Arbeiten in Kara Tepe
Seit dem Lockdown im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos im März 2020 war neben einer massiven Einschränkung der allgemeinen medizinischen Betreuung auch die zahnärztliche Hilfe komplett weggebrochen. Es wurden keine Zahnärzte mehr ins Lager gelassen. Zuvor waren dort regelmäßig ein bis zwei internationale Zahnärztinnen und Zahnärzte im Einsatz. Bemühungen von Mitgliedern des deutschen Vereins „Health-Point Foundation Support Germany e. V.“ auf die Insel zu kommen, mussten leider wegen der behördlichen Pandemie-Einschränkungen wiederholt aufgeschoben werden.
Als in der Nacht des 9. September mehrere Brände in Moria ausbrachen, wurden schätzungsweise 80 Prozent des Lagers zerstört. Den Flammen fiel auch die in einem Container untergebrachte Zahnstation zum Opfer. Als Ursache wird bis heute Brandstiftung vermutet. Auf das Unglück folgten Tage des absoluten Chaos. Die Geflüchteten mussten auf der Straße campieren, bis die Polizei die Menschen ins eiligst errichtete neue Zeltlager brachte. Aus Angst, auch aus diesem neuen Lager nicht mehr heraus zu dürfen, weigerten sich zunächst viele Geflüchtete, der Aufforderung zu folgen. Ein Teil wurde aufs Festland evakuiert, insbesondere die unbegleiteten Minderjährigen. Den circa 8.500 verbliebenen Personen ließ man keine andere Wahl, als in die Zelte des neuen Lagers auf einem ehemaligen Militärstützpunkt in Kara Tepe einzuziehen.
Am 1. Oktober machten wir, Dr. Armin Reinartz aus Stolberg und Dr. Alexander Schafigh aus Bornheim, uns auf den Weg nach Lesbos, um die Wiederaufnahme der zahnärztlichen Betreuung im neuen Lager auszuloten. Im Vorfeld hatte es etliche Zoom-Meetings und Telefonate mit möglichen Partnern aus Deutschland und Griechenland gegeben.
Über eine neugegründete NGO zurück auf die Insel
Der Durchbruch gelang einem Koordinator der „alten“ Zahnstation durch die Gründung einer eigenen griechischen NGO namens Crisis-Management-Association (CMA), die er erfolgreich bei den griechischen Gesundheitsbehörden registrierte und für die er eine Lizenz für die Arbeit im Camp erlangte. Unter der Obhut der CMA ist die zahnärztliche Tätigkeit im Lager wieder erlaubt.
Da der größte Teil des Inventars der Zahnstation bei dem Brand im September verlorengegangen war, waren die Koffer prall gefüllt mit allem, was in einer Zahnarztpraxis so benötigt wird. Ausgerüstet mit einer mobilen Zahnarzt-Einheit, die von der Stiftung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank zur Verfügung gestellt wurde, und einem Autoklav, gestiftet vom Dentalfachhandel Gerl in Köln, wollten wir am nächsten Tag gleich mit den Behandlungen loslegen – wäre der versprochene Container denn angeliefert worden.
Die Nachricht, dass Zahnärzte im Camp anwesend sind, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Das von der Weltgesundheitsorganisation mandatierte norwegische Emergency Medical Team versprach uns, am nächsten Tag einen Krankenwagen für uns freizuräumen. Darin hatte bis dahin die Hebamme des norwegischen Interventionsteams gearbeitet. Bis spät in die Nacht sterilisierten wir auf unserem Hotelzimmer die mitgebrachten Instrumente im Autoklav.
Endlich – nach sechs Monaten Unterbrechung – konnte wieder eine zahnärztliche Behandlung stattfinden. Am ersten Tag wurden 54 Patienten behandelt, viele Abszesse eröffnet, Zähne trepaniert und vornehmlich extrahiert. Sämtliche vor Ort agierenden medizinischen Akteure, inklusive des norwegischen Teams, der UNHCR und der WHO, begrüßten die Initiative und freuten sich, dass die zahnärztliche Hilfe im Lager wieder angelaufen war.
Eine Woche später gingen die Zahnärztin Dr. Tannaz Westerberg aus Münster und zwei Wochen später die Zahnärztin Ann Christin Schafigh aus Bornheim und ein weiteres Mal Dr. Reinartz auf Reisen. Dr. Westerberg wurde dabei tatkräftig durch Daniela Neuendorf aus Köln, die für den Verein Refugee Foundation arbeitet, unterstützt. Leider mussten die Behandlungen immer noch in den beengten Verhältnissen des Rettungswagens erfolgen, aber immerhin konnte das Spektrum auf Füllungstherapien und initiale endodontische Maßnahmen ausgeweitet werden. Seit dem 2. November sind die Zahnärzte Hesham Sabbagh und Eva Maria Priewich für eine Woche vor Ort. Weitere Kolleginnen und Kollegen sind in ihren Reisevorbereitungen.
Wir hoffen auf Kontinuität, wenn uns die Reisebeschränkungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie nicht einen Strich durch unsere hochgesteckten Ziele machen. Wir möchten an dieser Stelle nicht nur um Spenden zur Einrichtung und zum Unterhalt der Zahnstation bitten, sondern hoffen auch das Interesse für einen freiwilligen Einsatz für die dringend benötigte Arbeit vor Ort geweckt zu haben. Über Fragen zu einem Einsatz, Sach-, Geldspenden oder Anregungen in einem kollegialen Gespräch freuen wir uns.
Dr. Alexander Schafigh
1. Vorsitzender Dental EMT
Dr. Armin Reinartz
2. Vorsitzender Dental EMT
Zahnärzte für Moria 2 gesucht!
Das Dental Emergency Team e. V. auf Lesbos sucht dringend Kollegen und Kolleginnen für die Zahnstation im Flüchtlingslager Moria 2. Gesucht werden Zahnärzte und Zahnärztinnen mit mindestens zwei Jahren Berufserfahrung. Bei der Unterbringung sowie bei allen anderen Fragen ist das Team behilflich. Eine Vor-Ort-Betreuung ist durch die Partner-Organisation, die die Klinik betreibt, gewährleistet.
Melden Sie sich bei:
Dr. Armin Reinartz, Dr. Alexander Schafigh
Dental Emergency Team e. V.
dental-emt@web.de
Spendenkonto:
Dental EMTapoBank
IBAN: DE35 3006 0601 0007 6168 41
BIC: DAAEDEDDXXX
Aus Health-Point-Foundation Support Germany e. V. wird Dental Emergency Team e. V.: Nach dem Rückzug der Hauptorganisation Health-Point Foundation aus Griechenland haben Schafigh und sein Team zur Vermeidung von Missverständnissen beschlossen, den Namen in Dental Emergency Team zu ändern. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt, so dass Zuwendungen steuerlich begünstigt sind. Für Interessierte besteht die Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft, um so den Verein kontinuierlich zu unterstützen.