Dr. Sabine Herlitzius leitet ein Gesundheitsamt

Zähne zeigen – und zusammenbeißen

Die gebürtige Kölnerin Dr. Sabine Herlitzius leitet seit zehn Jahren das Gesundheitsamt in Kiel, sie ist bundesweit die einzige Zahnärztin. Als Kind wollte sie Meeresbiologin werden, machte aber zuerst „aus Vernunftsgründen“ eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin – dann studierte sie Zahnmedizin. Ein Porträt.

Derzeit ist, ganz klar, Corona das beherrschende Thema ihrer Arbeit. „Wir werden mit Anfragen überschüttet“, berichet Herlitzius, „COVID-19 hat unseren Arbeitsalltag völlig verändert.“ Ihr Team besteht aus 90 MitarbeiterInnen und wurde und wird noch aufgestockt, um den Anforderungen in der Pandemie gerecht zu werden. Zeit für die zahnärztlichen Arbeiten, die das Gesundheitsamt Kiel in normalen Zeiten durchführt, bleibt derzeit nicht.

 „Wir wollen aber möglichst bald wieder unsere Kernaufgaben aufnehmen“, sagt Herlitzius. „Beim Zahnärztlichen Dienst ist das besonders schwierig, weil wir vor Ort in den Schulen und Kitas tätig sind. Hier herrscht noch kein Regelbetrieb, sondern eine vorsichtige Erweiterung des Unterrichts- und Betreuungsangebots. Es macht wenig Sinn, Kollegen für wenige Kinder in die Einrichtungen zu schicken, wenn wir sie gleichzeitig hier im Haus dringend brauchen. Ich hoffe, dass wir nach den Sommerferien wieder in den Normalbetrieb zurückkehren.“

Die Bewältigung der neuen Aufgaben erfordert großes Personalmanagement.

Das ganze Haus arbeitet derzeit im Infektionsschutz – und das sieben Tage die Woche. So mussten zum Beispiel Menschen, die sich in häuslicher Quarantäne befinden, seit Beginn der Corona-Pandemie täglich angerufen werden. Herlitzius: „Diese Aufgabe des ambulanten Monitorings geben wir mittlerweile an die Hausärzte weiter.“

Die Meeresbiologie war den Eltern zu brotlos

Meeresbiologin wollte sie als Kind werden, die Eltern rieten jedoch zu einem Beruf, der mehr Sicherheit versprach. „Der Beruf der Meeresbiologin war damals sehr außergewöhnlich und unpopulär, meine Eltern hatten einfach Angst, dass es eine brotlose Kunst sein könnte. Da ich immer an Naturwissenschaften und Menschen interessiert war, habe ich mit 16 Jahren zunächst eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin absolviert.“ Schnell stellte sie fest, dass ihre Wissbegierde und Begeisterung für den Beruf nach mehr rief. Ermuntert von ihrem Ausbilder entschied sie sich für das Abendgymnasium, machte Abitur und studierte ab 1986 in Kiel Zahnmedizin. „Ich habe das Studium mit der Vorstellung begonnen, eines Tages in einer eigenen Praxis tätig zu sein“, erzählt sie. Aber es kam anders.

Wer denkt, die Arbeit auf dem Amt sei dröge ...

1993 begann Herlitzius auf einer halben Stelle im Zahnärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes. „Anfangs habe ich parallel in einer Praxis und im Gesundheitsamt gearbeitet.“ Seit 1995 arbeitet sie Vollzeit im Amt für Gesundheit, anfangs in der Kieler „Zahnstation West“, ab 2009 als Sachbereichsleitung zahnärztlicher Dienst und Abteilungsleitung, von 2010 an zunächst kommissarisch, später als Leiterin des Gesundheitsamtes.

