Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

So setzen Sie die Medizinprodukte-Verordung um (Teil 2)

Die Medical Device Regulation (MDR) enthält Regelungen zum Inverkehrbringen, der Bereitstellung auf dem Markt und die Inbetriebnahme von – für den Gebrauch am Menschen – vorgesehen Medizinprodukten (MP) und dient dem Zweck des Patientenschutzes.

Im Fall eines Eigenlabors (Praxislabors) stellt sich nun die Frage, ob Sonderanfertigungen hergestellt werden. Dazu sagt die MDR, Artikel 2 Nr. 3:

„Sonderanfertigung bezeichnet ein Produkt, das speziell gemäß einer schriftlichen Verordnung einer aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Ausstellung von Verordnungen berechtigten Person angefertigt wird,

  • die eigenverantwortlich die genaue Auslegung und die Merkmale des Produkts festlegt,

  • das nur für einen einzigen Patienten bestimmt ist,

  • um ausschließlich dessen individuellen Zustand und dessen individuellen Bedürfnissen zu entsprechen.

Serienmäßig hergestellte Produkte, die angepasst werden müssen, um den spezifischen Anforderungen eines berufsmäßigen Anwenders zu entsprechen, und Produkte, die gemäß den schriftlichen Verordnungen einer dazu berechtigten Person serienmäßig in industriellen Verfahren hergestellt werden, gelten jedoch nicht als Sonderanfertigungen.“

Es ist ein wenig mühselig, die komplette Definition zu lesen, die sogar noch länger gehalten ist. Trotzdem sollten Sie sich die Mühe machen und prüfen, ob Sie in ihrer Zahnarztpraxis mit Eigenlabor die Frage nach der Herstellung von Sonderanfertigungen mit „Ja“ beantworten.

Es ist für die Anwendung der MDR unerheblich, wo beziehungsweise von wem Medzinprodukte hergestellt werden, beziehungsweise wie groß das Eigenlabor ist (Umsatz). Die MDR ist also auch von Zahnarztpraxen zu befolgen, wenn sie in ihrem Praxislabor Sonderanfertigungen herstellen.

Ein guter Orientierungspunkt findet sich immer im Abgleich zur vorherigen Regelung. Man kann so grundsätzlich prüfen, ob denn überhaupt etwas anders zu machen ist als bisher, wenn doch auch weiterhin Sonderanfertigungen hergestellt werden. Also: Gibt es geänderte Vorgaben für Sonderanfertigungen und muss für das Eigen-/Praxislabor etwas geändert werden, wenn die bisherigen Vorgaben (MPG) eingehalten werden?

Gemäß den Vorgaben des Artikels 20 MDR ist (weiterhin) keine CE-Konformitätskennzeichnung (CE-Kennzeichen) für Sonderanfertigungen erforderlich. Auch hinsichtlich eines Konformitätsbewertungsverfahrens ergeben sich für zahntechnische Werkstücke keine Änderungen.

Definitiv ein To-Do ist das QM-System

Neu beziehungsweise geändert ist allerdings die Ausgestaltung der Konformitätserklärung, die berücksichtigt werden muss. Auch die Tatsache, dass künftig alle Hersteller ein MDR-konformes Qualitätsmanagementsystem zu führen haben, dessen Anforderungen in der MDR spezifiziert sind (Qualitäts- & Risikomanagement, Chargenrückverfolgbarkeit, System zur Produktbeobachtung und zur Erfassung von Vorkommnissen (Vigilanz)) ist neu. Also in diesen beiden Punkten hat die Zahnarztpraxis mit Eigenlabor (und Sonderanfertigungen) definitiv ein To-Do, auch wenn zuvor schon vollständig korrekt und gesetzeskonform gearbeitet worden ist.

Die MDR schreibt keine spezielle Norm vor, nach dem das Qualitätsmanagementsystem erstellt werden muss. Weder gibt es eine Verpflichtung zur Zertifzierung des Systems, noch existieren Vorgaben zur konkreten Umsetzung, was den Zahnarzt aber keineswegs von der Verpflichtung entbindet, ein QM zu führen.

Auch wenn das Eigenlabor bereits über ein – zertifiziertes – Qualitätsmanagementsystem verfügt, ist nicht gewährleistet, dass das System automatisch alle Anforderungen der MDR erfüllt. Die Anforderungen, die die MDR definiert, müssen erst in das bestehende System aufgenommen werden, so zum Beispiel Anhang XIII Verfahren für Sonderanfertigungen, Nr. 2:

„Der Hersteller verpflichtet sich, für die zuständigen nationalen Behörden die Dokumentation bereitzuhalten, die seine Fertigungsstätte beziehungsweise Fertigungsstätten angibt und aus der die Auslegung, die Herstellung und die Leistung des Produkts, einschließlich der vorgesehenen Leistung, hervorgehen, sodass sich beurteilen lässt, ob es den Anforderungen dieser Verordnung entspricht.“

Fazit

Es gilt also zunächst systematisch festzustellen, ob im Praxislabor Sonderanfertigungen hergestellt und wie die derzeit gültigen Vorgaben zur Herstellung von Sonderanfertigungen umgesetzt werden. Im Bereich des Labor-Qualitätsmanagementsystems ist zu berücksichtigen, dass hier ein paar von der Praxis auf das Labor umgeschriebene Dokumente in der Regel nicht ausreichend sind und die Anforderungen nach MDR gründlich geprüft und umgesetzt werden müssen. Nicht nur für ein gewerbliches Labor, sondern auch für das Praxislabor einer Zahnarztpraxis führt die MDR zu deutlich gestiegenen Anforderungen an das einrichtungsinterne Qualitäts- und Risikomanagement.

Fakt ist also, dass die MDR nach meinem Dafürhalten für jede Zahnarztpraxis mindestens einen Prüfaufwand und für alle einen gestiegenen Dokumentationsaufwand beinhaltet. Für die Sonderanfertiger sind mit Sicherheit intensive Vorbereitungen notwendig, die ich empfehle, bereits jetzt zu beginnen.

In diesem Sinne ...

Ihr Christian Henrici

zusammen mit Monika Köhn, Mitglied im Praxisflüsterer-Team

Henrici@opti-hc.de, www.opti-hc.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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