Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

Cheffing – die Führung von unten

Christian Henrici
„Cheffing“ – so nennt man die Führung von unten. Warum Mitarbeiter selbst entscheiden, kann unterschiedliche Gründe haben: schlechte bis fehlende Kommunikation, eine unklare Aufgabenverteilung oder geringe Führungskompetenzen des Chefs.

Einflüsse aus der Umwelt verändern auch Bereiche in der Praxis und im Team. So haben gesellschaftliche Diskussionen zur Nachhaltigkeit, zu veganer Ernährung oder zur Mobilität immer Auswirkungen auf das Team, die Patienten und den Inhaber. Diese Themen sind plötzlich da, ohne dass man dafür einen konkreten Zeitpunkt festmachen kann. Wenn sich „Grundwerte“ wandeln und die Stimmung zu gewissen Positionen kippt, sind ein feines Gespür und ein Bewusstsein dafür wichtig. Die Corona-Pandemie hat einen solchen Impuls von außen gesetzt. Werte sind dabei, sich zu verändern oder anzupassen. Man merkt dies am Verhalten: keine automatische Umarmung mehr, der Abstand wird bestmöglich gehalten, Masken werden getragen.

Mit diesem geänderten Verhalten spielen sich neue Muster ein, wo jeder seinen Weg in der Zusammenarbeit sucht. Das, was Sie in Ihrer E-Mail beschrieben haben, nennt man „Cheffing“ – Führung von unten. Den Auslöser hierfür habe ich beschrieben. Warum Mitarbeiter selbst entscheiden, kann unterschiedliche Gründe haben. Zum einem schlechte bis fehlende Kommunikation, eine unklare Aufgabenverteilung oder geringe Führungskompetenzen des Chefs. Dass das Thema Mitarbeiterführung im Zahnmedizinstudium komplett fehlt, trägt erschwerend dazu bei.

Zum anderen tritt Cheffing auf, wenn die Zeit fehlt, bestimmte Dinge mit dem Chef zu besprechen und/oder zu entscheiden. Dann entscheiden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halt oft einfach selbst. Wenn Sie beispielsweise aus nachvollziehbaren Gründen (während der Corona-Zeit) die Teambesprechung abgeschafft haben, findet sich oft ein anderer Weg dafür. Bestenfalls kann das gut funktionieren. Aber es kann auch negative Folgen haben. Zum Beispiel kann der Mitarbeiter, der Cheffing betreibt, Unmut und auch Neid seiner Kollegen auf sich ziehen. Unruhe und Irritation in der Praxis lassen nicht lange auf sich warten. Und zu guter Letzt bringt man seinen Vorgesetzten gegen sich auf.

So ziehen Sie die Reißleine!

Wie vermeidet man Cheffing also? Die klassischen, „reinen“ Führungsstile sind geprägt von Autorität, Kooperation und Laisser-faire (siehe Kasten). Welchen Führungsstil verfolgen Sie in ihrer Praxis? Wahrscheinlich besteht – das ist bei den meisten Personen in leitenden Positionen der Fall – auch Ihre Führung aus einem Mix.

Machen Sie sich zuerst klar, welche Ziele Sie mit Ihrer Praxis und Ihrem Team verfolgen. Welche Aufgaben fallen im Alltag an? Welche Dinge entscheiden Sie tatsächlich selbst, welche werden von Mitarbeitern getragen?

Und dann können Sie in der Praxis so vorgehen:

1. Teilen Sie Zuständigkeiten ein. Wenn in einer Praxis Aufgaben verteilt worden sind, erwartet man ein gewisses Maß an selbstständigen Ausführungen, Umsetzungen und Entscheidungen.

2. Wichtig ist, dass dem Team ganz genau bekannt ist, welche Ziele Sie als Praxisinhaber und welche Erwartungen Sie an das Team haben. Dies muss offen kommuniziert werden.

3. Regelmäßige Rückmeldungen oder auch Rückfragen an den Zuständigen helfen Ihnen, immer auf dem Laufenden zu sein.

4. Dokumentieren Sie! Beispielsweise die Teambesprechung per Protokoll. So wird schriftlich festgehalten, wer sich bis wann worum zu kümmern hat. Die Kontrolle erfolgt dann in der nächsten Teambesprechung, wo das vorherige Protokoll hinzugenommen wird und die verteilten Aufgaben überprüft werden.

5. Teilen Sie Ihr Know-how und verschaffen Sie Ihren Mitarbeitern entsprechendes Wissen, damit die Zuständigen den zugeteilten Bereich mit bestem Gewissen betreuen. Sofern dies nicht der Fall ist, bieten Sie Unterstützung an.

6. Regelmäßige Besprechungen müssen sein, damit Sie immer auf dem Laufenden sind. Fordern Sie auch Rückmeldungen ein. So haben Sie klar definiert, wann Sie zusätzlich informiert werden möchten. Dies muss nicht immer öffentlich in den Teamsitzungen stattfinden, sondern kann auch in Einzelgesprächen thematisiert werden.

Sie sehen, es geschieht quasi überall, wo Menschen zusammenkommen, dass Regeln verändert werden, wenn man den Rahmen nicht klar miteinander aushandelt. Die hinter uns liegende Zeit war einschneidend und hat die Menschen zum Teil verändert. Sprechen Sie mit Ihrem Team und befolgen Sie die übermittelten Regeln.

In diesem Sinne ...                      

Ihr Christian Henrici

Henrici@opti-hc.de, www.opti-hc.de

Die drei klassischen Führungsstile

  • Autoritär:Die klare Trennung von Vorgesetztem und Mitarbeiter. Der Vorgesetzte entscheidet und verteilt Aufgaben, die Mitarbeiter führen aus. Ein distanziertes Verhältnis zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter ist die Folge. Wenn Fehler vorkommen, werden diese bestraft und keine Hilfe angeboten.

  • Kooperativ:Die Mitarbeiter werden in den Entscheidungsprozess mit eingebunden. Eine Delegation von Aufgaben ist möglich. Eine Fremdkontrolle wird (in einigen Bereichen) durch Eigenkontrolle ersetzt. Bei Fehlern wird Hilfe angeboten und der Fehler wird nicht bestraft. Der Vorteil dieses Führungsstils ist das bessere Verständnis der Zusammenhänge und die Motivation der Mitarbeiter.

  • Laisser-faire:Dies ist eigentlich kein richtiger Führungsstil. Hierbei lässt man den Mitarbeitern komplette oder weitgehende Freiheit. Die Kontrolle wird dann jedem selbst oder der Gruppe überlassen. Bei dieser Art der Führung wird versucht, die Motivation durch Freiheiten zu stärken. Das kann aber nur funktionieren, wenn die Mitarbeiter auch sehr selbstständig arbeiten können. Bei unreifen oder auch überforderten Mitarbeitern kann es dazu führen, dass mangelnde Disziplin und auch Unordnung und Chaos entstehen. Fehler werden weder bestraft noch wird Hilfe angeboten. Beim Vorgesetzten herrscht im Wesentlichen Gleichgültigkeit.

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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