Interview mit den Praxisinhaberinnen Lea Florentine Wüsthoff und Sarah Kühn

„Corona hat uns zusammengeschweißt“

Viele niedergelassene Zahnärzte und Zahnärztinnen stecken zurzeit in einem Wechselbad der Gefühle, das von Existenzangst bis Zuversicht reicht. Die beiden Zahnärztinnen Lea Florentine Wüsthoff und Sarah Kühn, die zusammen seit 2019 eine Gemeinschaftspraxis in Ludwigshafen betreiben, erzählen, wie es ihnen ergangen ist.

Wie haben Sie in den ersten Wochen auf die Folgen der Corona-Pandemie reagiert?

Lea Wüsthoff:

Uns war schnell klar, dass wir Entscheidungen für die Praxis erst einmal nur von Tag zu Tag treffen können. Das haben wir dann auch ganz bewusst gemacht und uns dadurch nicht so als Getriebene gefühlt. Für unsere Mitarbeiterinnen waren diese superkurzen Entscheidungszyklen schwer auszuhalten. Sie hatten Sorge um ihre Jobs, vor allem, als wir im April zwei Wochen in Notbetrieb gegangen sind und dann auch Kurzarbeit angemeldet haben. Dem Team gegenüber waren wir besonders transparent und haben jede Entscheidung erklärt. Wir haben auch mit jeder Mitarbeiterin ausgerechnet, wieviel sie bei Kurzarbeit netto verdient.

Wie waren diese Wochen für Sie als Inhaberinnen?

Sarah Kühn:

Die Ungewissheit, wie es weitergeht, war auch für uns beängstigend. Wir haben die Praxis erst 2019 übernommen und haben dementsprechend keinen finanziellen Puffer. Klare Aussagen darüber, welche Behandlungen erlaubt sind und welche nicht, hätten uns geholfen. Aber für Kammer und KZV war Corona natürlich auch eine ganz neue Situation.

Wie geht es Ihnen jetzt?

Lea Wüsthoff:

Als klar war, dass es keine verbindliche Unterstützung für Zahnärzte geben wird, haben wir uns gesagt: Wir sind Selbstständige. Dann handeln wir jetzt auch voll und ganz eigenverantwortlich und nehmen unser Schicksal selbst in die Hand. Seit die Lockerungen in Kraft sind, befinden wir uns wieder im Normalbetrieb und machen alle Behandlungen, auch Professionelle Zahnreinigungen, ästhetische Behandlungen oder Zahnersatz. Wir lassen unseren Kredit wie geplant laufen und sind auch sonst zuversichtlich.

In der Praxis herrscht also gute Stimmung?

Sarah Kühn:

Auf jeden Fall. Nach anfänglicher Unsicherheit und Panik, kehrt nun wieder Normalität ein: Die Patienten kommen zurück und dem Team geht es besser als zuvor. Corona hat uns zusammengeschweißt. Ich würde fast sagen, wir gehen gestärkt aus der Krise hervor.

Wie haben Sie die Zwangspause für die Praxis genutzt?

Lea Wüsthoff:

Zum einen, um sie vom Dachboden bis zum Keller zu entrümpeln und aufzuräumen. Außerdem haben wir Fortbildungen und Teambuilding gemacht. Uns war zum Beispiel wichtig, dass in Sachen Corona alle im Team auf dem gleichen fachlichen Stand sind. Es gab daher regelmäßig E-Mails und Webinare zur Pandemie, die Pflicht waren. Anfangs hatten nämlich auch unsere Mitarbeiterinnen Angst davor, sich anzustecken. Dem konnten wir erfolgreich mit Fakten entgegenwirken. Außerdem haben wir Fortbildungen zu neuen Behandlungen, Praxisprozessen oder Qualitätsmanagement gemacht. Wir haben viele Abläufe optimiert. Das Team hat sich beispielsweise mit unserem Intraoral-Scanner vertraut gemacht. Den können jetzt alle bedienen.

Wie haben Sie den Kontakt zu Ihren Patienten gehalten?

Sarah Kühn:

Wir waren noch stärker in den sozialen Medien aktiv. Vor allem auf Facebook und Instagram. Dafür haben wir von Patienten auch schon vor der Krise tolles Feedback bekommen. Zusätzlich haben wir jeden Patienten, dessen Termin bevorstand, persönlich angerufen und über die aktuelle Lage informiert.

Sie haben auch Videosprechstunden angeboten. Was wurde gefragt?

