63. Bayerischer Zahnärztetag

Harsche Kritik am GKV-FinStG aus Bayern

Die gesundheitspolitische Teil des Bayerischen Zahnärztetages 2022 stand ganz unter dem Einfluss des unmittelbar zuvor vom Bundestag verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Den zahnmedizinischen Schwerpunkt bildete der aktuelle Stand der Funktionsdiagnostik und -therapie.

Zum Festakt am 20. Oktober im Münchener Hotel Westin Grand hatten sich gleich zwei bayerische Minister eingefunden. Neben Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) war der Minister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und stellvertretende Ministerpräsident, Hubert Aiwanger (Freie Wähler), zugegen. Und dieser sparte dann auch nicht mit deftiger Kritik am frisch beschlossenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). „Es ist nicht nur fatal, sondern völlig irrational, jetzt zu sagen, Ihre Leistung müsste budgetiert werden“, rief Aiwanger den anwesenden Zahnärztinnen und Zahnärzten zu. Man werde weiter gegen die falsche Berliner Gesundheitspolitik halten. „Wir werden auch nicht müde werden, nach Berlin laut zu sein.“

Aiwanger und Holetschek hoben beide „die hervorragende Arbeit“ der Zahnärzteschaft und ihrer Teams während der Pandemie hervor. Der Gesundheitsminister stellte einen düsteren Befund auf: „Wir sind an einer Zeitenwende angekommen: Corona nicht vorbei, Ukraine-Krieg und Energiekrise. Wenn nicht bald und unmittelbar ein Ersatz für Energie- und Sachkosten vom Bund kommt, dann werden wir einen kalten Strukturwandel im ländlichen Raum erleben“, warnte Holetschek. Das könne man nicht zulassen. „Überall, wo jetzt gespart wird, wird es zu Verschlechterungen kommen.“

Weniger BEMA, mehr GOZ, betonte Berger

Der Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer und Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns, Christian Berger, erklärte in seiner Eröffnungsrede, dass Experten schon seit Jahren vor einer drohenden Schieflage in der GKV gewarnt hätten. Doch Nachhaltigkeit in der Gesundheitspolitik sei versäumt worden, stattdessen verfalle man jetzt in den Krisenmodus. „Geradezu hilflos wirken die Versuche, durch ein Sammelsurium von Kostendämpfungsmaßnahmen das Milliardenloch in der GKV zu stopfen“, sagte Berger und fügte hinzu, dass die zahnmedizinische Grundversorgung auch künftig gewährleistet sein werde. „Aber Spitzenzahnmedizin hat ihren Preis. Wir Zahnärzte müssen jetzt den Blick nach vorne richten und Antworten auf die Frage finden, wie wir die flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung unserer Patienten aufrechterhalten können. Eine Antwort lautet: Weniger BEMA, mehr GOZ!“, betonte Berger.

Der stellvertretende bayerische KZV-Vorsitzende Dr. Rüdiger Schott fügte hinzu, dass das GKV-FinStG ein Frontalangriff auf Zahnärzte und Ärzte sei und die Geringschätzung für deren Leistungen durch den Bundesgesundheitsminister zeige.

„Die Wiedereinführung der Budgetierung in verschärfter Form wird zur Verschlechterung der Patientenversorgung führen. Denn für begrenzte Mittel kann es auch nur begrenzte Leistungen geben“, unterstrich er. Viel schwerwiegender sei aber das Signal, das Lauterbach an die jungen Kolleginnen und Kollegen aussende. Wenn die vollständige Honorierung der Leistungen durch die GKV nicht mehr gewährleistet sei, werde die Selbstständigkeit zu einem wirtschaftlichen Risiko. „Leidtragende werden die Patienten sein“, zeigte sich Schott überzeugt.

Benz wirbt für kleine Praxen

Auf den massiven Einfluss von Finanzinvestoren auf die Gesundheitsversorgung ging der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, in seinem Grußwort ein. Die vorherige Bundesregierung habe „die Türen für Finanzinvestoren sperrangelweit aufgemacht“. Die aktuelle Regierung wolle Gesundheitskioske und kommunale MVZ einführen. „Was aber bei all diesen Modellen nirgendwo vorkommt, ist die Struktur, der wir seit Jahrzehnten den Erfolg in der Zahnmedizin verdanken: Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in kleiner, mittelständischer Struktur.“ Man habe den Eindruck, es solle alles in Richtung Anstellung gesteuert werden. In seiner Rede brach Benz daher eine Lanze für kleine, nicht-industrielle Praxisstrukturen. Diese seien der Kern der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland.

Neue Denkmodelle für mehr Nachhaltigkeit

Zum Abschluss des Festaktes hielt der Biologe und Umweltpolitiker Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker einen eindringlichen und anschaulichen Vortrag darüber, wie sich mehr Wohlstand und weniger Ressourcenverbrauch verbinden lassen könnten. Doch dazu sei an vielen Stellen ein komplettes Umdenken erforderlich. Denkmodelle, die in der Vergangenheit auf einer dünn besiedelten Erde („einer leeren Welt“) zum Erfolg geführt hätten, würden in der aktuellen Situation („einer vollen Welt“) nicht mehr funktionieren und seien zum Scheitern verurteilt.

Aktueller Stand der Funktionstherapie

Prof. Dr. Alfons Hugger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT), gab in seinem Auftaktvortrag einen Überblick über das zweitägige Kongressprogramm.

Man habe versucht, den aktuellen Stand der Funktionsdiagnostik und -therapie kompakt zusammenzustellen. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Zahnmedizin bekomme die Bedeutung der Funktion eine weitere wichtige Dimension, erklärte Hugger. Er wies darauf hin, dass die Funktionstherapie an vielen Stellen einem Paradigmenwechsel unterliege.

Die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für Krankheitsbilder, die auf Fehlfunktionen des Kauorgans zurückgehen, sind vielschichtig. Dementsprechend breit war das Spektrum der Vorträge beim wissenschaftlichen Programm: von der Funktion, Okklusion und Artikulation in unterschiedlichen zahnmedizinischen Feldern bis zur Funktionsanalyse in der digitalen Praxis. Mit allein fünf Beiträgen nahm auch das Thema Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) breiten Raum ein. Weitere Themen waren neue Füllungsmaterialien und Chancen und Risiken beim Einsatz von Botox bei Bruxismus.

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