Viel auf dem Zettel
Bis Mitte 2014 sollen auch die letzten Entwürfe der insgesamt 14 geplanten Gesetzesinitiativen vorliegen, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Anfang Juli in einer Sitzung des Gesundheitsausschusses im Bundestag an. Die Themenpalette ist breit: Sie reicht von der Reformierung der Krankenhauslandschaft über die weitere Digitalisierung des Gesundheitssystems bis hin zu neuen Regelungen für den Konsum von Cannabis. Da kann man schon mal den Überblick verlieren – weshalb wir die Kerninhalte der wichtigsten Gesetzesvorhaben vorstellen.
Krankenhausreform
Damit möchte die Bundesregierung nach eigener Aussage „unnötige“ Klinikschließungen vermeiden und flächendeckend eine hochwertige Versorgung sicherstellen, auch auf dem Land. Dazu soll die Finanzierung der Krankenhäuser verändert werden. Vom System der Fallpauschalen möchte man sich verabschieden. Die Idee ist, die Krankenhäuser von dem finanziellen Druck zu befreien, immer mehr Fälle zu übernehmen und auch solche Behandlungen durchzuführen, für die ihnen eigentlich Fachkenntnis und Erfahrung fehlen. Zukünftig sollen die Krankenhäuser eine feste Vorhaltevergütung für Leistungsgruppen erhalten, die ihnen durch die Planungsbehörden der Länder zugewiesen werden.
Zudem sollen sich die Krankenhäuser in ihren Leistungsangeboten stärker differenzieren. Nicht jedes Haus soll alles anbieten. Es sollen verschiedene Level (insgesamt drei) eingeführt werden, die signalisieren, wie umfassend das medizinische Angebot eines Hauses ist. Das Spektrum reicht vom Grund- bis zum Maximalversorger.
Status: Am 10. Juli 2023 einigten sich Bund und 14 Länder auf ein Eckpunktepapier für die Reform. Bayern lehnte den Vorschlag ab, Schleswig-Holstein enthielt sich. Auf Basis des Eckpunktepapiers wird zurzeit ein Entwurf erarbeitet. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten.
Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz)
Flankierend zur Krankenhausreform ist ein Krankenhaustransparenzgesetz geplant. „Patientinnen und Patienten sollen erkennen können, welches Krankenhaus in ihrer Nähe welche Leistungen anbietet, und wie diese Klinik im Hinblick auf Qualität sowie ärztliche und pflegerische Personalausstattung abschneidet“, heißt es dazu auf der BMG-Website. Diese Informationen sollen in einem Onlineportal zusammengeführt werden, dessen Start für den 1. April 2024 terminiert wurde. Mit der Aufbereitung der relevanten Daten soll das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) betraut werden.
Status: Am 16. August 2023 legte die Bundesregierung eine Formulierungshilfe für einen Gesetzesentwurf vor, der an die Regierungsfraktionen ging. Am 30. August folgte die Anhörung der Verbände im BMG. Am 13. September [nach Redaktionsschluss] soll es den Kabinettsbeschluss dazu geben, im Anschluss würde das für die Länder nicht zustimmungspflichtige Gesetz in Kraft treten.
Hinweis: Am aktuellen Entwurf der BMG-Planungen für das Gesetz üben zahlreiche Verbände scharfe Kritik. Auch die KZBV hat in einer Stellungnahme Nachbesserungen gefordert.
Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG)
Ziel des Gesetzes ist es, dezentral gespeicherte Gesundheitsdaten besser nutzbar zu machen. Forschende sollen sie leichter finden und miteinander verknüpfen können. Geplant ist, die elektronische Patientenakte (ePa) an dieses Datennetz anzuschließen – es sei denn, der oder die Versicherte widerspricht dem aktiv.
Laut Ministerium soll die Datenauswertung nur für gemeinwohlorientierte Zwecke erlaubt sein, etwa um die gesundheitliche Versorgung zu verbessern. Datenabrufe zum Zweck eines Vertragsabschlusses oder für Werbung und Marktforschung sind ausgeschlossen. Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang die Passage des GDNG-Entwurfs, die es den Kranken- und Pflegekassen erlaubt, bestimmte Gesundheitsdaten ihrer Versicherten auszuwerten und sie auf Basis der Erkenntnisse zu kontaktieren. Der Entwurf grenzt dieses Recht auf die Bereiche Arzneimitteltherapiesicherheit und Früherkennung von seltenen Erkrankungen, von Krebsrisiken sowie anderer schwerwiegender Gesundheitsgefährdungen ein. Versicherte sollen der automatisierten Datenverarbeitung durch ihre Kranken- und Pflegekasse widersprechen können.
