Keramikpreis: Harte vs dämpfungsfähige Okklusionen

M. Kern
Zahnmedizin
Der 16. Forschungspreis der AG Keramik wurde geteilt. Hier eine Kurzfassung der Arbeit des Münchner Teams Güth et al. zum Verschleißverhalten eines CAD/CAM-Komposits versus Lithiumdisilikat-Keramik.

Hintergrund

Vollkeramische Restaurationswerkstoffe haben in den vergangenen Jahren deutlich an Festigkeit zugelegt. Der Einfluss der Oberflächenhärte - besonders von Zirkonoxidkeramik - auf Antagonisten wurde bisher fast nur in vitro simuliert. Und die klinischen Auswirkungen auf das Kiefergelenk sind noch nicht verifiziert. Zudem kamen Kunststoff-dotierte Materialen mit gehärteter Polymermatrix für die CAD/CAM-Verarbeitung auf den Markt, die sich durch Dentin-ähnliche E-Moduli auszeichnen.

Da das Biegemodul näher an dem von Dentin und dem adhäsiver Befestigungsmaterialien liegt, ist eine einheitliche Stressverteilung in der Restauration zu erwarten [Horvath et al., 2016]. Positioniert zum Beispiel für den temporären Einsatz bei der Wiederherstellung der Vertikaldimension durch Kauflächen-Veneers, sind CAD/CAM-Komposite laborverarbeiteten PMMA-Materialen hinsichtlich der Abrasionsstabilität überlegen.

Die durch den niedrigen E-Modul unterstützte Resilienzfähigkeit scheint das CAD/CAM-Komposit auch für Implantatkronen zu qualifizieren [Magne et al., 2013]. In vitro wurde festgestellt, dass CAD/CAM-Komposit auf endodontisch behandelten Zähnen eine erhöhte Ermüdungsresistenz gegenüber Feldspatkeramik zeigt [Magne et al., 2009; Magne/Knezevic, 2009]. Dies belegt, dass die organische Matrix mit verbesserten mechanischen Eigenschaften die klinischen Möglichkeiten der Verbundwerkstoffe noch ausweiten wird.

Das Team

PD Dr. Jan-Frederik Güth, Prof. Dr. Daniel Edelhoff, Dr. Kurt Erdelt aus der  Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität München erhielten den 16. Forschungspreis der Arbeitsgemeinschaft Keramik in der Zahnmedizin für die Studie „Verschleißverhalten von monolithischen Restaurationen aus einem experimentiellen CAD/CAM-Komposit und aus Lithiumdisilikat-Keramik“.

Die Untersuchung:

In der Arbeit der Münchener Arbeitsgruppe, wurde nun das Verschleißverhalten von Lithiumdisilikatkeramik (LS2, gepresst) gegenüber einem neuen, experimentellen CAD/CAM-Komposit an 18 Patienten nach rund zwei Jahren Liegezeit klinisch untersucht (Abbildung). Mit den Werkstoffen waren Zahnhartsubstanzdefekte mit Teilrestaurationen zur Veränderung der Vertikaldimension der Okklusion (Kauflächen-Veneers) versorgt worden.

Ziel der Studie

Die prospektiv angelegte klinische Studie hatte das Ziel, Ergebnisse zur funktionellen Langzeitstabilität und zum maximalen Erhalt der natürlichen Zahnhartsubstanz zu erlangen. Aus der Studie wurden auch Hinweise auf die Einflüsse parafunktioneller Belastungen (Malokklusion, Bruxismus) auf die Restaurationswerkstoffe erwartet.

Durchführung

Lithiumdisilikatkeramik (LS2, gepresst) verfügt über eine biaxiale Biegefestigkeit von 400 MPa; der E-Modul beträgt 95 GPa (vergleiche Schmelz 50-85 GPa); als okklusale Mindeststärke für Teilrestaurationen wurden 1,0 mm festgelegt. Das CAD/CAM-Komposit enthielt 22 Gewichts-Prozent Dimetacrylate und 78 Prozent Bariumglas-Füller. Die Biegefestigkeit betrug 167 MPa, der E-Modul 11,4 GPa (vergleiche Dentin 15-20 GPa). Als Mindestschichtstärke für Frontzahn- und Kauflächen-Veneers wurden 0,3 mm gewählt. Die Innenflächen wurden silikatisiert (Rocatec 30 µm, 1 bar Strahldruck, 5 sec) sowie konditioniert (Monobond Plus); die Teilrestaurationen aus Lithiumdisilikat wurden 20 sec mit HF geätzt und adhäsiv im OK und UK befestigt (Syntac/Variolink II).

