schwierig waren, so bekomme ich immer öfter zu hören, dass die Praxen wieder „anlaufen“. Und auch wenn noch niemand so richtig wissen kann, wie sich die „Nach-Corona-Zeit“ auf das Patientenverhalten auswirken wird, wage ich die Prognose, dass sich vieles schnell und weitestgehend normalisieren wird.

Tatsächlich werde ich aktuell vermehrt mit der Frage „Praxisabgabe zu Corona-Zeiten“ konfrontiert. Das wundert mich ein wenig, denn der Praxismarkt war schon vor Corona ein schwieriger und so viel hat sich gar nicht geändert. Viele Leserbriefe zu diesem Thema habe ich im Rahmen meiner Kolumne bereits beantwortet.

Die Zeiten, in denen kurzfristig der Entschluss gefasst wird, die eigene Praxis mit einer Anzeige und freier Auswahl unter mehreren Interessenten zu veräußern, sind lange vorbei.

Es werden mehr Praxen abgegeben als gesucht, dies ist das entscheidende Anzeichen des momentanen Käufermarkts.

Junge Zahnmediziner entscheiden sich vermehrt für die Anstellung in einer Praxis. Die Feminisierung der Zahnmedizin, die gestiegenen Investitionskosten und der Wandel der Interessen junger Zahnmediziner führen dazu, dass die Anzahl an potenziellen Existenzgründern aktuell zurückgeht – und auch in Zukunft weiter zurückgehen wird.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen ist heutzutage eine langfristige, strategisch ausgerichtete Nachfolgersuche notwendig.

Lassen Sie mich anhand der folgenden drei Punkte darstellen, warum Sie genau jetzt mit der Planung Ihrer Praxisabgabe beginnen sollten, sofern Sie in den nächsten fünf bis acht Jahren planen, in den Ruhestand zu gehen.

1. Betrachten wir das Verfahren zur objektiven Wertfeststellung Ihres Praxiswerts, so berechnet sich der „klassische“ Wert Ihrer Praxis auf der Grundlage der modifizierten Ertragswertmethode immer aus Substanz (materieller Wert) plus Goodwill (immaterieller Wert). Bei der Berechnung der Substanz wird Ihr Anlagenverzeichnis beziehungsweise das Inventarverzeichnis der Praxis zur Berechnung hinzugezogen.

Ihr Goodwill allerdings basiert immer auf der Basis Ihrer Jahresabschlüsse der letzten drei bis fünf Jahre. Es zählen also Vergangenheitswerte. Heißt für Sie, dass sich bei der Feststellung Ihres aktuellen Praxiswerts Corona nicht auswirkt. Erst wenn Sie in den nächsten Jahren Ihren Praxiswert feststellen lassen, werden Sie eine Verschlechterung feststellen.

Mehr Angebot als Nachfrage

2. In meiner Einleitung habe ich bereits angesprochen, dass sich der Praxismarkt derzeit als „Käufermarkt“ darstellt – das Angebot ist größer als die Nachfrage. Anhand von Abbildung 1 wird dies deutlich.

Wenn wir uns die aktuellen Zahlen anschauen, so sehen wir kurz zusammengefasst Folgendes:

  • Behandelnd tätige Zahnärzte 2010 zu 2018: + 7,1 Prozent

  • Niedergelassene Zahnärzte 2010 zu 2018: – 8,5 Prozent

  • Niederlassungsquote (Niedergelassene / Behandelnd tätige Zahnärzte) 2010: 81 Prozent

  • Niederlassungsquote 2018: 69 Prozent

  • Verbleibequote-Beruf (Behandelnd tätige Zahnärzte / Zahnärzte insgesamt) 2010: 78,5 Prozent

  • Verbleibequote-Beruf 2018: 74,6 Prozent

Sie sehen also, dass die Zahlen sich schon in den vergangenen Jahren teilweise dramatisch entwickelt haben und aller Prognosen nach ist keine Besserung in Sicht. Das heißt als Fazit, dass sich der Druck auf die Abgeber weiter verschärfen wird und die „marktüblichen“ Preise weiter fallen werden, da das Angebot weiter größer sein wird als die Nachfrage.

3. Eine weitere Besonderheit ergibt sich meiner Meinung nach vor allem für mittelgroße bis große Zahnarztpraxen. In diesem Sinne spreche ich von Zahnarztpraxen ab vier Zimmern und zwei Behandlern mit einem Umsatz von einer Million Euro oder mehr. Für den klassischen Gründer kommen diese Art Praxen nur selten infrage, da die Preisvorstellungen des Abgebers oft die Preisvorstellungen des Gründers sprengen.

Auch eine Partnerschaft auf Zeit mit anschließender 100-Prozent-Übernahme ist selten geworden, da die Unsicherheit für einen endgültigen Vollzug auf beiden Seiten schlicht zu groß ist. Somit wenden sich diese Praxen oft institutionellen Anlegern zu und auch hier beobachte ich Veränderungen des Kaufverhaltens. 

  • Zum einen normalisiert sich auch hier der Preis. Der gezahlte Faktor auf die Bewertungsgrundlage EBIT oder EBITDA ist im Schnitt um circa 20 Prozent im Verhältnis zum Jahr 2017 gesunken.

  • Ebenfalls führen bereits jetzt erste Gruppen aufgrund Corona eine zusätzliche Kaufpreiskomponente ein. So gibt es neben der prozentualen Anfangs- und Endzahlung, eine weitere Tranche, die eingeführt wurde, sofern das „Vor-Corona-Ergebnis“ bis zu einem festgelegten Zeitpunkt (meist das Jahr 2021 oder 2022) erreicht wurde.

  • Außerdem ist aktuell eine Veränderung des „Beuteschemas“ festzustellen. Einige Gruppen gehen dazu über, vermehrt auf Praxen mit vier bis acht Behandlungszimmern zu setzen. Dies hat damit zu tun, dass hier das Risiko übersichtlicher ist und dass die Praxis deutlich einfacher zu steuern ist (als noch größere Praxen).

Fazit

Zusammenfassend kann ich Ihre Frage, ob nun der richtige Zeitpunkt ist, mit der Planung der Praxisabgabe bei gewünschtem Zeitpunkt in zwei bis fünf Jahren zu beginnen, mit einem klaren „JA!“ beantworten. Ich empfehle schon seit jeher, mindestens fünf bis acht Jahre vor der geplanten Abgabe in den Prozess zu starten. Corona hat daran natürlich nichts geändert, aber die Situation noch einmal verschärft.

Zusätzlich beobachte ich auch, dass gerade wegen Corona viele Inhaber ihre Praxis derzeit kurzfristig aufgeben, obwohl Sie unter normalen Umständen noch ein paar Jahre länger gearbeitet hätten. Einfach, weil man sich derzeit eventuell mit Dingen wie Kurzarbeit, neuen Hygieneauflagen etc. auseinandersetzen muss, was in den vergangenen Jahren so nicht nötig war. Dazu kommt, dass der Prozess der Abgabe sich über mehrere Jahre ziehen kann, denkt man an Nachfolgesuche, Auswahlprozess, Probearbeiten, Verkaufsphase und Übergangszeit des Inhabers. Allein die Nachfolgesuche mit verbindlicher Zusage kann bis zu zwei Jahre und mehr dauern – je nach Praxis.

Beginnen Sie Ihren Abgabeprozess frühzeitig, strukturiert und vor allem zielgenau zu planen – dann haben Sie Erfolg!

In diesem Sinne ...                     

Ihr Christian Henrici

Henrici@opti-hc.de , www.opti-hc.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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