Exekutivrat beschließt orale Strategie

Die Mundgesundheit ist jetzt fest bei der WHO verankert

Der Exekutivrat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die „Globale Strategie für Mundgesundheit“ verabschiedet. Für den Weltzahnärzteverband FDI ein großer Erfolg: Das Thema wurde auf Weltebene lange vernachlässigt. Es gibt aber einen Knackpunkt: Die WHO will zahnärztliche Verbände der Privatwirtschaft zuordnen. Hier will die FDI gegensteuern.

Ein 30-seitiges Strategiepapier, dazu mehr als 350 Kommentare und Stellungnahmen aus mehr als 65 Zahnärzteverbänden weltweit – der Tagesordnungspunkt „Globale Strategie für Mundgesundheit“ nahm auf der Agenda des Exekutivrats der WHO vom 24. bis 29. Januar einen breiten Raum ein. Was wie die Beratung über einen bürokratischen Aktenwust daher kam, war jedoch aus Sicht der FDI ein glatter Punktsieg. Die WHO hat – basierend auf ihrer Resolution zur Mundgesundheit vom Mai letzten Jahres – eine globale Mundgesundheitsstrategie verabschiedet und dabei viele Anliegen der Zahnärzteschaft berücksichtigt. Dazu hatte sich die FDI im Vorfeld intensiv eingebracht. Das jetzige Papier bedeutet aus Sicht des Weltzahnärzteverbandes einen großen Schritt zur Integration der Mundgesundheit in die bestehenden WHO-Programme zu nicht übertragbaren Erkrankungen (NCD), primärer Gesundheitsversorgung und universeller Gesundheitsfürsorge (UHC). 

Die Rolle der Zahnärzte wird gestärkt

Aus Sicht der FDI ist vor allem positiv, dass die WHO damit die Rolle der Zahnärzteschaft und der Gesundheitsberufe in der Versorgung stärkt. So sollen zur Präventionsorientierung und interprofessionellen Zusammenarbeit innovative Arbeitsmodelle entwickelt werden. Die Aus- und Weiterbildung soll kompetenzbasiert erfolgen und auf die Mundgesundheitsbedürfnisse der Bevölkerung abgestimmt sein; Public-Health-Aspekte und Umweltauswirkungen auf die Mundgesundheit mit eingeschlossen sein. Ein breit gefächerter Teamansatz soll auf das Zusammenwirken von Zahnärzten und zahnärztlichem Praxispersonal abzielen. Auch die Arbeit von gemeindebasiertem Gesundheitspersonal soll mit eingebunden werden, heißt es in dem WHO-Papier.

„Die Mundgesundheit darf nicht abgekoppelt sein!“

„Das WHO-Strategiepapier zur globalen Mundgesundheit ist ein wesentlicher Schritt zur Integration der Mundgesundheit in die bestehenden WHO-Programme zu nicht übertragbaren Erkrankungen (NCD), primärer Gesundheitsversorgung und universeller Gesundheitsfürsorge (UHC). Die Mundgesundheit wurde gesundheitspolitisch – international wie national – viel zu lange vernachlässigt und muss endlich wieder den ihr angemessenen Platz einnehmen.

Die Mundgesundheit darf bei der Politikgestaltung, der Ausbildung und bei der künftigen Bereitstellung von Gesundheitsdienstleistun-gen nicht länger abgekoppelt vom Rest des präventivmedizinischen Fächerkanons sein (Health In All Policies).

Die Bundeszahnärztekammer steht dem Bundesgesundheitsministerium und den verantwortlichen Akteuren für eine gemeinsame Begleitung dieses Prozess, der bis 2030 abgeschlossen sein soll, jederzeit mit Unterstützung zur Verfügung und regt dringend ein politisches Gespräch dazu an.“

Konstantin von Laffert ist Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer.

Es geht auch darum, die Zusammenhänge zwischen Mundgesundheit und Allgemeingesundheit aufzuzeigen: etwa bei der Komorbidität von oralen Erkrankungen und anderen nichtübertragbaren Erkrankungen – beispielsweise dem Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch soziale Determinanten der Mundgesundheit oder Maßnahmen zur Reduzierung des Zucker- und Alkoholkonsums gehören dazu. 

Aber wieso sind Verbände Teil der Privatwirtschaft?

