Scheiden tut weh
Es gibt sicher viele Gründe für die Scheidung, aber der Hauptgrund ist und bleibt die Hochzeit“ – O-Ton Jerrry Lewis. Fakt ist: Eine Scheidung belastet – gerade, wenn es neben dem Gefühlsbad noch um so große Vermögenswerte wie eine zahnärztliche Praxis geht.
Keine Scheidung ist dabei wie die andere, denn in den juristischen Prozess fließen in jedem Einzelfall unterschiedliche Aspekte ein: Wie lange dauerte die Ehe? Gibt es gemeinsame Kinder? Falls ja: Wie alt sind sie? Welches Vermögen wurde während der Ehe erworben? Hat das Paar einen Ehevertrag abgeschlossen?
Für Zahnärzte und Zahnärztinnen, die als Ehepaar oder allein eine Praxis aufgebaut haben, kommen noch Fragen rund um ihr Unternehmen hinzu. Familienanwalt Uwe Koch hat schon viele Scheidungen von Niedergelassenen begleitet und gibt einen Einblick, wie die Praxis betroffen sein kann.
Szenario 1: Gemeinschaftspraxis nach dem Ehe-Aus
Nach 18 gemeinsamen Jahren lässt sich Ehepaar Sanders* scheiden. Kurz nach ihrer Hochzeit haben der Zahnarzt und die Zahnärztin ein Haus gekauft und darin eine Gemeinschaftspraxis eröffnet. Sie trennen sich einvernehmlich, möchten in Zukunft aber nicht mehr zusammenwohnen oder -arbeiten. Wer in Haus und Praxis bleibt, steht noch nicht fest. Da den Ehepartnern aber beides zu gleichen Kopfanteilen gehört, muss derjenige, der alles übernimmt, dem anderen das Eigenheim und die Praxis für 50 Prozent ihres Werts abkaufen. Letzteren kann man von einer Bank, einem Makler oder anderen Gutachtern schätzen lassen.
„Anders ist es, wenn ein Ehepaar gestaffelte Anteile, zum Beispiel 60 zu 40, vertraglich vereinbart hat. Etwa, weil er oder sie mehr Startkapital oder insgesamt mehr Arbeitsstunden in die Praxis investiert oder Zusatzqualifikationen hat“, sagt Koch. „Dann verschiebt sich die Ablösesumme entsprechend.“
Die Sanders haben Haus und Praxis zusammen aufgebaut. Wie verhält es sich aber mit der Gemeinschaftspraxis, wenn sie sich in einer Immobilie befindet, die einer der Partner vor der Ehe von seinen Eltern übertragen bekommen hat? Hier empfiehlt Rechtsanwalt Koch eine klare Regelung für den Fall der Fälle: „Wenn die Praxisräume in einem solchen Haus angesiedelt sind, sollten sich Schwiegertochter oder Schwiegersohn Nutzungsrechte im Grundbuch eintragen lassen, den sogenannten Nießbrauch. Der bleibt auch nach einer Scheidung bestehen.“
Auch folgendes Szenario ist möglich, wenn sich die Inhaber einer Gemeinschaftspraxis trennen: Und zwar, dass das Paar in die bereits bestehende zahnärztliche Praxis der Eltern oder Schwiegereltern eingestiegen ist. Auch dann rät Koch zu einer vertraglich geregelten Eigentümerstellung, aus der hervorgeht, wer welche Anteile an der Praxis hält. Sollte der Schwiegersohn oder die Schwiegertochter nur angestellt gewesen sein, fallen Kopfanteile natürlich weg. „Je nach Größe der Praxis, kann der- oder diejenige auch nicht auf einen Kündigungsschutz pochen“, merkt Koch an.
Von wegen „alles kommt in einen Topf“
Nicht nur für Haus und Praxis müssen die Sanders eine Lösung finden. Bei einer Scheidung wird auch auf das Gesamtvermögen geschaut. Hier räumt Uwe Koch gleich mit einer falschen Auffassung auf: „Viele denken, dass nach der Hochzeit alle Vermögenswerte in einen Topf kommen und beiden zu gleichen Teilen gehören. Aber: Auch in einer Ehe behält jeder sein eigenes Vermögen. Das heißt, wenn die Ehe scheitert, wird der persönliche Zugewinn – also der Vermögenszuwachs seit Eheschließung – ermittelt und für den sogenannten Zugewinnausgleich herangezogen. Geteilt werden muss nur dieser Vermögenszuwachs – ein Prinzip, das übrigens auch für eventuell vorhandene Schulden gilt.“
Hat ein Ehepartner beispielsweise schon vor der Hochzeit eine oder mehrere Immobilien geerbt, werden nicht die Immobilien geteilt, sondern der Wertzuwachs, den sie während der Ehe erzielt haben. Stichtag für die Vermögensbilanz ist der Tag, an dem der Scheidungsantrag zugestellt wird.
