Interview mit CDU-MdB Dietrich Monstadt

„Bei mir sind keine Beschwerden von Zahnärzten eingegangen“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Monstadt ist Berichterstatter für die zahnmedizinische Versorgung im Gesundheitsausschuss. Wir sprachen mit ihm über über die Auswirkungen der Corona-Pandemie, den fehlenden Schutzschirm für Zahnärzte und steigende Infektionszahlen.

Herr Monstadt, wie sind das deutsche Gesundheitswesen und die zahnärztliche Versorgung bislang durch die Corona-Pandemie gekommen?

Dietrich Monstadt:

Insgesamt haben wir zu jeder Zeit gemeinsam mit allen Akteuren im Gesundheitswesen die richtigen Entscheidungen getroffen und diese auch vernünftig umgesetzt. Ich denke, dass wir im Vergleich zu anderen Ländern diese Krise gut gemeistert haben. Selbstverständlich ist jeder Erkrankte und jeder Verstorbene einer zuviel. Wenn man sich andere Länder anschaut, ist klar erkennbar, dass es dort in unterschiedlichen Bereichen ganz andere Probleme gibt. Deutschland hat hier sehr schnell gemeinsam vorbeugende Maßnahmen ergriffen. Wir haben sowohl bei den Ärzten, als auch im Pflegebereich ganz andere Kapazitäten. Ich glaube, dass wir auch bei einer Pandemie, die schlimmer ausgefallen wäre, als das jetzt der Fall ist, relativ gut vorbereitet gewesen wären. Engpässe wie in anderen Ländern hätte es hier nach meiner Einschätzung nicht gegeben.

Bei den Zahnärzten habe ich festgestellt – auch im Land Mecklenburg-Vorpommern – dass es am Anfang einige Irritationen gab, weil Zahnärzte durch ihre Tätigkeit stark Aerosolen ausgesetzt sind. Mittlerweile bekam ich vermehrt Rückmeldungen, dass man das relativ schnell und gut in den Griff bekommen hat und die Versorgung nach einem kleinen Herunterfahren jetzt wieder normal läuft. Wenn sich die Situation nicht verschärft, sondern es so wie jetzt bleibt, wird es sich nach meinen Informationen auf einem normalen Stand in diesem Jahr auspendeln.

Die Zahnärzte haben die Versorgung trotz anfangs großer Unsicherheiten während der Pandemie unvermindert aufrechterhalten. Können Sie deren Enttäuschung nachvollziehen, dass der Corona-Schutzschirm der Bundesregierung trotz der Bedeutung der zahnärztlichen Versorgung für die Daseinsvorsorge zwar über Ärzte und andere Gesundheitsberufe aufgespannt wurde, nicht aber über sie?

Wir in der CDU haben uns zusammen mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stark dafür eingesetzt, dass die Zahnärzte auch unter den Rettungsschirm kommen. Gescheitert ist es dann ganz persönlich an SPD-Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der sich mit Hamburger Zahnärzten in Verbindung gesetzt hatte und danach erklärt hat, dass er hier keinen Bedarf sieht. Die SPD hat das verhindert.

Die Enttäuschung vieler Zahnärztinnen und Zahnärzte kann ich natürlich nachvollziehen. Minister Spahn war es aber ebenso wie mir immer wichtig zu betonen, wie groß unsere Wertschätzung für die Arbeit der Zahnärzte ist. Meines Wissens nach sollen die Zahnärztinnen und Zahnärzte noch einen Brief von Spahn erhalten, der über die KZVen verteilt werden soll. Darin möchte er sich noch einmal persönlich bei ihnen für das Engagement und den Einsatz in der Krise bedanken.

Zu DIetrich Monstadt

Dietrich Monstadt, 1957 in Bochum geboren, ist von Haus aus Rechtsanwalt. Seit 1991 lebt und arbeitet er in Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern. Für die CDU ist er seit 2009 im Bundestag. Dort ist er Mitglied im Gesundheitsausschuss und war außerdem Mitglied des Innenausschusses, des Rechtsausschusses und des Gorleben-Untersuchungsausschusses.

Im Gesundheitsausschuss ist er Berichterstatter für die zahnmedizinische Versorgung. Seine Tochter und sein Schwiegersohn sind selbst Zahnärzte.

Monstadt tritt 2021 wieder zur Bundestagswahl an. Im Juli wurde er von der CDU als Direktkandidat für seinen Wahlkreis nominiert. Die Enttäuschung vieler Zahnärztinnen und Zahnärzte kann ich natürlich nachvollziehen. Minister Spahn war es aber ebenso wie mir immer wichtig zu betonen, wie groß unsere Wertschätzung für die Arbeit der Zahnärzte ist. Meines Wissens nach sollen die Zahnärztinnen und Zahnärzte noch einen Brief von Spahn erhalten, der über die KZVen verteilt werden soll. Darin möchte er sich noch einmal persönlich bei ihnen für das Engagement und den Einsatz in der Krise bedanken.

