So bleiben die erhofften Verbesserungen auf der Strecke
Am 7. Juni 2019 verabschiedete der Bundesrat die Verordnung zur Neuregelung der ZApprO. Das war ein wichtiger und entscheidender Schritt, um die zahnärztliche Ausbildung weiter zu verbessern und mit der Humanmedizin zu vernetzen.
Die erforderliche grundlegende Umstrukturierung und Modernisierung des Studiums mit dem Neuaufbau zahlreicher Lehrveranstaltungen setzt jedoch in der Regel eine langfristige detaillierte Planung für die Umsetzung voraus. Der Zeitplan hierfür ist allerdings politisch sehr ambitioniert, in Kraft treten wird diese Verordnung bereits zum 1. Oktober 2020 für die Studienanfänger. Bereits zum Sommersemester 2021 soll sie auch im klinischen Studium umgesetzt werden. Durch diese parallele Implementierung sowohl bei den Studienanfängern als auch im klinischen Studium entstehen komplizierte Übergangsregelungen. Diese gehen vor allem zulasten der Studierenden, die dann unter anderem vier staatliche Prüfungen in ihrem Studium haben werden.
Was bedeutet dies für die einzelnen universitären Standorte und Länder? Da es in der Regel ein Semester dauert, bis der Beschluss eines neuen Studienplans die verschiedenen universitären Gremien durchlaufen hat, verbleibt den Standorten nur der Zeitraum bis zum Frühjahr 2020, dies alles beschlussreif zu entwickeln. Hier müssen neue Lehrformen eingeführt, die Querschnittsbereiche mit der Medizin definiert und organisiert, eine patientenzentrierte Struktur für die integrierten Behandlungskurse entwickelt werden, und nicht zuletzt soll die gesamte präklinische Phantomausbildung umstrukturiert werden mit eigenen Kursen für alle zahnmedizinischen Fachgebiete, um nur einige der Aufgaben zu nennen.
Selbst die Finanzierung ist noch offen
Dies alles wäre selbst unter genau definierten Rahmenbedingen eine Herkulesaufgabe. Leider wurden vom Bund und zum Teil auch von den Ländern diese Rahmenbedingungen noch nicht geschaffen. Im Gegenteil, es ist noch alles offen. Derzeit liegt weder ein Plan für eine Finanzierung vor, noch wurde der Gesamtumfang der Lehrveranstaltungen im Zahnmedizinstudium abschließend definiert. Somit fehlen gegenwärtig immer noch Schlüsselvoraussetzungen, um überhaupt einen validen Studienplan für ein neues Zahnmedizinstudium zu erstellen. Was auf den ersten Blick eine große Chance zur stetigen Verbesserung der zahnmedizinischen Ausbildung zu sein schien, ist mit den aktuellen Gegebenheiten in dieser Form noch gar nicht umsetzbar.
Es ist so, als ob ein Restaurant in kürzester Zeit neu eingerichtet und ausgestattet werden soll, ohne dass man die Raumgröße, die Zahl der Gäste und Mitarbeiter und das zur Verfügung stehende Kapital kennt. Lediglich die einzelnen Menügänge sind oberflächlich beschrieben. Klingt nach Imbissbude. Ist das unser Anspruch an die Ausbildung eines künftigen Zahnarztes?
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung fand zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch am 6. Dezember in Frankfurt ein Workshop des Arbeitskreises für die Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ) und des Ausschusses Zahnmedizin der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) zur Einführung der neuen ZApprO statt, der durch die Vereinigung der Hochschullehrer Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK) unterstützt wurde. Die TeilnehmerInnen kamen aus fast allen Standorten mit zahnmedizinischer Ausbildung, ebenso waren je ein Vertreter vom Bundesverband der Zahnmedizinstudierenden und der Bundeszahnärztekammer anwesend.
Die Diskussion zeigte nochmals standortübergreifend, dass die Entwicklung eines Studienplans auf Basis der neuen Approbationsordnung eine enorme Herausforderung ist – bislang wurde weder der zeitliche und personelle Umfang der in der ZApprO vorgesehenen Lehre präzisiert noch die absolut notwendige substanzielle Finanzierung der darin festgelegten Veränderungen geklärt. Neben vielen Ideen und Informationen zur inhaltlichen und strukturellen Umsetzung der geplanten integrierten Phantom- und Behandlungskurse und der neuen fächerübergreifenden Querschnittsbereiche beschäftigte sich ein nicht unerheblicher Teil der Debatte mit den Optionen für das Szenario, dass die notwendige Finanzierung durch Bund und Länder politisch nicht umgesetzt wird. Dass dies keine hypothetische Überlegung war, bestätigte sich bereits kurz nach dem Treffen.
