Starkes Signal der Gesundheitsberufe
Im Juli konnte an dieser Stelle über die „Münsteraner Erklärung“ der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) berichtet werden. Sie war aus der diesjährigen Vorstandsklausur in Münster heraus entstanden und beschäftigt sich mit den Herausforderungen, die die demografische Entwicklung in Deutschland für die Zahnmedizin bedeutet. Sie baut auf der letztjährigen „Warnemünder Erklärung“ auf. Ein Punkt dabei ist der zunehmende Personalmangel, den jede Praxis kennt, zum anderen der massive Druck auf unsere Sozialsysteme durch die schwindende Zahl der berufstätigen Beitragszahler. Will man Leistungskürzungen vermeiden, kann dies für die Medizin nur bedeuten, dass die Eigenverantwortung der Patienten deutlich steigen muss – unterstützt zum Beispiel durch private Versicherungen.
Mit ähnlichem Hintergrund wie die „Münsteraner Erklärung“ der BZÄK hat die Bundesärztekammer nun ein großes Panel von Gesundheitsberufen – natürlich auch die Zahnmedizin – zu einem „Bündnis Gesundheit“ zusammengerufen. Dieses Bündnis repräsentiert immerhin vier Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen.
Aus intensiven Diskussionsrunden heraus ist ein Thesenpapier entstanden, das sich als eindringlicher Appell an den Bundeskanzler und die politischen Schlüsselressorts richtet. Am 18. September wurde das Papier der Öffentlichkeit vorgestellt.
Den Einstieg bildet die bekannte und dennoch immer wieder bedrückende Prognose, dass Deutschland „auf eine demografische Krise zu[steuert], die bereits in den nächsten drei bis fünf Jahren zu tiefen Einschnitten des Leistungsniveaus führen“ könnte.
So werde „der demografische Wandel […] durch einen Anstieg der Krankheitslast und einen dramatischen Verlust an Arbeitskraft zu großen Herausforderungen für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung führen“. Für die notwendigen finanziellen Mittel könnten „die nachkommenden Generationen nicht allein aufkommen“.
Was will das Bündnis Gesundheit nun vom Kanzler? Fünf Kernthemen lassen sich identifizieren:
1. Versorgung: Die ambulante Versorgung muss bei der Politik die gleiche Priorität haben wie die Krankenhäuser. Nur so kann eine wohnortnahe, flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in Stadt und Land gewährleistet werden. Der Vorbeugung von Krankheiten kommt dabei die zentrale Rolle zu.
2. Finanzierung: Leistungsträger bleiben nur im System, wenn sie auskömmlich finanziert sind und nicht regelmäßig am Rand ihrer Belastungsgrenze arbeiten. Das (zahn)ärztliche Engagement darf nicht an Budgetgrenzen scheitern, Steuern auf krankmachende Genussmittel müssen direkt in die Patientenversorgung fließen und versicherungsfremde Leistungen gehören nicht in die Sozialversicherung.
3. Praxischeck: Nur die Gesundheitsberufe können beurteilen, ob neue Ideen in der Realität funktionieren. Deshalb müssen sie in die Entscheidungsgremien des Gesundheitswesens und in die Konzeption von Reformvorhaben eingebunden werden. Projekte der Digitalisierung sind nur sinnvoll, wenn sie patienten- und mitarbeiterorientiert gestaltet werden. Überbordende Bürokratisierung vernichtet Zeit und Motivation.
4. Personal: Kampagnen zur Gewinnung von Auszubildenden und Fachkräften in allen Versorgungsbereichen sind notwendig. Damit allein sind aber die demografischen Herausforderungen nicht zu bewältigen. Dafür braucht es dann auch die Zuwanderung und Integration von ausländischen Mitarbeitenden.
5. Investoren: Die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen muss beendet werden. Dazu braucht es klare Regeln für Aktivitäten von Private-Equity im Gesundheits- und Pflegewesen. Ein hoher Kommerzialisierungsdruck führt überdies zu anhaltender Frustration des Gesundheitspersonals und befördert den Ausstieg aus der Versorgung.
Das Bündnis Gesundheit ist eine Allianz, in der sich vier Millionen Beschäftigte (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) im Gesundheitswesen mit einer Stimme äußern, wie unser Gesundheitssystem den dramatischen Herausforderungen begegnen muss. Aber nicht an allem ist der Kanzler Schuld: Ohne den Willen zur Niederlassung in der kleinen Struktur kann die demografische Transformation nicht gelingen. Das gilt für den ärztlichen Beruf genauso wie für uns!
Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident der Bundeszahnärztekammer