Zudem soll Bürokratie als Forschungshemmnis durch das GDNG abgebaut werden, insbesondere durch vereinfachte Abstimmungsprozesse mit den Datenschutzaufsichtsbehörden. Als zentraler Ansprechpartner ist eine Datenzugangs- und Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgesehen. Zusätzlich wird das ebenfalls dort angesiedelte Forschungsdatenzentrum (FDZ) ausgebaut. Letzteres übernimmt die Aufgabe, Abrechnungsdaten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzuführen und aufzubereiten. Die Datenzugangs- und Koordinierungsstelle ist mit der Umsetzung, also dem konkreten Zugriff auf die Daten und dem Zusammenfluss der FDZ-Daten mit Daten anderer Datenquellen, betraut. Die Datenzugangs- und Koordinierungsstelle muss jede Anfrage für eine Verknüpfung der Daten des FDZ mit anderen Datenquellen individuell absegnen. Die Daten werden in Form einer Forschungskennziffer pseudonymisiert bereitgestellt. Diese wird anlassbezogen erstellt, das heißt, Versicherten wird keine feste Forschungskennziffer zugeteilt.
Status: Das BMG hat am 4. August 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt, der am 30. August vom Bundeskabinett verabschiedet wurde.
Hinweis: KZBV und BZÄK haben eine gemeinsame, kritische Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf veröffentlicht.
Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG)
Das DigiG soll den Behandlungsalltag sowohl für Ärztinnen und Ärzte als auch für Patientinnen und Patienten mithilfe digitaler Anwendungen vereinfachen. Eine zentrale Rolle spielt die elektronische Patientenakte (ePa), um deren Einrichtung es im DigiG geht. Sie soll ab 2025 automatisch Standard für alle gesetzlich Versicherten sein, es sei denn sie widersprechen der Nutzung (Opt-Out). Zudem wird das E-Rezept ab dem 1. Januar 2024 als verbindlicher Standard eingerichtet.
Das DigiG soll digitalisierte Gesundheitsanwendungen und assistierte Telemedizin stärker etablieren. Zukünftig soll mehr Telemedizin möglich sein. Dazu wird die 30-Prozent-Begrenzung aufgehoben. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass ein Digitalbeirat die gematik bei ihren Festlegungen mit Blick auf Datenschutz und -sicherheit, Datennutzung und Anwenderfreundlichkeit berät.
Status: Das BMG hat am 13. Juli 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt, der am 30. August vom Kabinett abgesegnet wurde.
Hinweis: In einer gemeinsamen Stellungnahme beziehen KZBV und BZÄK kritisch Stellung zu dem Entwurf.
Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune I (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)
Durch dieses Gesetz sollen in besonders benachteiligten Regionen und Stadtteilen niedrigschwellige Beratungsangebote für Behandlung und Prävention, sogenannte Gesundheitskioske, etabliert werden können. Diese sollen von Kommunen und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) unter Beteiligung der privaten Krankenversicherung (PKV) errichtet werden. Dabei soll das Initiativrecht bei den Kommunen liegen. Die Finanzierung soll zwischen den Kommunen (20 Prozent) auf der einen sowie GKV (74,5 Prozent) und PKV (5,5 Prozent) auf der anderen Seite aufgeteilt werden. Perspektivisch sollen insbesondere Pflegefachkräfte mit Heilkundekompetenz im Sinne des sogenannten „Community Health Nursing“ die Leitung der Gesundheitskioske übernehmen.
In ländlichen Regionen sollen Primärversorgungszentren die Versorgung sicherstellen. Und um die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Kommunen zu erleichtern, sieht der Gesetzesentwurf für die Zulassung eines MVZ als GmbH die Möglichkeit vor, die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsleistungen der Höhe nach zu begrenzen. Darüber hinaus soll klargestellt werden, dass die Verwendung von Mitteln des Strukturfonds zur Förderung der vertragsärztlichen Versorgung nicht von der Feststellung einer Unterversorgung oder eines zusätzlichen lokalen Versorgungsbedarfs abhängt.
