„Unsere DNA ist die Freiberuflichkeit“
Klare Forderungen an die Ampel bestimmten die Diskussionen und Beschlüsse des höchsten zahnärztlichen Gremiums. Ein Leitantrag fasste die Forderungen der rund 160 Delegierten zusammen: Die Rahmenbedingungen für die zahnärztlichen Praxen sollten verbessert und nicht kontinuierlich verschlechtert werden. Die Gebühren der privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen müssten den Kostensteigerungen dauerhaft angepasst werden. Budgetierungen seien abzulehnen und die selbstständige zahnärztliche Praxis müsse gestärkt werden.
Im Zuge der intensiven Debatte wurde auch ein Entwurf zum Leitantrag des BZÄK-Vorstands wieder zurückgenommen. In einer Resolution forderten die Delegierten von der Politik Respekt und mehr Wertschätzung ein. Die Kollegenschaft habe in der Pandemie für die Versorgung der Patienten Hervorragendes geleistet. Gedankt habe das ihnen der Finanzminister durch die Blockade einer Anpassung des GOZ-Punktwerts und der Gesundheitsminister durch Budgetierung und Sparen an der falschen Stelle sowie durch Wegschauen bei investorgetragenen MVZs in Medizin und Zahnmedizin.
„Das MAẞ ist voll“
Die galoppierende Inflation und stark steigende Energiepreise gefährdeten die Zahnarztpraxen genauso wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, betonten die Delegierten. Mit Blick auf das GKV-FinStG hieß es in einer Resolution: „Das Maß ist voll, die Grenze des Erträglichen erreicht.“ Und weiter: „Trotzdem erfolgen hier faktische Leistungskürzungen. Mit der Gesundheit von Patientinnen und Patienten spielt man nicht.“ Mit Sorge blickten die Delegierten auch auf die Folgen des Gesetzes für die künftige PAR-Behandlung im Land.
Neben Forderungen zur Anpassung des GOZ-Punktwerts – auch mit Blick auf die Inflation – und zur Berücksichtigung ambulanter Zahnarztpraxen analog zu den zugesicherten Hilfen des Bundes für Kliniken und Pflegeheime war ein weiterer Schwerpunkt der Fachkräftemangel: Die Delegierten betonten die Notwendigkeit, den Fachkräftebedarf der zahnärztlichen Praxen mit wirksamen Maßnahmen zu begleiten. Dazu gehöre etwa eine bundesweite Imagekampagne, eine attraktive und leistungsgerechte Entlohnung, vermehrte Angebote und die Weiterentwicklung von hochwertigen Aufstiegsfortbildungen oder die Steigerung der Ausbildungsqualität.
Irritiert hatte die Versammlung zur Kenntnis genommen, dass es – anders als in der Vergangenheit üblich – zu keiner aktiven Beteiligung etwa in Form eines Grußwortes des Bundesgesundheitsministers oder einer seiner Staatssekretäre gekommen war. Man wünsche sich seitens der Politik mehr Wertschätzung, hieß es.
Insgesamt bestätigten die Delegierten mit ihren Beschlüssen zustimmend die Politik des BZÄK-Vorstands. Damit wurde die Arbeit des Geschäftsführenden Vorstands, der seit gut einem Jahr im Amt ist, mit großem Zuspruch honoriert. Beschlossen wurde auch eine moderate Erhöhung des Mitgliedsbeitrags: Die Bundesversammlung genehmigte einen Beitrag für jedes zahnärztlich berufstätige Kammermitglied in Höhe von monatlich 11,20 Euro ab dem 1. Januar 2024. Die Höhe des Kopfbeitrags wurde zuletzt 2015 festgesetzt und liegt seit 2017 unverändert bei 9,70 Euro.
„Krise ist Chance“
BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz, rief die Delegierten dazu auf, um die besten Konzepte und Ideen für den Berufsstand zu kämpfen. Er machte den Zahnärztinnen und Zahnärzten angesichts der Pandemie und der wirtschaftlichen Folgen des Krieges in der Ukraine Mut: „Krise ist Chance“, sagte er.
Gleich zu Beginn der Pandemie habe der Berufsstand bei der Versorgung der Patienten sofort Tritt gefasst und Hygienemaßnahmen konsequent umgesetzt. „Wir haben gezeigt: Wir können Hygiene“, sagte Benz, auch wenn seitens der Politik oft der nötige Respekt gefehlt habe. Angesichts von Energiepreissteigerungen und Inflation stehe der Berufsstand derzeit vor einer wirtschaftlich ungewissen Zukunft. Hier erwarte die Zahnärzteschaft Hilfestellung von der Politik. Auch der ambulante Bereich gehöre in die vom Bund geplanten Energie- und Inflationshilfen im Wirtschaftsstabilisierungsfonds, betonte er.
