Gehört die Homöopathie in den GKV-Leistungskatalog?
In einer neuen Patientenbroschüre informiert die UPD über Homöopathie und deren Nutzen und Risiken. Die Kernfrage für die UPD ist dabei, ob die Homöopathie angesichts der eindeutigen Studienlage zu deren mangelnder Wirksamkeit in den Leistungskatalogen der gesetzlichen Krankenkassen überhaupt etwas zu suchen hat.
Was war der Anlass für die Broschüre? Es gehe um eine Versachlichung der Diskussion und um verständliche Informationen für die Patienten auf der Basis wissenschaftlicher Fakten, erklärt ein Sprecher der UPD gegenüber den zm. Zum Thema Homöopathie gebe es im Internet zwar viele Treffer, die meisten davon seien allerdings einseitig unkritisch oder auch kommerziell basiert, sagte er. Deshalb wolle man mit der neuen Broschüre den Patienten eine Einordnung des Themas erleichtern.
Keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus
„Homöopathische Behandlungsmethoden haben keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus“, betont Thorben Krumwiede, UPD-Geschäftsführer. Zu diesem Ergebnis seien zahlreiche wissenschaftliche Studien über einen langen Zeitraum immer wieder gekommen. Und Johannes Schenkel, ärztlicher Leiter bei der UPD, ergänzt: „Homöopathische Kügelchen sind an sich erstmal nicht schädlich.“ Grundsätzlich habe jeder Patient das Recht, aus den verfügbaren Behandlungsmethoden diejenige zu wählen, die ihn am meisten überzeuge. Homöopathie könne aber gefährlich werden, wenn Menschen mit schweren Erkrankungen sich gegen erwiesenermaßen wirksame Therapien und stattdessen für die Homöopathie entscheiden – etwa bei Krebserkrankungen. Schenkel: „Aufgrund der Fülle von oft falschen oder irreführenden Informationen zur Wirksamkeit der Homöopathie sind Patienten oft nicht ausreichend über Nutzen und Risiken homöopathischer Behandlungen informiert.“
Für die UPD ist die Übernahme von homöopathischen Mitteln durch die Kassen ein falsches Signal. Denn immer spielten auch wirtschaftliche Interessen bei homöopathischen Behandlungsangeboten und Arzneien eine große Rolle. Homöopathie mache zwar insgesamt nur einen kleinen Teil der Gesundheitsausgaben in Deutschland aus. Trotzdem handele es sich um ein Millionengeschäft. So haben laut UPD im Jahr 2020 rezeptfreie, in Apotheken gehandelte homöopathische Arzneimittel etwa 550 Millionen Euro Umsatz erzielt. Hinzu komme, dass viele Krankenkassen die Kosten für homöopathische Behandlungen im Rahmen von Satzungsleistungen übernehmen und diesen Umstand als Werbung nutzen, um potenzielle Kunden zu locken.
Die UPD sieht „auf jeden Fall“ Handlungsbedarf
Krumwiede weiter: „Für Kinder bis zwölf Jahren sind homöopathische Leistungen sogar Regelleistungen. Aus Patientensicht halten wir als UPD das für ein falsches Signal: Patienten gehen davon aus, dass ihre Kasse nur wirksame Therapien mit ausreichender wissenschaftlicher Evidenz bezahlt. Die Corona-Pandemie zeigt, welche fatalen Folgen es haben kann, wenn Falschinformationen zu Gesundheitsthemen um sich greifen.“ Dazu komme, dass aufgrund bestimmter rechtlicher Regelungen homöopathische Arzneimittel ohne wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis verkauft werden können. „Hier sehen wir auf jeden Fall Änderungsbedarf“, so Krumwiede.
Die neue Patienteninformation der UPD zur Homöopathie umreißt das Thema in einem Frage-Antwort-Format. Es geht um die Evidenz, den Placebo-Effekt, den Verzicht auf wirksame Behandlungen und Gesundheitskompetenz. Behandelt wird auch die Sonderstellung homöopathischer Mittel im Arzneimittelgesetz. Mehr dazu unter: www.patientenberatung.de/de/informationen/gesundheit/fragen-und-antworten-homoeopathie
Zum Diskussionsstand über Homöopathie
Die Stellung der Homöopathie steht seit Langem in der Diskussion – es gibt heftige Kritiker, die auf eine mangelnde Evidenz der Methode verweisen. Ebenso gibt es vehementen Widerstand von Homöopathie-Anhängern gegen eine Reform. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte das Thema 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – vorerst zu den Akten gelegt. Die jährlichen Kassen-Ausgaben von rund 20 Millionen Euro seien „so okay“, hatte Spahn damals in den Medien erklärt. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gilt als Homöopathie-Gegner, jedoch scheint das Thema wegen der Priorität der Pandemiebewältigung derzeit im Bundesgesundheitsministerium auf der Agenda nach hinten gerückt zu sein. Im Januar hatten jetzt einige Abgeordnete, die die Kassenfinanzierung von Homöopathie kritisch sehen, die Bundesregierung erneut zum Handeln aufgefordert, so etwa die frühere Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Ria Schröder (FDP), Kathrin Vogler, Obfrau der Linken im Gesundheitsausschuss des Bundestags oder die grüne Bundestagsabgeordnete und Ärztin Paula Piechotta.