Eine weitere Regelung betrifft die Pflege. Deren Interessenvertretung soll im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gestärkt werden. Dazu sollen die Berufsorganisationen der Pflegeberufe ein Antrags- und Mitberatungsrecht bei den Richtlinien und Beschlüssen über die Qualitätssicherung sowie bei weiteren Aufgabenbereichen des G-BA erhalten, die die Berufsausübung der Pflegeberufe betreffen. Ferner soll laut Entwurf die Patientenvertretung das Recht erhalten, eine Beschlussfassung im Plenum einmalig zu verhindern, wodurch eine erneute Auseinandersetzung mit den bestehenden Bedenken oder Einwänden der Patientenvertretung in den Gremien des G-BA erfolgen soll.
Status: Seit dem 15. Juni 2023 liegt die Arbeitsfassung für einen Referentenentwurf vor.
Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune II (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG)
Im GVSG II sind Regelungen für die Gründung und den Betrieb investorengetragener medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) vorgesehen. Außerdem soll es um eine Verbesserung der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung gehen, die Einhaltung der vertragsärztlichen Versorgungsaufträge sowie den Zugang zu Heilmittelerbringern.
Status: Das BMG arbeitet an einem Entwurf. Bayern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein hatten im Mai 2023 eine gemeinsame Bundesratsinitiative entworfen, um iMVZ stärker zu regulieren.
Hinweis: Die KZBV hatte den Vorstoß der drei Bundesländer in einer Mitteilung ausdrücklich begrüßt.
Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG)
Mit diesem Gesetz sollen Anbau und Konsum von Cannabis teilweise legalisiert werden. Im Detail heißt das: Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis wäre künftig straffrei. Zudem soll Erwachsenen der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen beziehungsweise Genossenschaften erlaubt sein. Deren Mitglieder müssen volljährig sein. Ab 21 Jahre können sie maximal 50 Gramm Cannabis pro Monat von der Genossenschaft erhalten. Zwischen 18 und 21 Jahre soll die Menge auf 30 Gramm gedeckelt sein.
Die Kontrolle der Anbauvereinigungen obliegt den Ländern. Um Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kinderspielplätze und öffentlich zugängliche Sportstätten soll eine Schutzzone (200 Meter) eingerichtet werden, in der der Konsum von Cannabis untersagt ist.
Gleichzeitig sollen entsprechende Präventionsmaßnahmen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gestärkt werden.
Status: Das BMG hatte am 6. Juli 2023 einen Entwurf vorgelegt, den das Kabinett am 16. August beschlossen hat.
Ebenfalls zurzeit in Arbeit
Schon im Mai 2023 hat es der Referentenentwurf für das „Gesetz zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (PflStudStG) durch das Bundeskabinett geschafft. Es soll den Pflegeberuf aufwerten. Dazu wird die Ausbildung als duales Studium gestaltet und Studierende erhalten für die gesamte Dauer ihres Studiums eine Vergütung. Themen wie Digitalisierung und Gendermedizin sollen stärker berücksichtigt und Auslandsaufenthalte erleichtert werden. Die Anerkennung ausländischer Pflegefachkräfte soll unter anderem dadurch vereinfacht werden, dass die umfassende Gleichwertigkeitsprüfung durch eine Kenntnisprüfung oder einen Anpassungslehrgang ersetzt werden.
Angekündigt hatte Karl Lauterbach auch einen erneuten Anlauf zur Reformierung der Organspendegesetze. Er sprach sich im Januar 2023 für die Einführung einer Widerspruchslösung aus. Demnach müssen Bürgerinnen und Bürger aktiv widersprechen, wenn sie keine Organe spenden möchten.
Mithilfe eines Medizinregistergesetzes (die zm berichteten in Heft 15-16/2023) möchte das BMG Ordnung in die unübersichtliche Landschaft der knapp 400 medizinischen Register in Deutschland bringen und sie für die Forschung nutzbarer machen. Ein Gesetzentwurf soll im Lauf des Herbstes kommen.
Noch Baustellen sind darüber hinaus die Errichtung einer Digitalagentur sowie eines Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit. Zu letzterem hatte sich Lauterbach bereits im Januar 2022 bekannt. Das geplante Institut soll zur zentralen Schnittstelle im ÖGD werden. Unter anderem fiele ihm zu, die Fort- und Weiterbildung zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass alle Gesundheitsämter in Deutschland mit einheitlichen Software-Standards arbeiten. Ein Gesetzentwurf steht jedoch zurzeit noch aus.