Editorial

Unsicherheiten aushalten lernen

Aktuell ist nicht unbedingt die Zeit für Personalia. Trotzdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich Ihnen vorzustellen, denn diese Ausgabe der zm geht mit einem personellen Wechsel einher. Der Ihnen wohlbekannte, langjährige Chefredakteur Dr. Uwe Axel Richter hat das Redaktionsruder an mich übergeben, um sich neuen Aufgaben zu widmen. Dafür wünsche ich ihm gutes Gelingen und viel Schaffenskraft.

Mein Name ist Sascha Rudat, ich bin 49 Jahre alt und Diplom-Journalist. Nach Stationen im Tages- und Agenturjournalismus war ich zuletzt viele Jahre in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der ärztlichen Selbstverwaltung tätig. Deren Organisation und Abläufe sind mir also bekannt. Nun bin ich auf die Besonderheiten im zahnärztlichen Bereich gespannt.

In dieser Zeit die Leitung einer Redaktion zu übernehmen, ist speziell. Normale Einarbeitungs-, Kennenlern- und Produktionsprozesse fallen weg – Stichwort Homeoffice. Umso beruhigender, wenn man sich auf ein hochprofessionelles Team von Redakteurinnen und Redakteuren verlassen kann, die wissen, wie sie mit dieser besonderen Situation umgehen müssen. Denn wir haben es mit einer Nachrichtenlage zu tun, die oft stündlich wechselt. Es gibt momentan Unmengen an News, teilweise aus fragwürdigen Quellen. Diese Flut zu hinterfragen, zu filtern und entsprechend aufzubereiten, ist die Aufgabe einer Redaktion. Doch bei der aktuellen hochvolatilen Nachrichtenlage – auch verursacht durch ständige Ad-hoc-Entscheidungen seitens der Politik (dazu weiter hinten noch mehr) – lässt es sich leider nicht vermeiden, dass Inhalte eines Artikels zum Zeitpunkt seines Erscheinens bereits durch neue Ereignisse überholt sein können. Das betrifft eine Zeitschrift wie die zm mit einem 14-tägigen Erscheinungsrhythmus und damit einhergehenden Druck- und Vertriebszeiten leider manchmal besonders. Daher sei Ihnen an dieser Stelle auch der regelmäßige, ergänzende Besuch von zm-online.de empfohlen.

Die Corona-Pandemie lehrt uns alle, in vielen Lebensbereichen mit Unsicherheiten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß fertig werden zu müssen. Auf Erfahrungswissen beruhende, etablierte Prognosesysteme – seien sie privat, beruflich oder wirtschaftlich – sind plötzlich pulverisiert. Wir wissen weder wie lange wir mit den Corona-bedingten Einschränkungen leben müssen noch wie deren Folgen konkret aussehen werden. Normal zu arbeiten, die Freizeit zu genießen oder zu reisen – derzeit alles ungewiss.

Glücklicherweise leben wir in einem Staat mit – vor allem im internationalen Vergleich – ausgefeilten Sicherungssystemen; darauf beruht unser Gemeinwesen. Viele dieser Mechanismen greifen derzeit auch. So weit, so schön. Aber auf eine alle Lebens- und Arbeitsbereiche umfassende Krise ist auch unser Staat nicht vorbereitet gewesen. Es müssen also situativ und schnell neue Regelungen getroffen werden, um die Folgen der Corona-Krise zumindest zu mindern. Dem Gesundheitswesen kommt dabei naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, die Krankenhäuser und die Psychotherapeuten hat die Bundesregierung denn auch entsprechend zügig ein Hilfspaket geschnürt und umgesetzt.

Anders bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten. Nachdem der Referentenentwurf aus dem Hause Spahn zu Ostern zunächst eine 70:30-Lastenverteilung zwischen Zahnärzten und gesetzlichen Krankenkassen in Aussicht gestellt hatte, wurde am 4. Mai nun – aufgrund von Interventionen aus dem Bundesfinanzministerium – für die Zahnärzteschaft eine Verordnung erlassen, die eine komplette Rückzahlung der überbezahlten Beträge vorsieht, sprich ein Darlehen oder euphemistisch Liquiditätshilfe genannt. Der Schutzschirm wurde sozusagen eingeklappt.

Über die politische Bewertung der Sicherstellung der flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung unter extrem erschwerten Bedingungen bei einbrechenden Patientenzahlen wird noch zu reden sein. Systemrelevanz zweiter Klasse könnte man diese Ohrfeige für die Zahnärzteschaft nennen. Wenn die Bedeutung der flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung möglicherweise noch nicht bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz angekommen ist, so könnte man ihn vielleicht kurz an deren wirtschaftliche Relevanz erinnern: Die jährliche Bruttowertschöpfung des zahnärztlichen Systems in Deutschland mit seinen über 500.000 Beschäftigten betrug zuletzt rund 24 Milliarden Euro. Dieses System nicht nachhaltig zu schädigen, sollte eigentlich im Interesse der Politik sein. Eigentlich ...

Kleiner Nachtrag: Beim Schreiben dieser Zeilen läuft gerade der sogenannte Mobilitätsgipfel, auf dem die Autoindustrie für Kaufprämien „wirbt“. Mal schauen, wie viel die Regierung dafür locker machen wird.

Wir müssen also weiter mit Unsicherheiten leben, die teilweise existenzbedrohend sein können. Die zm möchten in diesen unsicheren Zeiten Ihr Begleiter sein und versuchen, Ihnen ein Stück Verlässlichkeit zu geben. Dazu sind uns Ihre Anregungen und Ihre Kritik jederzeit herzlich willkommen.

Sascha Rudat

Chefredakteur

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