Die DMS • 6 zeigt: Prävention wirkt!

Martin Hendges
,
Christoph Benz

2016 wurde die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) der Öffentlichkeit vorgestellt. Neun Jahre später halten wir nun die Ergebnisse der DMS • 6 in den Händen. Neun Jahre sind ein Zeitraum, in dem viel passieren kann – auch in der Zahnmedizin und bei der Mundgesundheit. Um es vorwegzunehmen: Die Ergebnisse sind überaus erfreulich, zeigen sie doch, dass insbesondere unsere präventiven Maßnahmen in der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland nachhaltige Früchte tragen. Das Motto der Studie bringt es auf den Punkt: Prävention wirkt!

Die DMS • 6 ist die größte repräsentative oralepidemiologische Bevölkerungsstudie in Deutschland und liefert umfassende Einblicke in den Zustand der Mundgesundheit der Bevölkerung in Deutschland – von den Kindern bis zu den Menschen im Rentenalter. In dieser Form weltweit einmalig ist sie ein hervorragendes Stück Wissenschaft, das das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) mit großem Aufwand und Engagement erarbeitet hat. So mussten die IDZ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nach den umfangreichen Untersuchungen nicht weniger als 3.374 Datensätze auswerten.

Auch wenn es zunächst um die Beschreibung der Mundgesundheit, des Mundgesundheitsverhaltens und des zahnmedizinischen Versorgungsgrads im Sinne einer deskriptiven Epidemiologie geht, so sind die DMS immer auch ein wichtiger Gradmesser dafür, ob unsere vergangenen standespolitischen Entscheidungen richtig waren. Bereits die DMS V hatte gezeigt, dass der Paradigmenwechsel hin zu einer präventionsorientierten Versorgung in Deutschland hervorragend funktioniert hat. Mit der DMS • 6 setzt sich dieser Trend eindrucksvoll fort.

Hier sind insbesondere die in den vergangenen Jahrzehnten signifikanten Fortschritte in der Kariesprävention hervorzuheben. So ist die Anzahl an Füllungen zwischen 2005 und 2023 um 23,8 Prozent gesunken. Rund vier von fünf Zwölfjährigen sind heute kariesfrei. Zum Vergleich: Bei der ersten DMS Anfang der 1990er-Jahre war dies nur etwa jedes dritte Kind in diesem Alter. Bei jüngeren Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) hat sich die Karieserfahrung seit der DMS I halbiert; die Anzahl fehlender Zähne hat sich drastisch reduziert – bis zur Mitte des Lebens ist man heute praktisch noch voll bezahnt. Im Gegensatz dazu konnte man viele Jahre sagen, dass in der Mitte des Lebens die Hälfte des Gebisses eine Karieserfahrung aufwies.

Die Nachhaltigkeit der Prävention in der Kindheit zeigt sich jetzt auch erstmalig in der Gruppe der jüngeren Erwachsenen, der ersten Generation, die im Paradigmenwechsel der nachhaltigen Prävention groß geworden ist. Und bei den jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) verdeutlicht sowohl der Rückgang der Anzahl fehlender Zähne seit der DMS V (von 11,1 auf 8,6) als auch der Anstieg der funktionstüchtigen Zähne (von 16,4 auf 18,8) die Wirksamkeit einer zahnerhaltenden Therapie. Es zeigt sich, dass die Individualprophylaxe die beste Investition in eine langfristige Mundgesundheit ist.

Die Erfolge der zahnmedizinischen Prävention können wir also über alle Altersgruppen hinweg sehen. Dies führt nicht nur zu einer verbesserten Mundgesundheit, sondern auch zu einer spürbaren Senkung der Krankheitskosten für Kariesbehandlungen: von etwa 7,5 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf aktuell 5,9 Milliarden Euro (preisbereinigt). Dadurch werden sowohl die gesetzlichen als auch die privaten Krankenkassen finanziell deutlich entlastet.