Koch empfiehlt Ehepartnern, gut zu dokumentieren, welches Vermögen sie am Tag der Eheschließung besessen haben und immer Zugriff auf diese Dokumente zu haben. Zum anderen mache es für alle, die ein Unternehmen wie eine zahnärztliche Praxis gründen, Sinn, Regelungen für den Ernstfall durchzusprechen und zum Beispiel in einem Ehevertrag festzuhalten. „Natürlich ist das ein komisches Gefühl, wenn man gerade eine Hochzeit plant. Aber sollte es irgendwann zur Trennung kommen, wird diese schwierige Zeit dadurch für alle Beteiligten sehr viel leichter“, so Koch.
Szenario 2: Niedergelassen und angestellt
Zahnärztin Ulla Ruge* ist Inhaberin einer zahnärztlichen Praxis, die sie nach der Hochzeit gegründet hat. Ihr Mann ist Angestellter in einem mittelständischen Unternehmen, wo er monatlich im Schnitt weniger als seine Frau verdient. Im Zuge der Scheidung müssen Zugewinnausgleich und Ehegattenunterhalt festgelegt werden. Die Zahnärztin hat durch ihre Arbeit einen enormen Vermögenswert aufgebaut. Alle Kredite sind getilgt und die Praxis ist 250.000 Euro wertvoller als zum Zeitpunkt der Niederlassung. „So etwas kann Begehrlichkeiten für den Zugewinnausgleich wecken“, betont Koch.
Zunächst werden aber laut Koch aus dem Zugewinn, den die Praxis darstellt, verschiedene Faktoren herausgerechnet. Dazu gehört vor allem der Abzug der eigentlichen Arbeitsleistung, das heißt das Arbeitseinkommen der Praxisinhaberin. Als Richtwert wird in der Regel der Verdienst herangezogen, den sie in einer Leitungsstellung wie in einer Klinik erhalten würde, denn eine Leitungsfunktion hat sie ja auch in ihrer Praxis. Hinzu kommen Faktoren wie der Einkommenssteuerabzug, der sich nach dem Verkauf der Praxis ergäbe.
„Dadurch wird der Wert der Praxis nach unten gedrückt, aber dennoch muss die Zahnärztin damit rechnen, einen Zugewinnausgleich an den Partner leisten zu müssen“, führt Koch weiter aus. Seine Empfehlung lautet daher, die Praxis durch einen Ehevertrag aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen. „So verhindern niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, dass sie ihren Arbeitsplatz noch einmal zur Hälfte kaufen müssen oder dass durch eine Trennung die Praxis unter Druck gerät.“
Szenario 3: Angestellte Ehepartner in der Praxis
Hanna Hobert* war bis zur Trennung von ihrem Mann 25 Jahre in dessen zahnärztlicher Praxis für Empfang und Verwaltungsaufgaben verantwortlich und bezog dafür ein Gehalt. In Zukunft möchte sie dort nicht mehr arbeiten. Wie geht es beruflich mit ihr weiter? Grundsätzlich sieht das deutsche Recht vor, dass sich Ex-Ehepartner nach der Scheidung um eine vergleichbare Anstellung bemühen müssen, um ihren Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten. Koch erläutert: „Nach einer Scheidung sind alle Beteiligten wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich. Aber: Der oder die Wohlhabendere hat während eines Übergangszeitraums dafür Sorge zu tragen, dass der während der Ehe bestehende Lebensstandard des Anderen erhalten bleibt.“
Wieviel und wie lange Unterhalt gezahlt werden muss, sei eine Einzelfallentscheidung und hänge von vielen Faktoren ab. Ausschlaggebend sei unter anderem, ob unterhaltspflichtige Kinder im Spiel seien. Koch fügt hinzu: „Der Zugewinnausgleich wird getrennt vom Unterhalt ermittelt. Da er das Vermögen betrifft und nicht den Lebensunterhalt, reduziert er letzteren meistens nicht. Außer, es werden Güter übertragen, die selbst Einkommen abwerfen wie etwa eine vermietbare Wohnung.“
Geschiedene Partner, die sich einen neuen Job suchen müssen, können laut Koch nicht gezwungen werden, eine unangemessene Tätigkeit anzunehmen, also einen Job, der nicht ihrer Ausbildung entspricht. „Eheleute sollten sich über Folgendes im Klaren sein: Steigt die Frau oder der Mann nach der Hochzeit ganz aus dem Beruf aus, haften die Ehegatten dafür mit. Das heißt: Finden die oder der Ex wegen fehlender Qualifikationen nach einer Trennung keine Anstellung, kann es vorkommen, dass man bis zu deren Renteneintritt Unterhalt zahlen muss.“
Hanna Hobert hat im Schnitt weniger verdient und während der Erziehungsphase der gemeinsamen Kinder zudem Teilzeit gearbeitet. Als Folge hat sie im Laufe der Ehe im Vergleich zu ihrem Mann weniger Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt.