Lea Wüsthoff:

Kann ich mit einem abgebrochenen Zahn in die Praxis kommen? Wie kann ich mit einer rausgefallenen Krone die Zeit bis zum Regelbetrieb überbrücken, solange ich keine Schmerzen habe? Das sind Beispiele für Fragen, die uns die Patienten gestellt haben.

Wie hat die Beratung funktioniert?

Sarah Kühn:

Gut – sofern die Beschwerden nicht mit Schmerzen verbunden und bis zu einem Termin in der Praxis mit Hausmitteln aus dem Weg geschafft werden konnten. Wir haben zum Beispiel erklärt, wie man eine provisorische Krone mit etwas Zahnpasta wiederbefestigen kann. Wenn ein Problem Schmerzen verursacht hat, war allerdings weitere Diagnostik wie Röntgen in der Praxis notwendig. Die Videosprechstunde war so etwas wie eine Erste-Hilfe-Maßnahme, die aber Diagnose und Beratung vor Ort nicht ersetzen kann. Für uns hatte das den Vorteil, dass wir leichter einschätzen konnten, ob eine Behandlung sofort notwendig ist oder aufgeschoben werden kann.

Details zur Praxis

  • Gründungsdatum: 1.4.2019 

  • Größe: 200 qm

  • Schwerpunkte: Ästhethische Zahnheilkunde, Implantologie, CEREC

  • Mitarbeiter: 6 ZFA, 2 Zahnärztinnen

Man stößt damit relativ schnell an seine Grenzen. Während des Lockdowns haben wir diese Videosprechstunde als ein klares Service-Tool gesehen, um trotz der Einschränkungen für unsere Patienten da zu sein. Aber: Wenn der Patient im aktuellen Quartal nicht zufällig schon bei uns gewesen war, konnten wir diese Leistung nicht abrechnen. Es existiert dafür noch keine Position. Solange die nicht vorliegt, ist das Angebot absolut unwirtschaftlich.

Jetzt können die Patienten wieder normal in die Praxis kommen. Wie laufen die Termine ab?

Lea Wüsthoff:

Am Eingang informiert ein Aushang die Patienten darüber, wann sie die Praxis bitte nicht betreten sollen. Etwa, wenn sie krank sind oder Kontakt zu einer infizierten Person hatten. In unseren Räumen achten wir darauf, dass sich die Patienten nicht begegnen. Vom Empfang, der mit einem Spuckschutz und einer Station für Handdesinfektion ausgestattet ist, geht es sofort ins Behandlungszimmer. Ins Wartezimmer dürfen maximal zwei Personen, mit einem Abstand von sechs Metern. Zurzeit bieten wir keine Zeitschriften und Getränke an, aber dafür einen WLAN-Code. Weitere Patienten müssen draußen warten.

Wir tragen Schutzausrüstung und Visiere und haben den Smalltalk während der Behandlung eingestellt – was sonst so gar nicht unsere Art ist. Gesprochen wird nur, wenn es um zahnmedizinische Aufklärung geht. Wenn die Patienten die Praxis verlassen, werden nicht nur wie sonst die Behandlungsräume desinfiziert, sondern auch Empfang, Türklinken und der Handlauf im Treppenhaus.

Was sind Ihre Pläne für die kommenden Wochen und Monate?

Sarah Kühn:

Wir warten nicht ab. Wir rufen jeden einzelnen Patienten an und erklären, dass wir wieder normal behandeln. Bei Bedarf klären wir über Corona auf und wie wir sie schützen und dass das Risiko eines Praxisbesuchs nicht größer ist, als bei OBI an der Kasse zu stehen. Wir überlassen es den Patienten, ob sie in die Praxis kommen möchten. Das gilt natürlich nicht für Risikopatienten mit COPD oder Herzerkrankungen. Denen raten wir, dass sie erst einmal abwarten sollen, sofern sie keine Beschwerden haben.

Welche Folgen sehen Sie mittel- und langfristig für Ihre Praxis?

Lea Wüsthoff:

Eigentlich keine. Menschen werden immer Zahnärzte und Zahnärztinnen brauchen. Dass niemand mehr zu uns in die Praxis kommt, ist unrealistisch – und bestätigt sich auch jetzt schon nicht. Fast alle unsere Patienten wollen einen Termin haben. Alles in allem glaube ich nicht, dass wir in zehn Jahren mit Schrecken auf Corona zurückblicken werden. Für uns geht es jetzt weiter. Wir blicken positiv in die Zukunft.

Die Fragen stellte Susanne Theisen.

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