So ist die Verbesserung der Ausbildung in Gefahr
So beschäftigt sich der Ausschuss für das zentrale Verfahren – Angelegenheiten des Kapazitätsrechts (AZV-KAP) der Stiftung für Hochschulzulassung (SfH) – mit der Festsetzung eines neuen Curricularnormwerts (CNW) für die Zahnmedizin, der den Umfang des gesamten Lehraufwands definiert und die Basis für die Finanzierung der Fakultäten darstellt. Die Universitäten wurden am 9. Dezember aufgefordert, bis Anfang Januar eine Stellungnahme zu einem bereits politisch und finanziell adaptierten Entwurf eines Beispielstudienplans zu geben. Dieser Beispielstudienplan ignorierte die Vorschläge des Medizinischen Fakultätentages (MFT), der Vereinigung aller Medizinischen Fakultäten in Deutschland. So wurde die geforderte Gleichbehandlung der Praktika in der Medizin und Zahnmedizin wieder zurückgenommen.
Wie kann eine sinnhafte Begründung dafür lauten, dass Studierende der Medizin und auch der Zahnmedizin im Praktikum der Chemie, der Physik oder der Anatomie eine fast doppelt so hohe Betreuung benötigen wie in einem Phantomkurs der Zahnmedizin, bei dem sie an einer komplexen Simulationseinheit diagnostische und therapeutische Maßnahmen erlernen, die sie im folgenden Semester am Patienten durchführen sollen? Eine Angleichung dieser Betreuungsrelationen muss zentraler Bestandteil dieser Reform bleiben!
Der Entwurf des AZV-KAP zeigt, dass gegenwärtig von politischer Seite alle Wege genutzt werden, um die Implementierung der neuen ZApprO möglichst ohne die notwendigen Mehrkosten durchzusetzen. Aktuell wird an den Universitäten ein gut ausgebildeter, „berufsfähiger“ Zahnarzt ins Berufsleben entlassen. Eine fehlende Finanzierung oder reduzierte personelle Ausstattung führt unter den neuen gesetzlichen Vorgaben absehbar entweder zu einer gravierenden Reduktion der klinischen Behandlung am Patienten und der gewünschten allgemeinmedizinischen Ausweitung der Lehrinhalte oder geht zulasten der Ausbildungsplätze und der Studierendenzahlen. Zumindest im ersten Fall wäre damit der Sinn der Modernisierung der ZApprO infrage gestellt. Sollte mit Einführung der neuen ZApprO die Zahl der Studienplätze gesenkt werden müssen, wäre das angesichts des vielerorts fehlenden Nachwuchses ebenfalls das falsche Signal.
Aktuell steht zu befürchten, dass eine adäquate Finanzierung der mit der neuen ZApprO verbundenen Maßnahmen nicht gelingt. Vor diesem Hintergrund muss man leider über mögliche Maßnahmen zum Widerstand gegen eine nicht umsetzbare ZApprO nachdenken. Eine besorgniserregende Situation, hoffen doch die gesamte Zahnärzteschaft und die Studierenden auf eine Chance zur Verbesserung der Ausbildung.