„Der Rentennachteil der weniger arbeitenden Partner wird bei einer Scheidung ausgeglichen. Das heißt: Alles, was die Partner in der Ehe an Altersvorsorge erwerben, wird genau hälftig geteilt. Wer mehr eingezahlt hat, muss dadurch einen eventuell sinkenden Rentenanspruch hinnehmen“, sagt Koch. Auch hier rät der Familienanwalt noch während intakter Ehe dafür zu sorgen, dass Mann und Frau in etwa gleich viel für die Altersvorsorge tun. Der oder die finanziell Stärkere könne beispielsweise eine private Rentenversicherung für den Anderen finanzieren.
Die Ansprüche werden geteilt
Besondere Vorsicht beim Rentenausgleich ist nach Aussage des Rechtsanwalts geboten, wenn ein Partner selbstständig ist. Anders als ZahnärztInnen müssen viele Selbstständige keine verpflichtenden Beiträge an ein Versorgungswerk entrichten. Das kann im schlimmsten Fall bedeuten, dass Niedergelassene ihren Rentenanspruch teilen müssen, vom Partner aber nichts erhalten, sollte er oder sie gar keine private Vorsorge betrieben haben.
Theoretisch sei es sogar möglich, dass Niedergelassene auch beim Zugewinnausgleich in die Röhre gucken. Und zwar dann, wenn der oder die Selbstständige sein oder ihr Unternehmen durch einen Ehevertrag ausgeschlossen hat. „Hier kann es eine Lösung sein, beide Unternehmen, also auch die Praxis, aus dem Zugewinn auszuschließen und ehevertraglich eine angemessene Altersvorsorge für beide zu vereinbaren“, sagt Koch.
Szenario 4: Unverheiratete Niedergelassene
Zahnärzte und Zahnärztinnen, die in wilder Ehe zusammenleben, und in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen sind, werden – wenn sich ihre Wege trennen – rechtlich wie Geschäftspartner behandelt. „In der Regel haben unverheiratete Partner als Eigentümer einer Gemeinschaftspraxis einen Vertrag, der alle Ansprüche regelt – etwas, das bei verheirateten Praxisbesitzern gerne fehlt“, so Experte Koch. Ansonsten gäbe es keine besonderen Kompensationsansprüche, da Unverheiratete rechtlich nicht auf die nacheheliche Solidarität pochen könnten.
Zum richtigen Zeitpunkt miteinander zu sprechen und Entscheidungen zu treffen, die bei einer Trennung gut für beide sind, ist der Rat, den Koch jedem Ehepaar geben würde. Insbesondere wenn sie wirtschaftlich eng in einer Gemeinschaftspraxis verbunden sind.
Wenn es trotzdem zu einer schwierigen Scheidung kommt, kann aus seiner Erfahrung eine Mediation hilfreich sein. Koch: „Ich war als Anwalt an der Scheidung eines Ehepaars beteiligt, die schon im 14. Gerichtsverfahren verhandelt wurde. Wir sprechen da von einem Zeitraum von circa 3,5 Jahren, in denen die Ex-Partner vor Gericht miteinander gestritten haben über Themen von der Zukunft der Praxis über den Unterhalt bis hin zum Sorgerecht. Alle Seiten waren zermürbt. Am Ende wurden in einer gerichtsnahen Mediation an nur zwei Verhandlungstagen Lösungen für fast alle Probleme gefunden, mit denen beide leben konnten. Die Erleichterung war riesengroß.“
*Alle Personen und Situationen sind fiktiv.
Fachliche Beratung: Uwe Koch, Fachanwalt für Familienrecht, Hamburg, uwe-koch@mit-recht.deSusanne Theisen
Freie Journalistin
Ratgeber Scheidung
Die Verbraucherzentrale Bundesverband erläutert in ihrem Ratgeber „Trennung und Scheidung – Ihre Rechte und finanziellen Ansprüche“ alle steuerlichen, juristischen und finanziellen Regelungen rund um das Aus einer Ehe oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Neben dem formalen Ablauf einer Scheidung geht es auf 236 Seiten unter anderem um die Themen Trennungsjahr, Unterhalt und Haus.