Wer denkt, die Arbeit auf dem Amt sei dröge – weit gefehlt. Herlitzius jedenfalls hat hier ihre Berufung gefunden:

„Man merkt schnell, wie interessant die Aufgaben sind. Ich finde, dass man in der Medizinerausbildung verstärkt auf das Tätigkeitsfeld der dritten Säule des Gesundheitswesens aufmerksam machen müsste, am besten mit einem eigenen Lehrstuhl. Beim Begriff ‚Amt‘ sieht man oft nicht den umfangreichen Aufgaben-Kanon, sondern denkt an Schreibtischarbeit. Der Amtsbegriff schafft ein bisschen Distanz zur ärztlichen Aufgabe, man sieht die Vielseitigkeit dadurch vielleicht nicht sofort und hat deshalb keine bunten Bilder vor Augen.“

„Die Arbeit im Amt ist bunt und vielseitig“

Sie hat die manuelle Tätigkeit in der Zahnarztpraxis aufgegeben – und die Möglichkeit genutzt, inhaltlich und politisch etwas zu bewegen. „Es gibt viele Gestaltungsmöglichkeiten“, versichert sie. Nicht von jetzt auf gleich, ja, Dienstwege müssen eingehalten werden, das sei manchmal unerfreulich. Aber wer sich gern in Geduld und Diplomatie übt und an seinen Zielen festhält, sei in einem Gesundheitsamt richtig.

„Der öffentliche Gesundheitsdienst hat sich in den vergangenen Jahren auch verändert, er ist mittlerweile ein Arbeitsfeld mit vielen Betätigungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Die Förderung vulnerabler Zielgruppen, die in unser Gesundheitssystem eingeführt oder unterstützt werden müssen, gehört genauso dazu wie der Bevölkerungsschutz, wie wir ihn in Corona-Zeiten gerade erleben.“

„Man muss die Tools nutzen und authentisch sein“

Die Faszination ihrer Arbeit beschreibt sie so: „Man muss sich behaupten, der riesige Verwaltungsapparat verschreckt vielleicht den einen oder anderen. Die Tools einer Verwaltung sollte man für sich nutzen und nicht scheuen. Man darf sich in seinen Zielen nicht beirren lassen und wer authentisch ist, hat Glaubwürdigkeit.“

Als Zahnärztin in der Gesundheitsamt-Welt, in der viele Männer arbeiten, ist sie bundesweit eine Ausnahme. „Je weiter man in den Hierarchiestufen nach oben kommt, desto größer ist der männliche Anteil in der Kollegenschaft, das beobachte ich auch. Als ich studiert habe, gab es nur rund ein Drittel Frauen im Studiengang. Dieser Anteil ist in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen – die Medizin wird ganz eindeutig weiblich.“

Anfang Mai wurde ihr die Ehrennadel verliehen

Anfang Mai wurde der Kielerin die Ehrennadel der deutschen Zahnärzteschaft verliehen. Dr. Michael Brandt, Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, würdigte ihr Engagement für das öffentliche Gesundheitswesen und die Zahngesundheit im Land.

„Ich kenne die Kollegin Herlitzius aus 25-jähriger Zusammenarbeit im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege. Sie hat maßgeblich zur Verbesserung der Mundgesundheit in Schleswig-Holstein beigetragen“, sagte Brandt bei der Ehrung. Nach der jüngsten Studie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege (DAJ) haben 84 Prozent der 12-Jährigen in Schleswig-Holstein naturgesunde, bleibende Zähne. Das nördlichste Bundesland liegt im Bundesländer-Ranking damit im oberen Drittel.

Klug, souverän, – immer mit einem Lächeln

Kiels Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer sagte in seiner Rede: „Umsichtig, souverän, klug und immer mit einem Lächeln hat sie in den vergangenen Wochen nahezu rund um die Uhr Fallzahlen erhoben, Krankenhäuser aufrüsten lassen, Erkrankte beruhigt und Analysen erstellt. Zähne zu zeigen, wenn es drauf ankommt, das konnte sie schon als Zahnärztin. Bei uns musste sie dagegen in den vergangenen Wochen oft die Zähne zusammenbeißen, um gut durch die Corona-Krise zu kommen.“

silv

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