PD Dr. Yvonne Wagner, Vizevorsitzende Arbeitskreis für die Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ), Spezialistin für Kinder- und Jugendzahnheilkunde (DGKiZ),Sektion Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde, Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Jena, Yvonne.Wagner@med.uni-Jena.de
PD Dr. med. dent. Alexander Rahman, MME, Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und Präventive Zahnheilkunde, rahman.alexander@mh-hannover.de
Prof. Dr. Dr. Norbert Krämer, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Gießen; Poliklinik für Kinderzahnheilkunde, norbert.kraemer@dentist.med.uni-giessen.de
Prof. Dr. Petra Hahn, Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, petra.hahn@uniklinik-freiburg.de
Prof. Dr. Elmar Hellwig, Ärztlicher Direktor, Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie, Freiburg, elmar.hellwig@uniklinik-freiburg.de
Dr. Andreas Söhnel, Vorsitzender Ausschuss Zahnmedizin der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA); Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Alterszahnheilkunde und medizinische Werkstoffkunde, Greifswald
Dr. Michael Frank, Präsident der European Regional Organisation (ERO) der World Dental Association (FDI); Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, Frankfurt am Main
PD Dr. Dipl.-Psych. Volkhard Fischer, Studiendekanat, Bereich Evaluation & Kapazität, Medizinische Hochschule Hannover, fischer.volkhard@mh-hannover.de
Prof. Dr. Dr. Dr. Robert Sader, Präsident Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (VHZMK); Klinik für Mund-, Kiefer-, Plastische Gesichtschirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt
Prof. Dr. Hans-Jürgen Wenz, Vorsitzender Arbeitskreis für die Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ); Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Propädeutik und Werkstoffkunde, Medizinische Fakultät der Christian-Albrechts Universität zu Kiel, hjwenz@proth.uni-kiel.de
Das neue Zahnmedizinstudium
Zukünftig wird sich das Zahnmedizinstudium in drei Abschnitte gliedern, beginnend mit einer viersemestrigen präklinischen Ausbildung zu naturwissenschaftlichen und theoretischen Grundlagen, danach kommt ein zweisemestriger Abschnitt mit standardisierten zahnmedizinischen Behandlungssituationen am Phantom und einem folgenden viersemestrigen, vorrangig klinisch geprägten Abschnitt mit integrierten Kursen am Patienten.
Statt Naturwissenschaftlicher Vorprüfung, Zahnärztlicher Vorprüfung und Zahnärztlicher Prüfung wird es drei Abschnitte der Zahnärztlichen Prüfung geben. Zusätzlich zum Studium müssen die Studierenden eine Ausbildung in Erster Hilfe, einen einmonatigen Krankenpflegedienst und eine vierwöchige Famulatur nachweisen. In den ersten vier Semestern bleiben die klassischen Naturwissenschaften und medizinischen Grundlagenfächer vorerst unverändert; zwei bisher eher zahntechnisch orientierte Kurse der Zahnärztlichen Prothetik werden durch zwei im Umfang deutlich kleinere Propädeutische Praktika mit Schwerpunkt „Dentale Technologie“ beziehungsweise Schwerpunkt „Präventive Zahnheilkunde“ ersetzt.
Im 5. und im 6. Semester finden die Praktika der Zahnerhaltungskunde am Phantom, der zahnärztlichen Prothetik am Phantom, der kieferorthopädischen Propädeutik und Prophylaxe sowie der zahnärztlich-chirurgischen Propädeutik und Notfallmedizin statt. Zu den Pflichtveranstaltungen vom 7. bis zum 10.Semester zählen die bisherigen Fächer Pharmakologie und Toxikologie, Pathologie, Innere Medizin, Hygiene, Mikrobiologie und Virologie, Dermatologie und Allergologie, die durch acht Querschnittsbereiche wie Medizin und Zahnmedizin des Alterns, Gesundheitswissenschaften und Wissenschaftliches Arbeiten sowie ein Wahlfach ergänzt werden. Der integrierte klinische zahnmedizinische Unterricht am Patienten wird in den Praktika der Klinik und Poliklinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, der zahnmedizinischen Diagnostik und Behandlungsplanung, der kieferorthopädischen Diagnostik und Therapie, der Operationskurse, der integrierten Behandlungskurse I bis IV und der Radiologie durchgeführt.
Außerdem soll das Betreuungsverhältnis in den Praktika auf 1:15, beim Unterricht am Patienten auf 1:6 und bei der Behandlung am Patienten auf 1:3 verändert werden. Zusätzlich werden neue Unterrichtsformen wie Kleingruppenseminare und Tutorien eingeführt. Ziel dieser Umstrukturierung ist die Neugewichtung der Ausbildungsinhalte und Vernetzung der Fächer mit einer besseren Abbildung von Allgemeinerkrankungen und klinischer Ausbildung am Patienten.
Auch im Prüfungswesen gibt es wesentliche Veränderungen: Neben den bekannten praktischen Prüfungen am Phantom und am Patienten ist die Erarbeitung strukturierter mündlicher Prüfungen mit Musterlösungen gefordert. Im dritten Abschnitt der Zahnärztlichen Prüfung gibt es für die medizinischen Fächer und Querschnittsbereiche einen neuen schriftlichen Teil, der analog zum medizinischen Staatsexamen mit bundesweit einheitlichen Prüfungsfragen gleichzeitig durchgeführt werden soll. Zudem kann die Zahnärztliche Prüfung wieder zweimalig wiederholt werden.