Die minimalinvasive Wiederherstellung der Vertikaldimension
Wie die Vertikaldimension im Erosions- beziehungsweise Abrasionsgebiss wiederhergestellt werden kann, wurde von verschiedenen Arbeitsgruppen teilweise sehr unterschiedlich beantwortet. Der indirekte Weg mit zahnfarbenen Teilrestaurationen hat sich mittlerweile als Standard etabliert. Dabei kommen sowohl Komposite als auch keramische Materialien zum Einsatz.
Material und Methode
Die Arbeitsgruppe um Daniel Edelhoff von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Ludwig-Maximilians-Universität München versuchte, diese Frage in einer aufwendigen klinischen Untersuchung zu beantworten. Dafür wurden 21 Patienten mit insgesamt 436 minimalinvasiven Einzelzahnrestaurationen versorgt. Davon waren bei zwölf Patienten 274 gepresste Restaurationen aus Lithiumdisilikat gefertigt, im Seitenzahnbereich monolithisch und im Frontzahnbereich mit der Verblendkeramik des Systems individualisiert. Die restlichen neun Patienten erhielten 162 gefräste monolithische Kompositrestaurationen aus einem experimentellen Material. Vor der definitiven restaurativen Therapie erfolgten ein Wax-up und ein Mock-up in zentrischer Kondylenposition. Die angestrebte Vertikaldimension wurde anhand der folgenden Parameter ermittelt:
Inzisalkantenposition
Längen-Breiten-Verhältnis der zentralen Oberkieferschneidezähne
Phonetik
Interokklusalabstand
Gesichtsprofil
Alle Patienten erhielten Langzeitprovisorien zur Austestung der neuen Vertikaldimension, entweder in Form zahnfarbener Schienen oder in Form adhäsiv befestigter provisorischer Restaurationen (bei allen Patienten aus der Gruppe der finalen keramischen Restaurationen).
Die definitiven Restaurationen der Kompositgruppe wurden meist ohne Präparation rein additiv ausgeführt, während für die Lithiumdisilikatrestaurationen die Mindestschichtstärke gegebenenfalls durch Präparation sichergestellt wurde.
Die keramischen Restaurationen wurden vor adhäsiver Befestigung mittels fünfprozentiger Flusssäure für 20 Sekunden und die Kompositrestaurationen mittels Sandstrahlen (Rocatec soft, ein bar Druck für circa zehn Sekunden) vorbereitet. Anschließend wurden alle Versorgungen mit einem Mehrflaschen-Adhäsivsystem mit der Zahnhartsubstanz verklebt (Syntac Classic, Variolink II, Ivoclar, Schaan/Liechtenstein). Als dynamisches Okklusionskonzept wurde die Front-Eckzahn-Führung mit „Freedom in Centric“ gewählt. Anschließend wurden jährliche Kontrollen nach den USPHS-Kriterien (Tabelle) durchgeführt, wobei zwischen biologischer und technischer Komplikation unterschieden wurde.
Ergebnisse
Die mittlere Beobachtungszeit von fast acht Jahren überlebten alle Restaurationen. Die technischen Misserfolge in der Gruppe der Lithiumdisilikatrestaurationen waren nach USPHS mit dem Wert „Bravo“ belegt und konnten somit repariert oder wieder eingesetzt werden. Sichtbare Abrasion („Bravo“) fand sich an 67,5 Prozent der Lithiumdisilikatversorgungen. Insgesamt gab es bei 5,5 Prozent der keramischen Restaurationen unerwünschte Ereignisse im Beobachtungszeitraum.
Auch alle Kompositrestaurationen überlebten die Beobachtungszeit von im Mittel knapp sieben Jahren, allerdings zeigten hier 25,3 Prozent unerwünschte Ereignisse. So zeigten sich signifikant mehr Frakturen und Verfärbungen als bei den keramischen Restaurationen. Weiterhin traten hier zwei biologische Komplikationen in Form einer Sekundärkaries und in Form einer notwendigen endodontischen Behandlung auf. Bei 91,1 Prozent der Restaurationen wurde okklusaler Verschleiß („Bravo“) dokumentiert.
Diskussion
Die Untersuchung konnte mit einer hohen Anzahl an Restaurationen und einer relativ langen klinischen Beobachtungszeit zeigen, dass minimalinvasive zahnfarbene Restaurationen zur Wiederherstellung der Vertikaldimension sehr gut und reproduzierbar funktionieren.
Einschränkend muss angemerkt werden, dass es sich bei Daniel Edelhoff um einen hochspezialisierten Kliniker in einem Team mit hervorragenden Zahntechnikern handelt und die Ergebnisse vielleicht nicht eins zu eins übertragbar sind. Allerdings waren in der Kompositgruppe mehrere andere Behandler aus seinem Team involviert und auch jene haben sehr gute Ergebnisse gezeigt.
Die Vorbehandlung war in der Gruppe der keramischen Restaurationen sicher aufwendiger, die unerwünschten Ereignisse aber weniger. Weiterhin traten in der Kompositgruppe biologische Komplikationen auf, obwohl noninvasiv gearbeitet wurde. Die minimalinvasive Präparation der Zahnhartsubstanz scheint sich also nicht negativ auszuwirken.
Alle kleineren technischen Komplikationen gefährdeten die Restaurationen nicht, so konnten alle Versorgungen über den gesamten Beobachtungszeitraum in situ bleiben.
Was bedeuten die Ergebnisse für die tägliche Praxis?
Die folgenden Schlussfolgerungen für die klinische Praxis lassen sich treffen:
Sowohl adhäsiv befestigte, gepresste Lithiumdisilikat- als auch gefräste Kompositrestaurationen eignen sich zur Wiederherstellung der Vertikaldimension nach starkem Zahnhartsubstanzverlust. Beide Versorgungsarten zeigten Überlebensraten von 100 Prozent nach fast acht Jahren.
Kompositrestaurationen führen zu mehr technischen Komplikationen als Keramikrestaurationen.
Minimalinvasiv präparierte, adhäsiv befestigte Teilrestaurationen aus Lithiumdisilikat zeigten keine biologischen Komplikationen nach acht Jahren.
Studie:
Edelhoff D, Erdelt KJ, Stawarczyk B, Liebermann A: Pressable lithium disilicate ceramic versus CAD/CAM resin composite restorations in patients with moderate to severe tooth wear: Clinical observations up to 13 years J Esthet Restor Dent. 2023 Jan;35(1):116-128.