Den Vertragszahnärzten wurde stattdessen eine vollständig zurückzuzahlende Liquiditätshilfe verordnet. Dies stellt allenfalls eine Möglichkeit von zinsfreien Darlehen für Praxen dar. Damit wird die Krise für die Praxen in die Folgejahre verschoben. Wie sehen Sie das?

Zahnärzte mit einer langjährig laufenden Praxis fangen das aus meiner Sicht auf. Wenn eine junge Zahnärztin oder ein junger Zahnarzt erst im vergangenen Herbst seine Praxis eröffnet hat, dann hat sie oder er natürlich noch nicht die Vergleichszahlen. Wen das betrifft, der muss an seine KZV herantreten und es muss eine Lösung gefunden werden. Mir ist aber signalisiert worden, dass dort die Bereitschaft zur Hilfe durchaus besteht. Denn dort wird Selbstverwaltung gelebt und es werden Lösungen gefunden. Bei mir sind jedenfalls keine Beschwerden von Zahnärztinnen und Zahnärzten eingegangen. Dies ist für uns durchaus ein Gradmesser.

Im Kabinettsentwurf zum Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) ist nun geplant, die in der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung vorgesehene Liquiditätshilfe ins SGB V zu überführen. Reicht eine bloße Überführung der Verordnung ins Gesetz? Warum gibt es hier keine rechtssystematische Einheitlichkeit mit der Ärzteschaft?

 ch weiß jetzt nicht, wie Sie rechtssystematische Einheitlichkeit definieren. Jeder Fall ist unterschiedlich zu beurteilen. Wichtig ist doch, dass Zahnärzten geholfen wird. Und bei Zahnärzten geschieht das ja nicht nur durch diese SGB V-Regelung. Sondern auch andere Maßnahmen – wie das Kurzarbeitergeld – haben Zahnärzten zur Verfügung gestanden und stehen zur Verfügung. Diese sind auch in Anspruch genommen worden. Daher wird man schauen müssen, ob noch weitere Korrekturen erforderlich sind. Mir wird in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern berichtet, dass das nicht nötig sein wird, sondern sich übers Jahr ausgleichen wird.

Das kann natürlich erst nach dem letzten Quartal, das gerade erst angefangen hat, bewertet werden.

Aber das ist ja nur der Fall, wenn das Infektionsgeschehen auf einem niedrigen Niveau bleibt. So wie es aber derzeit aussieht, stehen wir am Anfang der zweiten Welle. Die Gefahr, dass es wieder zu massiven Einbrüchen bei den Fallzahlen – sei es flächendeckend oder regional – kommen kann, wächst damit doch deutlich?

Wir haben doch im Moment überall Gefahren in der Versorgung. Da haben die Zahnärzte keine Exklusivstellung. Aber ich darf an die Worte des Bundesgesundheitsministers erinnern, zu denen ich auch nach wie vor stehe: Wenn wir eine zweite Welle bekommen und andere Probleme auftreten, als wir sie jetzt kennen, dann müssen wir uns dieser Situation noch einmal annehmen und uns der Problematik stellen.

Wenn die SPD in einer frühen Phase der Pandemie nicht davon überzeugt werden konnte, den Schutzschirm auch auf Zahnärzte auszudehnen, so wäre es bei einem verstärkten Infektionsgeschehen denkbar, dass wir uns dem noch einmal annehmen. Im Augenblick ist das nach meiner Wahrnehmung nicht erforderlich. Aber das kann sich natürlich jederzeit ändern. Ich hoffe, dass der von Ihnen genannte Fall nicht eintritt.

Die Corona-Pandemie hat die Praxen finanziell teilweise hart getroffen. Drei von vier hatten Kurzarbeit angemeldet. Die Einbrüche im PKV-Bereich waren ebenfalls vielerorts dramatisch. Nachholeffekte gibt es bei Zahnärzten anders als bei anderen Facharztgruppen kaum zu verzeichnen. Gibt es „Lessons Learned“ seitens der Politik, um erneute Einbrüchezu verhindern?

Letztendlich entscheidet immer der Patient, ob er in die Praxis geht oder nicht. Und der Arzt entscheidet, ob er die Praxis öffnet oder nicht. Mir wird signalisiert, dass die Umsatzanteile bei der GKV und der PKV aktuell so sind, wie sie vor der Pandemie waren. Andere Umsatzzahlen liegen mir nicht vor. Die Bewältigung der Krise ist für alle Berufe im Gesundheitswesen ein dynamischer Prozess. Wenn eine Dynamik in der Belastung festgestellt wird, dann muss das auch zu einer Dynamik in der Hilfestellung führen.