Ein großer Kritikpunkt an dem WHO-Strategiepapier aus Sicht der FDI ist allerdings die Einordnung von Zahnärzteverbänden: Ihre Rolle für die Mundgesundheit in der Gesellschaft werde nicht gebührend anerkannt, heißt es in der Stellungnahme der FDI. Sie würden dort ungerechtfertigter Weise der Privatwirtschaft (private sector) zugerechnet. „Und dies, obwohl Berufsverbände tatsächlich ein Kernelement der Zivilgesellschaft sind“, rügt die FDI. Berufsverbände wurden bisher von der WHO immer als Mitglieder der Zivilgesellschaft anerkannt. Auch Zahnärztekammern und andere Berufsverbände im Gesundheitswesen waren dort korrekt eingestuft. „Wir drängen darauf, dass diese Fehlklassifizierung korrigiert wird“, so die FDI. „Wir sind unabhängige, gemeinnützige Organisationen, die sich der Förderung der Mundgesundheit verschrieben haben, wir sind kein Privatsektor.“

„Wir sind keine privatwirtschaftlichen Organisationen!“

Zur Einordnung der WHO-Initiative: „Im Mai 2021 nahm die Weltgesundheitsversammlung der WHO die Resolution WHA74.5 zur Mundgesundheit an und forderte den Generaldirektor auf, in Absprache mit den Mitgliedstaaten, einen Entwurf für eine globale Strategie zur Bekämpfung von Mundkrankheiten zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die globale Bedeutung der wichtigsten Mundkrankheiten für die öffentliche Gesundheit anzuerkennen, und zeigt, dass der politische Wille vorhanden ist, Fragen der Mundgesundheit anzugehen. Die Strategie wird in die Entwicklung eines globalen Aktionsplans zur Mundgesundheit einfließen, der auch einen Rahmen für die Verfolgung der Fortschritte mit klaren, messbaren Zielen bis zum Jahr 2030 enthält. Es besteht auch Einigkeit darüber, dass die Mundgesundheit fest in die Agenda für nichtübertragbare Krankheiten eingebettet werden sollte und dass Maßnahmen zur Mundgesundheitspflege in Programme zur allgemeinen Gesundheitsversorgung (universal health coverage) aufgenommen werden sollten. Diese Entwicklungen bieten der FDI und ihren fast 200 Mitgliedsorganisationen weltweit die Möglichkeit, nationale Strategien mitzugestalten und zu unterstützen sowie die Regierungen bei der Erreichung der Mundgesundheitsziele zur Verantwortung zu ziehen.“

Zur Fehlklassifizierung von Zahnärzteverbänden: „Die FDI und ihre nationalen zahnärztlichen Mitgliedsverbände sind keine privatwirtschaftlichen, sondern zivilgesellschaftliche Organisationen. Wir sind unabhängige, gemeinnützige Organisationen, die sich für die Mundgesundheit einsetzen, um die öffentliche Gesundheit zu fördern. Die WHO hat uns immer als zivilgesellschaftliche Organisationen anerkannt und nicht als privatwirtschaftliche Organisationen, die per Definition gewinnorientierte Unternehmen sind. Solche Fehleinstufungen können erhebliche Folgen haben und müssen daher korrigiert werden, um unsere Unabhängigkeit und Objektivität zu wahren.“

Enzo Bondioni ist Exekutivdirektor des Weltzahnärzteverbandes FDI.

Auch aus Sicht der Bundeszahnärztekammer ist die „Globale Strategie für Mundgesundheit“ ein wichtiger Schritt. Ihrer Auffassung nach zielt sie in erster Linie darauf ab, die politische Aufmerksamkeit für eine generelle Berücksichtigung der Mundgesundheit im Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik zu erhöhen, sowie kontinuierlich den Schwerpunkt von der kurativen auf die präventive Zahnmedizin zu verlagern. Gefördert werden soll eine auf den Menschen ausgerichtete Mundgesundheitsfürsorge, die den gesamten Lebensbogen abdeckt und dafür auch digitale Technologien besser nutzt.

Das WHO-Papier folgt auf die „Resolution zur Mundgesundheit“, die von der WHO im Mai 2021 verabschiedet wurde. Es soll weiter überarbeitet und der WHO-Vollversammlung im Mai 2022 zur endgültigen Annahme vorgelegt werden. Im nächsten Schritt wird ein Aktionsplan in Absprache mit den WHO-Mitgliedstaaten entwickelt, der als Fahrplan für den Integrationsprozess der Mundgesundheit in die Gesundheitspolitik dienen und konkrete Messpunkte für den Erfolg von Strategien zur Verbesserung der Mundgesundheit definieren soll. 

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