Die Verschleißmessung erfolgte periodisch in Intervallen von zwölf Monaten über Präzisionsabformungen (Polyether) und indirekte Digitalisierung zur Erzeugung von STL-Datensätzen, die anschließend mittels eines neuen, iterativen Verfahrens überlagert wurden:

Ergebnisse

Aus den mittleren Verschleißtiefen pro Monat ergaben sich durchschnittliche Verschleißraten von 16,8 µm für Restaurationen aus CAD/CAM-Komposit und 4,8 µm für LS2. Aus den mittleren maximalen Verschleißtiefen pro Monat ergaben sich für ein Jahr Tragedauer Verschleißraten von 168 µm für das CAD/CAM-Komposit und 59 µm für LS2. Dies belegt das deutlich unterschiedliche Verschleißverhalten beider Materialien.

Bei der Interpretation ist allerdings zu beachten, dass Patienten mit Parafunktionen beziehungsweise generalisierten, biokorrosiven Defekten in die Untersuchung eingeschlossen wurden. Es ist also anzunehmen, dass die Verschleißdifferenzen bei funktionell unauffälligen Probanden geringer ausfallen würden.

Festgestellt wurde, dass Restaurationen aus CAD/CAM-Komposit über die Tragedauer eine körperliche Verformung durchliefen. Für den natürlichen Zahnschmelz wurden in anderen Studien Abrasionswerte von 30-40 µm pro Jahr ermittelt. Da die Substanzverluste der Vertikaldimension in beiden Kiefern stattfinden, verdoppeln sich die Verschleißwerte für die Restaurationen. Daraus resultiert ein Höhenverlust für das CAD/CAM-Komposit von 336 µm im Seitenzahnbereich und 117 µm für LS2. Damit scheint LS2die günstigere Langzeitprognose aus verschleißprophylaktischer Sicht aufzuweisen.

Restaurationen aus CAD/CAM-Komposit erfordern jedoch eine geringere Invasivität bei der Präparation und bieten eine höhere Flexibilität gegenüber Keramik. Die polymeren Eigenschaften ermöglichen aufgrund der gesteigerten Kantenstabilität der Restauration eine sehr geringe Schichtstärke, die in vielen Indikationen auch ohne Präparation auskommt. Ferner weisen CAD/CAM-Komposite bei In-vitro-Kausimulationen günstigere Verschleißerscheinungen am Zahnschmelz-Antagonisten auf [Stawarczyk et al., 2015]. Allerdings fehlen bislang klinische Daten zum Verschleißverhalten in Korrelation zu anderen Parametern (statische und dynamische Okklusion, Parafunktionen).

Fazit

Es ist zu erwarten, dass sich die Verschleißunterschiede (LS2versus CAD/CAM-Komposit) in einem erweiterten Zeitfenster noch stärker zeigen werden. Vor dem Hintergrund, dass die Verschleißfläche bei der Generierung von Schlifffacetten zunimmt und somit die einwirkende Kraft zur Fläche geringer wird, kann vermutet werden, dass die vertikale Komponente des Verschleißes über die Zeit geringer ausfällt. Dies zu untersuchen ist unter anderem das Ziel der Gruppe im weiteren Verlauf dieser klinischen Vergleichsstudie.

Manfred Kern, Schriftführung AG Keramikinfo@ag-keramik.de

Dieser Bericht ist eine gekürzte Fassung der Erstpublikation „Antagonisten-Vergleich auf dem Prüfstand“ (ZWR 2017; 127: 1-3) und wurde mit dem 16. Forschungs-Preis der Arbeitsgemeinschaft für Keramik in der Zahnheilkunde (AGKeramik) ausgezeichnet.

Literatur:

  • Horvath SD, Spitznagel FA, Gierthmühlen PC: Hybridmaterialien – Indikation und Bewährung.Zahnärztl. Mitteil. 106; 10A: 56-62 (2016)

  • Magne P, Silva M, Oderich E, Boff LL, Enciso R: Damping behavior of implant-supported restorations.Clin Oral Implants Res 24: 143-148 (2013)

  • Magne P, Knezevic A: Influence of overlay restorative materials and load cusps on the fatigue restistance of endodontically treated molars.Quintessence Int 40(9): 729-737 (2009)

  • Magne P, Knezevic A: Thickness of CAD-CAM composite resin overlays influences fatigue resistance of endodontically treated premolars.Dent Mater 25(10): 1264-1268 (2009)

  • Magne P, Knezevic A: Simulated fatigue resistance of composite resin versus porcelain CAD/CAM overlay restorations on endodontically treated molars.Quintessence Int 40(2): 125-133 (2009)

  • StawarczykB, Liebermann A, Eichberger M, Güth JF: Evaluation of mechanical and optical behavior of current esthetic dental restorative CAD/CAM composites.J Mech Behav Biomed Mater 55: 1-11 (2015)

(Die zweite prämierte Arbeit wird gesondert vorgestellt.)

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.