Dentaler Wahl-O-Mat
Wenige Tage vor der Bundestagswahl sollen hier die gesundheitspolitischen Ziele der größeren Parteien (in alphabetischer Reihung) aus ihren aktuellen Wahlprogrammen dargestellt werden.
Was die Parteien sagen: Die AfD sieht die „freiberuflich geführte Inhaberpraxis“ als „Rückgrat der ambulanten Versorgung“ und dies ohne Budgetgrenzen. Die Krankenhausreform soll durch individuelle Vereinbarungen ersetzt werden. Statt der elektronischen Patientenakte (ePA) würde die Versichertenkarte mit Notfalldaten, Medikationsplan und Patientenverfügung genügen. Geld wäre zu generieren durch eine „Vereinfachung der enorm aufgesplitterten Selbstverwaltungsstrukturen bei Kassenärzten“ und Krankenhäusern, durch die Steuerfinanzierung der Versicherung von Bürgergeldempfängern und Bonussysteme, die Bagatellbehandlungen reduzieren sollen.
Das BSW beklagt „das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt“ und dass „die Zusatzbeiträge […] 2025 drastisch“ steigen. Die Qualität liege jedoch „auf den hinteren Plätzen“. Die Bürgerversicherung soll kommen und Zahnersatz vollständig bezahlt werden. Hausärzte würden mehr Geld bekommen und Krankenhäuser nicht geschlossen werden. Geld käme aus der „Steuerfinanzierung von versicherungsfremden Leistungen“.
Die CDU betont die großen Herausforderungen durch die alternde Gesellschaft. Sie bekennt sich zur Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und zur Freiberuflichkeit. Haus- und Kinderärzte sollen eine Steuerungsfunktion erhalten und der kalte Strukturwandel der Krankenhäuser soll verhindert werden. Prävention stünde im Vordergrund und die deutsche Pharma- und Gesundheitswirtschaft solle zu einer „Leitökonomie“ werden.
Für die Grünen steht die Prävention im Vordergrund und sie möchten die Primärversorgung insbesondere durch Hausärzte stärken. Helfen sollen dabei Gemeindeschwestern und „Medizin auf Rädern“. Die Grünen wollen den „Einfluss von Finanzinvestoren auf unsere Gesundheits- und Pflegeversorgung begrenzen“. „Kapitaleinnahmen“ und die Steuerfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen sollen dabei Geld für die Gesundheit generieren.
Die FDP bekennt sich zur Freiberuflichkeit in der Selbstverwaltung und zum Dualismus aus GKV und PKV. Ihr Primärarztkonzept fokussiert auf Haus- und Kinderärzte, alle Gesundheitsberufe sollen budgetfrei sein und die Krankenhäuser ihre „Kostenentwicklung bremsen“. Präventionsorientierte Patienten würden Beiträge sparen und Therapieerfolge wären besonders zu vergüten.
Die SPD betont, dass „die gesetzliche Krankenversicherung vor erheblichen Herausforderungen“ steht. Der eingeschlagene Weg soll sich fortsetzen: Kioske, Gemeindeschwestern, kommunale MVZ, Krankenhausreform. Einen Schwerpunkt sieht die SPD in der haus- und kinderärztlichen Versorgung ohne Budgetgrenzen. Die Bürgerversicherung wird gefordert und versicherungsfremde Aufgaben sollen aus Steuermitteln bezahlt werden. Mit „Gemeinwohl vor Profit“ könnte die SPD Investoren meinen, vielleicht aber auch den Arzt in der eigenen Praxis.
Was die Realität sagt: Die Bundesrepublik Deutschland steht vor den vermutlich größten Herausforderungen der sozialen Systeme seit ihrem Bestehen. Ein kleiner Impuls mag das verdeutlichen: 1960 teilten sich noch sechs Arbeitnehmer einen Rentner, aktuell sind es 1,8 – mit der Tendenz zu noch weniger, weil die Boomer-Welle gerade erst beginnt. In dieser Lage wohlfeile Geschenke zu versprechen, die viele Milliarden kosten würden, Milliarden die aber niemand hat, das ist unseriös. Vier Parteien wollen vorrangig die „versicherungsfremden Leistungen“ schröpfen. Bei den knapp 60 Milliarden Euro, die in diesem Konglomerat stecken, scheinen manche vorrangig an Bürgergeldempfänger zu denken. Deren Anteil (9 Milliarden) ist aber schon heute gegenfinanziert und an den größten Batzen (33 Milliarden), nämlich die beitragsfreie Mitversicherung von 15,9 Millionen Familienangehörigen, wird sich niemand herantrauen.
Wir sollten den Mut haben, eine starke Bundesregierung zu wählen, eine Bundesregierung die nicht mehr „flickschustert“, sondern sich traut, disruptive Schritte zu gehen. Denn eins ist klar: Wenn es nicht disruptiv wird, kann es nicht gut werden.
Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident der Bundeszahnärztekammer