Aber diese unbestreitbaren Erfolge sind kein Grund, sich auszuruhen oder gar die Präventionsbemühungen zurückzufahren. Ganz im Gegenteil. Wir müssen genau hinschauen, welche Gruppen wir bislang nicht genügend erreichen. Aus sozialmedizinischer Sicht scheint es sinnvoll, die zukünftigen Präventionsstrategien konkret entlang der Lebensweltorientierung der bislang nicht erreichten Gruppen und Communitys auszurichten. Das betrifft insbesondere Kinder aus bildungsschwachen Familien. Eine weitere Herausforderung in der Versorgung stellen außerdem Menschen mit Migrationsgeschichte dar, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sind.

Große Erfolge können wir auch bei der Behandlung der Volkskrankheit Parodontitis verzeichnen. Die Verbreitung von Parodontalerkrankungen ist in den vergangenen Jahrzehnten zwar zurückgegangen, was größtenteils auf die Umsetzung präventiver Maßnahmen zurückzuführen ist; allerdings bleibt die Krankheitslast erheblich und angesichts der massiven Einschnitte durch das Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) ist es nicht annähernd möglich, die gesamte Behandlungslast zu bewältigen. Es ist sowohl aus Sicht der Versorgung als auch ökonomisch eine politische Fehlentscheidung gewesen, die versprochenen Mittel für die neue Parodontitisbehandlungsstrecke durch das FinStG wieder stark einzuschränken.

Wir fordern deshalb die künftige Bundesregierung auf, hier wieder den Kurs zu wechseln und den Erfolgsweg der Prävention mit uns zu gehen. Denn die Zahnmedizin ist das Paradebeispiel für die Wirkung von Prävention im Gesundheitswesen, wie man am Beispiel der Kariesversorgung gut sehen kann. Durch eine unbehandelte beziehungsweise nicht frühzeitig behandelte Parodontitis entstehen hohe Folgekosten für das Gesundheitssystem, die allein im zahnärztlichen Bereich bei rund 200 Millionen Euro jährlich liegen. Dazu kommen indirekte Krankheitskosten, die eine international vergleichende Studie für Deutschland mit rund 34,79 Milliarden Euro beziffert. Wir senken also durch unseren präventionsorientierten Weg massiv Kosten.

Die DMS • 6 ist die weltweit erste epidemiologische Studie, die die neue Paro-Klassifikation auf Bevölkerungsebene angewendet hat. Insofern liegen bislang keine Erfahrungen zum epidemiologischen Einsatz der neuen Klassifikation vor. Danach fallen 95,1 Prozent der jüngeren Erwachsenen in die Stadien I bis IV. Bei den jüngeren Senioren sind es 85,2 Prozent. Allerdings schließt die neue Paro-Klassifikation eine größere Gruppe ein als die GKV-Richtlinie, wonach 50 Prozent der Patientinnen und Patienten im Stadium I und 80 Prozent im Stadium II als behandlungsbedürftig gelten.

Doch Karies und Parodontitis sind nur zwei Themenschwerpunkte, die in der 140 Seiten starken DMS • 6 beleuchtet werden. Weitere Schwerpunkte sind die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) und Erosionen, Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Zahnverlust und Versorgung, Mundgesundheitsverhalten sowie Migration und noch einige mehr.

All diese umfangreichen Ergebnisse dienen uns als zentrales epidemiologisches Instrument zur Festlegung der zukünftigen versorgungspolitischen Ziele und der Ausrichtung der Zahnmedizin. Auf Grundlage dieser fundierten Datenbasis können wir sehen, wo es Versorgungsnotwendigkeiten gibt, die neu entstanden sind oder die bisher nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Damit hat die deutsche Zahnärzteschaft wieder einmal ihre Hausaufgaben gemacht. Und das Ergebnis kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn mit einer neuen Regierung werden – hoffentlich – auch die Weichen in der Gesundheitspolitik neu gestellt. Und wir können mit der DMS • 6 detailliert darlegen, wo es im Bereich der zahnmedizinischen Versorgung hingehen muss.

Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident der Bundeszahnärztekammer

135806-flexible-1900

Martin Hendges

Vorstandsvorsitzender der KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung
171572-flexible-1900

Prof. Dr. Christoph Benz

Präsident der BZÄK
Bundeszahnärztekammer

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