Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Junkfood-Werbeschranken belasten nicht die Wirtschaft

mg
Politik
Die geplanten Beschränkungen der Werbung für ungesunde Lebensmittel können die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen effektiv schützen, ohne die Wirtschaft zu belasten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie.

Die Kurzstudie der DIW Econ, einer Beratungstochter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wurde im Auftrag der Verbraucherorganisation foodwatch durchgeführt. Die Untersuchung widerlegt Befürchtungen der Lebensmittel- und Werbeindustrie vor massiven Einnahmeverlusten. Die prognostizierten Werbeeinbußen würden „gemeinhin deutlich überschätzt“, heißt es in der Studie. Dahingegen biete das Gesetz das Potenzial, erhebliche Gesundheitskosten einzusparen. foodwatch forderte die Bundesregierung daher auf, ihren internen Streit beizulegen und das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir angestoßene Vorhaben zeitnah umzusetzen.  

„Die Industrie betreibt Panikmache, wenn sie vor einem massiven Einbruch der Werbeetats und einem Untergang der Medienlandschaft warnt. Die Befürchtungen sind übertrieben und unbegründet“, sagte Luise Molling von foodwatch. „Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel sind laut Weltgesundheitsorganisation und zahlreichen anderen Fachgesellschaften ein zentraler Baustein im Kampf gegen Fehlernährung bei Kindern. Die Bundesregierung darf sich nicht länger von den Falschaussagen der Lebensmittel- und Medienlobby in die Irre führen lassen und muss die Gesundheit der Kinder über die Profitinteressen der Konzerne stellen.“

Die Werbeetats könnten sich zugunsten gesünderer Produkte verlagern

Ein im Juni 2023 veröffentlichtes Gutachten des Markenverbands, einer Lobbyorganisation der Markenwirtschaft, prognostiziert Verluste von Werbeeinnahmen in Höhe von jährlich drei Milliarden Euro. Die Studie des DIW Econ verweist indes auf Erfahrungen aus Ländern wie Chile oder Südkorea, wo Lebensmittelhersteller ihre Werbebudgets nicht einfach ersatzlos gestrichen, sondern flexibel auf die Beschränkungen reagiert hätten. Um weiterhin Werbung betreiben zu können, passten die Unternehmen ihre Werbestrategien an, schalteten vermehrt Markenwerbung und gestalteten die Rezepturen ihrer Produkte gesünder. Insgesamt führten Werbebeschränkungen nicht zu einem Rückgang der Gesamt-Werbeausgaben, sondern lediglich zu einer Verlagerung hin zu ausgewogeneren Produkten, so die Studie.

Die ökonomischen Vorteile des geplanten Kinderschutz-Gesetzes sind laut der DIW-Analyse hingegen signifikant. So könnten die ernährungsbedingten Gesundheitskosten deutlich gesenkt werden. Darauf deuteten sowohl die aktuelle Studienlage als auch die Erfahrungen aus anderen Ländern hin, wo der Absatz ungesunder Lebensmittel nach Einführung einer Werberegulierung zurückgegangen sei, schreibt foodwatch.

In Deutschland führe Adipositas zu direkten Folgekosten von geschätzten 17 Milliarden Euro jährlich. Darüber hinaus entstünden indirekte Gesundheitskosten, wie Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz, in Höhe von etwa 33 Milliarden Euro. Da der Anteil von Kindern mit starkem Übergewicht stetig zunimmt, sei davon auszugehen, dass das Gesundheitssystem noch weiter belastet wird, prophezeit die Studie. „Der gesamtwirtschaftliche Nutzen“ des Gesetzes werde „durch die potenziell vermeidbaren Gesundheitskosten einer ungesunden Ernährung die vermeintlichen Kosten auf dem Werbemarkt mehr als aufwiegen“, lautet das Fazit.

Die Fachwelt ist für die Beschränkungen...

Medienvertreter und -verbände haben das Gutachten des Markenverbandes zum Anlass genommen, um in den vergangenen Monaten immer wieder mit Schreckensszenarien vor dem geplanten Kinderschutzgesetz zu warnen. So sei die „Medienvielfalt”, die „Medienfreiheit” und der „unabhängige Qualitätsjournalismus” gefährdet. Angesichts des Erstarkens rechter Kräfte deutete der Chef des Fernsehsenders RTL sogar eine Demokratie-Gefährdung durch die Werbeschranken an.

Anfang 2023 hatte Özdemir Eckpunkte für ein Gesetz vorgestellt, das die Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett oder Salz beschränken soll. So sollen TV-Spots für unausgewogene Produkte im Fernsehen und auf Online-Streamingdiensten nur zu gewissen Uhrzeiten ausgestrahlt werden. Rund um Kindergärten und Schulen soll die Plakatwerbung für Cola, Burger & Co. verboten sein. Wegen des Widerstands der FDP warnten Gesundheits- und Verbraucherverbände, darunter die AOK, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und foodwatch, kürzlich vor einem Scheitern des Gesetzes. Der Gesundheitsschutz von Kindern dürfe nicht den Interessen der Lebensmittel- und Werbewirtschaft untergeordnet werden. Effektive Regelungen zum Schutz der Kinder vor Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett und Salz seien überfällig, so die Organisationen.

...aber FDP, Lebensmittelverband und Werbeindustrie sind dagegen

Das sieht auch Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) und Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) so: „Die DIW-Studie bestätigt, was wir als DANK schon lange fordern: Umfassende Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel sind ein entscheidender Schritt im Kampf gegen Übergewicht und Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen. Wir rufen die Bundesregierung auf, das geplante Gesetz ohne weitere Verzögerungen umzusetzen. Die Gesundheit unserer Kinder muss oberste Priorität haben."

Das sieht der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker anders. Für ihn sind die von Özdemirs Ministerium bisher unterbreiteten Vorschläge „alles andere als zustimmungsfähig, (...)noch nicht mal beratungsfähig", sagte er der Tagesschau. Auch Lebensmittelverband und Werbeindustrie wehren sich gegen die Vorschläge. Sie fürchten eine Überregulierung. Und zweifeln daran, dass Werbeverbote einen positiven Effekt haben.

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