Selbstbewusst, nicht trotzig
Anfang Juli fand die 8. Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) statt – Pandemie-bedingt per Videokonferenz. Es war die erste VV seit Beginn der Corona-Krise. Klar, dass die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen im Mittelpunkt der Versammlung standen. Neben den praktischen Fragen war es vor allem die Ungleichbehandlung der Zahnärzteschaft gegenüber anderen Berufen im Gesundheitswesen, die die Delegierten bewegte.
Es hatte sich viel aufgestaut in den vergangenen Monaten, was sich am Diskussionsbedarf zeigte. Dass man von Teilen der Politik und den Krankenkassen attestiert bekommen hatte, nicht systemrelevant zu sein, hat bei vielen Zahnärztinnen und Zahnärzten tiefe Enttäuschung, wenn nicht gar Verbitterung ausgelöst. Hatten sie doch trotz massiver Schwierigkeiten die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland aufrechterhalten und ihre Patientinnen und Patienten nicht im Stich gelassen. Von den allermeisten Patienten wird diese Leistung im Übrigen in vollem Umfang anerkannt. Die fehlende Anerkennung der Systemrelevanz durch die Politik hatte – neben den finanziellen Auswirkungen – auch weitere Folgen. Stichwort Kinderbetreuung, die bei vielen Zahnärztinnen und Zahnärzten nicht gesichert war.
Umso wichtiger ist das Signal, das von der beschlossenen Resolution „Wir sind systemrelevant!“, ausgeht. Es ist das Statement eines Berufsstands, der sich seiner eigenen Leistungen bewusst ist und für diese einsteht. Diese Haltung kam in der Aussage eines Delegierten zum Tragen, der darauf verwies, dass die Zahnärzteschaft die Krise selbst gemanagt habe – als Selbstständige und Freiberufler. Eine Leistung, auf die zu Recht mit Stolz verwiesen werden darf.
Aber es mischten sich auch selbstkritische Töne in die Diskussion. So wurde die Frage aufgeworfen, wie es sein kann, dass tradierte Klischees über die Zahnärzteschaft offenbar immer noch eine solche Tragkraft haben, dass sie politische Verantwortliche dazu bewegen können, auf deren Grundlage weitreichende und folgenschwere Entscheidungen zu treffen. Ziel wird es sein müssen, sich diesen Klischees selbstbewusst und nicht trotzig entgegenzustellen. Das geht am besten durch faktenorientiertes Herausstellen der eigenen Leistungen.
Dass valide Zahlengrundlagen dafür eine gute Basis sind, liegt auf der Hand. Daher ist es ein positives Signal, dass bei der VV beschlossen wurde, das Zahnärzte-Praxis-Panel (ZäPP) bis 2022 sicherzustellen. An der aktuellen zweiten Erhebung nehmen rund zehn Prozent der Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte teil. Damit wird eine wertvolle Grundlage erreicht für den Austausch mit Politik und Krankenkassen.
Eine notwendige Klarstellung in Form eines Positionspapiers hat die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zum Thema Intraoralscan veröffentlicht. Darin wird verdeutlicht, dass ein Intraoralscan Teil der zahnmedizinischen Behandlung ist. Eine korrekte Ausführung setze zwingend zahnmedizinische Fachkenntnisse voraus, über die Laien nicht verfügen. Diese Klarstellung ist vor dem Hintergrund eines Urteils des Landgerichts Düsseldorf und seiner Bestätigung durch das entsprechende Oberlandesgericht auch bitter nötig. Gehen die Richter doch von der etwas schlichten Annahme aus, dass es sich beim Intraoralscan lediglich um Videoaufnahmen handelt, die quasi jedermann durchführen kann.
Hintergrund ist, dass einige Internet-Aligneranbieter ein Geschäftsmodell etablieren wollen, bei dem neben eigenen Alignershops weitere Vertriebsstandorte bei geeigneten Partnern aufgebaut werden. Angedacht sind beispielsweise Apotheken. Dabei soll nach dem Willen der Anbieter die Datenerhebung der Gebissanatomien mit einem Intraoralscan auch durch Nichtzahnärzte erfolgen, etwa durch Mitarbeiter einer Apotheke. Dass dies für die Patienten gefährlich werden kann, zeigen erste Beispiele.
Wie sehr sich der Markt versucht seinen Weg zu bahnen, zeigen auch die jüngsten von der KZBV veröffentlichten Zahlen zum Thema MVZ. Danach hat sich die Zahl der Investoren-getragenen MVZ (I-MVZ) von zehn im Jahr 2015 auf nunmehr über 200 erhöht. Mindestens zwölf Groß- und Finanzinvestoren mit einem weltweiten Gesamtinvestitionsvolumen von etwa 94 Milliarden Euro (!) drängen auf den deutschen Markt. Eine Entwicklung, die es sehr genau im Auge zu behalten und zu thematisieren gilt, denn die damit einhergehenden Umwälzungen könnten für die deutsche Zahnärzteschaft fatal sein.
Es gibt also einiges zu tun.
Sascha Rudat
Chefredakteur