Auf zm-Nachfrage erklärt der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dass Homöopathie zu den Satzungsleistungen gehöre: Es handele sich um freiwillige Leistungen der einzelnen Kasse, die unterschiedlich und individuell gestaltet seien. Unter anderem sollten sich die Kassen damit besser im Wettbewerb profilieren können. Die Entscheidung, welche Satzungsleistungen konkret angeboten werden, treffe jedoch die einzelne Kasse, so der Verband. Änderungen am dafür geltenden gesetzlichen Rahmen obliegen dem Gesetzgeber.
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren. Sie ist der Auffassung, dass die Kassen grundsätzlich keine Leistungen der Alternativmedizin finanzieren dürfen, solange der Nutzen nicht nachgewiesen ist. Das beziehe sich auch auf sogenannte Satzungsleistungen und Regelungen zur Kostenerstattung. Eine Ausnahme könnten bestenfalls wissenschaftlich begleitete Erprobungsregelungen darstellen, so die KBV.
„Wir wollen die Homöopathie nicht verbieten“, erklärte ein Sprecher den zm dazu. „Wer homöopathische Mittel haben möchte, soll sie auch bekommen. Dann aber bitte als Selbstzahler und keinesfalls auf Kosten der Solidargemeinschaft. Gerade jetzt in den Zeiten einer Pandemie werden die Gelder der Krankenkassen dringend gebraucht – für Leistungen, die einen klaren wissenschaftlichen Nutzen vorweisen können.“
Die Frage der Erstattungsfähigkeit homöopathischer Präparate ist für die Bundesärztekammer (BÄK) vor allem politisch zu klären. Sie verweist gegenüber den zm auf Aspekte der Patientensicherheit. Der Arzt sollte für Patienten, die Homöopathie wünschen, immer der erste Ansprechpartner sein. Er verfüge über die erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen, die Grenzen sogenannter alternativmedizinischer Verfahren zu erkennen und die notwendigen schulmedizinischen Maßnahmen einzuleiten.
Der 121. Deutsche Ärztetag hat im Jahr 2018 in Erfurt eine Gesamtnovelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) für Ärztinnen und Ärzte beschlossen. Damit hatte der Ärztetag auch den Zusatz-Weiterbildungen zugestimmt, die in Abschnitt C der novellierten MWBO aufgenommen beziehungsweise beibehalten werden. Darunter findet sich auch die Zusatz-Weiterbildung Homöopathie. Die Muster-Ordnung dient den Landesärztekammern als umzusetzende Vorlage. In der Zwischenzeit kam es jedoch im Zuge der Umsetzung der Muster-Ordnung bei der Zusatz-Weiterbildung Homöopathie in den Ländern zu Abweichungen. So haben inzwischen etliche Landesärztekammern – darunter Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein – die Zusatz-Weiterbildung Homöopathie nicht in ihre neue Weiterbildungsordnung übernommen.
Und was sagt die Wissenschaft?
Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (ebm-Netzwerk) sieht die Homöopathie aus heutiger wissenschaftlicher Sicht als Irrweg an. „Sorgfältige Untersuchungen in systematischen Übersichtsarbeiten konnten weder für eine individualisierte noch für eine nicht-individualisierte homöopathische Behandlung konsistente Behandlungseffekte nachweisen, die über eine Placebowirkung hinausgehen“, schreibt zum Beispiel Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, Vorsitzender des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin im KVH-Journal 2/2020.
Auch die informelle interdisziplinäre Expertengruppe „Münsteraner Kreis“ macht sich seit Jahren für die Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie stark, so etwa in ihrem „Münsteraner Memorandum Homöopathie“ (2018). Die Initiative geht auf Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, Lehrstuhlinhaberin für Medizinethik an der Universität Münster, zurück. Dem Kreis gehört auch der Zahnarzt Dr. Hans-Werner Bertelsen aus Bremen an.