Sehen Sie die Gefahr, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie zum einen viele junge Zahnärztinnen und Zahnärzte von einer Niederlassung abhalten könnten und zum anderen viele ältere Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu bewegen könnten, ihre Praxen früher aufzugeben als geplant?

Das kann ich schlicht nicht beurteilen. Da wird es sicherlich solche Fälle geben, aber ich hoffe, das sind nur Einzelfälle. Aber wenn sich eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt entscheidet aufzuhören, wäre die Entscheidung sowieso über kurz oder lang angefallen. Klar ist, wir müssen an den zahnmedizinischen Fakultäten intensiv ausbilden. Wir haben zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern in Rostock und Greifswald zwei zahnmedizinische Fakultäten. Dadurch sind wir in der Lage, den Bedarf, den wir in unserem Bundesland haben, abzudecken. Aus meiner Sicht scheint mir eine Zahnarztpraxis im ländlichen Bereich durchaus attraktiv zu sein. Im Augenblick kann ich jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten daher nur den Hinweis geben, dass die Einkommenssituation im ländlichen Bereich zumindest nicht schlechter ist als im urbanen Bereich, wo man mit vielen MVZ und Fachpraxen konkurriert.

Welche Aspekte der zahnärztlichen Versorgung sehen Sie als zahnärztlicher Berichterstatter im Bundestagsgesundheitsausschuss durch die Corona-Pandemie in den Hintergrund gerückt? Stichwort Prävention.

Wir wollen noch ein zweites Präventionsgesetz auf den Weg bringen. Das Gesetzgebungsverfahren ist durch die Corona-Belastungen erstmal nach hinten gerückt. Ob dieses Vorhaben in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob die laufenden Gesetzgebungsverfahren wie geplant vorankommen. Das muss man dann bewerten, wenn die Umsetzung der angesprochenen Gesetzgebungsverfahren eingeordnet werden kann. Klar ist, das Vorhaben soll umgesetzt werden. Wenn nicht mehr in dieser Legislatur, dann in der kommenden.

Herr Monstadt, wir bedanken uns für das Gespräch.

Das Gespräch führte Sascha Rudat.

Stellungnahme von MdB Dr. Wieland Schinnenburg zum Interview in den zm 20/2020, mit Dietrich Monstadt (MdB-CDU/CSU) Einfach nur dreist

Stellungnahme von MdB Dr. Wieland Schinnenburg zum Interview in den zm 20/2020, mit Dietrich Monstadt (MdB-CDU/CSU)

Einfach nur dreist

Direkt nach der Lektüre des Interviews mit dem „zahnärztlichen Berichterstatter“ musste ich erstmal nach Luft schnappen. Ich hätte nie gedacht, dass ein Bundestagsabgeordneter der Union sich so äußert.

Schon die Überschrift „Bei mir sind keine Beschwerden von Zahnärzten eingegangen“ ist bezeichnend: Für einen „zahnärztlichen Berichterstatter“ war es in den letzten Monaten unmöglich, von Beschwerden von Zahnärzten nichts mitzubekommen. Es waren auch nicht nur Beschwerden, es waren Hilferufe – nicht nur wegen Umsatzeinbrüchen, sondern auch weil es mangels Schutzausrüstung kaum noch möglich war, Patienten zu behandeln, also das zu tun, weswegen man studiert hat. Zu behaupten, davon habe man nichts gehört, ist – dreist.

Dann wird Olaf Scholz verantwortlich gemacht, dass die Zahnärzte (übrigens auch die Physiotherapeuten etc.) so viel schlechter behandelt werden als die Humanmediziner. Natürlich hat Herr Scholz da blockiert. Aber Herr Monstadt und seine Fraktion waren es, die einem Gesetz zugestimmt haben, in dem die Zahnärzte nicht berücksichtigt wurden. Nur so kam Herr Scholz in die Lage, die spätere Verordnung zu blockieren. Die Wahrheit kommt zwei Spalten später ans Licht: Herr Monstadt teilt mit, dass eine Ausdehnung des Schutzschirms auf Zahnärzte „im Augenblick … nach meiner Wahrnehmung nicht erforderlich“ ist. Kurz: Herr Monstadt sieht gar kein Bedürfnis, die Zahnärzte gleich zu behandeln.

Und wie steht er zu den Folgen? „Zahnärzte mit einer langjährig laufenden Praxis“ sollen an ihre Ersparnisse gehen, junge Zahnärzte sollen sich an die KZV wenden. Er erkennt also die existentielle Gefahr für junge Praxen und damit für die Versorgung der Patienten – aber regeln soll das die Selbstverwaltung, deren Argumente nicht gehört wurden.

Herr Monstadt schafft es auf zwei Seiten, einer schlechten Regelung eine katastrophale Kommentierung hinterher zu schieben.

Dr. Wieland Schinnenburg

Mitglied des Deutschen Bundestags

Güntherstraße 94, 22087 Hamburg

19. Oktober 2020

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