Anzeichen von häuslicher Gewalt? Das können Sie tun!
Gerade erst wurden am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen die aktuellen Zahlen in Deutschland veröffentlicht. Das Bundeskriminalamt hat im November 2024 das „Bundeslagebild 2023 – Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“ veröffentlicht. Es zeigt, dass in Deutschland im vergangenen Jahr 180.715 Frauen häusliche Gewalt erlebt haben. Die Täter sind in erster Linie (Ex-)Partner, oder Familienmitglieder.
Die Zahnärztekammer (ZÄK) Berlin hat in Kooperation mit dem „Runden Tisch Berlin – Gesundheitsversorgung bei häuslicher und sexualisierter Gewalt“ (RTB) nun einen „Handlungsleitfaden Häusliche Gewalt“ für Zahnärztinnen und Zahnärzte und Praxisteams herausgegeben. Dieser bietet praktische Unterstützung bei der Ansprache und Gesundheitsversorgung von eventuell betroffenen Patientinnen.
Zahnärzte bekommen Spuren oftmals als erste und einzige Außenstehende zu sehen
„Häusliche und sexualisierte Gewalt kommt unabhängig von der sozioökonomischen Lage, von kulturellen oder religiösen Kontexten oder vom Alter vor. Leider ist die Dunkelziffer hier sehr hoch, nur ein sehr geringer Prozentsatz der Taten wird überhaupt bemerkt oder gar angezeigt“, sagt Dr. Karsten Heegewaldt, Präsident der ZÄK Berlin.
Opfer zögern häufig aus Angst oder Scham, sich an Außenstehende zu wenden und Unterstützung zu suchen. „Umso wichtiger ist es für unsere Berufsgruppe, zu handeln: Werden Sie bitte aktiv, sollten Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten Anzeichen von Gewalt bemerken. Nichts ist schlimmer, als aus Unsicherheit nichts zu tun oder wegzuschauen.“
Ein wichtiger Schritt ist die Vermittlung an eine Hilfeeinrichtung
Der Leitfaden führt das Praxis-Team Schritt für Schritt und mit konkreten Formulierungshilfen durch die Gesprächsführung bei Erkennung, Dokumentation und Versorgung. Auf der Rückseite des DIN-A4-Blattes sind alle wichtigen Kontaktdaten zu nachfolgenden Hilfeeinrichtungen aufgeführt, damit schnell Kontakt ins Hilfsnetz gebahnt werden kann.
So steht etwa die „BIG Hotline 030 - 611 03 00“ als eine kostenfreie und mehrsprachige telefonische Beratungsstelle bei häuslicher Gewalt 24/7 zur Verfügung.
„Verletzungen am Mund, am Kiefer und an den Zähnen gehören zu den häufigsten Folgen von Gewalt in Paarbeziehungen„, ergänzt Karin Wieners, wissenschaftliche Referentin des RTB. “Nehmen Zahnärzte und zahnmedizinische Fachangestellte Anzeichen für Gewalt wahr und fühlen sie sich sicher im Ansprechen, in der Versorgung und Zusammenarbeit mit spezialisierten Hilfeeinrichtungen, können sie für Betroffene wichtige unterstützende Ansprechpartner sein."
Der Handlungsleitfaden Häusliche Gewalt steht auf der Website der ZÄK Berlin zum Download und Ausdruck kostenlos zur Verfügung.
Der Runde Tisch Berlin – Gesundheitsversorgung bei häuslicher und sexualisierter Gewalt (RTB) wurde 2019 von der Senatsverwaltung für Gesundheit eingerichtet. An dem Gremium sind 31 Organisationen und Verbände aus dem Berliner Gesundheitswesen, unter anderem die ZÄK Berlin, sowie Vertreter von Polizei, Hilfesystem, Kinderschutz und Forschung beteiligt.
Die Mitglieder erarbeiten Handlungsempfehlungen und Standardprozeduren für relevante Versorgungsbereiche, formulieren Versorgungsaufträge und stellen Öffentlichkeit her. Sie integrieren die Thematik in Aus- und Weiterbildungen und unterstützen interdisziplinäre Versorgungsansätze wie pro-aktive Beratungsangebote in den Zentralen Notaufnahmen Berliner Kliniken. Der Runde Tisch ist bundesweit einzigartig.