Ein klares Bekenntnis gab Benz zur freiberuflichen Berufsausübung und zum Generalisten: „Es gibt nur eine Zahnmedizin“, sagte er. „Unsere DNA ist die Freiberuflichkeit – mit kleinen Einheiten, individuell und selbstständig.“ Skeptisch zeigte er sich bei der Bekämpfung des Personalmangels in den Praxen: „Wir tun alles, aber die Prognosen sind nicht rosig.“
„Eine Zahnarztpraxis ist kein Business“
Ein wichtiges Anliegen für BZÄK-Vizepräsident Konstantin von Laffert ist der Bürokratieabbau. „Was wir nicht brauchen, sind Sonderbelastungspakete“, sagte er . Beispiel: die Röntgen-Fortbildung. Die BZÄK setze sich dafür ein, diese künftig nur noch digital durchzuführen. Das habe in der Hochphase der Pandemie sehr gut geklappt. Von Laffert: „Unsere Ministerialbürokratie in vielen Ländern sieht das leider anders, die jagen uns wieder durch die ganze Republik, für nichts und wieder nichts.“
Größte Wachsamkeit mahnte er beim geplanten europäischen Gesundheitsdatenraum EHDS und der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) an. „Wir müssen höllisch aufpassen, dass dort nicht eine Gesetzgebung in Richtung Datensammelei, die wir durchführen müssen, auf handwerklichem Niveau der MDR herauskommt.“ Ein wichtiges Anliegen bleibe auch der Klimaschutz.
Vehement kämpfe die BZÄK auch gegen Bestrebungen eines „Turbo-Kapitalismus in der Zahnmedizin“, berichtete von Laffert. Eine Zahnarztpraxis sei kein Business, sagte er mit Blick auf die wachsende Zahl von investorenbetriebenen MVZ. „Wir sind unseren Patienten verpflichtet, und nicht irgendwelchen Hedgefonds oder institutionellen Anlegern.“
BZÄK-Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler äußerte sich zum Dauerthema GOZ: Dass die Politik die seit 1988 überfällige Novellierung der GOZ auch in dieser Legislatur nicht aufgreife, sei ein Skandal, sagte sie. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe erst vor wenigen Monaten klargestellt, dass laut Koalitionsvertrag nicht am Verhältnis GKV-PKV gerührt werden solle. Eine Reform von GOÄ und GOZ würde das aber tun. Der Minister verweigere sich zudem schlicht der fachlichen Auseinandersetzung. „Und trotzdem werden wir hier weiterkämpfen“, kündigte sie an. „Wir brauchen eine Dynamisierung der GOZ! Mit einer derzeit etwa zehnprozentigen Inflation ist sie nötiger denn je.“
Ermler berichtete ferner von der Förderung des beruflichen Nachwuchses. „Es liegt in unserer Verantwortung, die Bedingungen zu schaffen, die mehr Frauen ermutigen, eine eigene Praxis zu gründen“, sagte sie. Sie plädierte dafür, jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten die Niederlassung mit ihren Vor- und Nachteilen aufzuzeigen und von der Politik Unterstützungsmaßnahmen einzufordern, damit es eine echte Stadt-Land-Gerechtigkeit in der Versorgung geben könne.
Schließlich war der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) mit einer Videobotschaft zugeschaltet. Vor Ort war die Präsidentin des Weltzahnärzteverbands FDI, Prof. Ihsane Ben Yahya, Marokko: Viele Projekte auf internationaler Ebene seien unter maßgeblicher Beteiligung der BZÄK gemeinsam mit den FDI-Mitgliedstaaten auf den Weg gebracht worden, sagte sie. Auch der Präsident der bayerischen Landeszahnärztekammer, ZA Christian Berger, begrüßte die Delegierten. Und Dr. Klaus-Achim Sürmann, Vorsteher der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte (HDZ), verwies auf die enge Verzahnung und Zusammenarbeit des Hilfswerks mit der BZÄK. Auch die Bundesvorsitzenden des Bundesverbands der Zahnmedizinstudierenden (bdzm) und die Vertretungen aller Fachschaften in Deutschland stellten sich den Delegierten vor.
In einer kurzen Feierstunde erhielt Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, langjähriger Vizepräsident der BZÄK und Präsident der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, mit dem Fritz-Linnert-Ehrenzeichen die höchste Auszeichnung der BZÄK. Dr. Helfried Bieber, ehemaliger Flottenarzt der Bundeswehr, wurde mit der Goldenen Ehrennadel der BZÄK ausgezeichnet.
Die Beschlüsse der Bundesversammlung finden Sie aufwww.bzaek.de