Medizin

Psychotherapie und Medikamente verlängern Abstinenz

ck/pm
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Eine neue Studie zeigt: Erhalten Alkoholiker zunächst Medikamente und dann zusätzlich psychotherapeutische Betreuung, lassen sich schwere Rückfälle reduzieren oder hinauszögern.

Gezielte Medikation und individuelle Psychotherapie kommen bisher in der Behandlung von Alkoholabhängigen nur selten zum Einsatz. Eine neue Studie zeigt jedoch, dass sich beide in gestuften Behandlungsprogrammen bewähren.

Motivation entscheidet über Therapieerfolg

Entscheidend für den Behandlungserfolg ist eine hohe Motivation der Betroffenen zur Psychotherapie. "Bisher werden Alkoholabhängige in Deutschland vorwiegend von Suchtberatern betreut“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Michael Berner, Oberarzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums und Ärztlicher Direktor der Rhein-Jura-Klinik Bad Säckingen.

„Erst seit wenigen Jahren übernehmen die Krankenkassen auch die Kosten für störungsspezifische, evidenzbasierte Psychotherapien. Nach wie vor lehnen jedoch viele Therapeuten alkoholabhängige Klienten aufgrund vermeintlich geringer Behandlungschancen ab.“ Ähnliches gelte für sogenannte Anti-Craving-Medikamente, die das Verlangen nach Alkohol reduzieren können. Auch sie gehören bislang nicht zur Standardbehandlung.

Psychotherapie vervierfacht Chance auf Abstinenz

In einer gemeinsamen Studie der Universitätskliniken Freiburg, Tübingen und Mannheim konnten Berner und seine Kollegen nun zeigen, dass sowohl Anti-Craving-Medikamente als auch Psychotherapie den nächsten Rückfall hinauszögern können. Bereits die Einnahme von Medikamenten verdoppelte die Chance abstinent zu bleiben. Wurden die Patienten zusätzlich psychotherapeutisch betreut, vervierfachte sich die Wahrscheinlichkeit dauerhafter Abstinenz.

An der Studie nahmen 109 Patienten teil, die während einer Behandlung mit Anti-Craving-Medikamenten beziehungsweise Placebos einen schweren Rückfall erlitten hatten. Sie wurden zufällig einer von zwei Gruppen zugeteilt: 55 Patienten erhielten Medikamente und medizinische Betreuung, während 54 Patienten zusätzlich eine individuell abgestimmte, störungsspezifische kognitive Verhaltenstherapie absolvieren sollten.

Oft fehlt die Willenskraft

Nur 33 Betroffene traten die Therapie jedoch an: „Die prinzipielle Bereitschaft zur Therapie genügt nicht. Oft fehlt die Willenskraft, den Plan auch umzusetzen und einen fremden Therapeuten aufzusuchen. Hier kann eine enge Kooperation und Vernetzung von behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten helfen“, so Berner.

Auch die individuelle Anpassung der Therapie an die Bedürfnisse des Patienten sei entscheidend für den Behandlungserfolg. Von einer Therapie ohne innere Zustimmung (Commitment) des Patienten sei dagegen abzuraten.

Alkoholabhängigkeit als psychische Störung begreifen

„Sowohl die Behandlung mit Anti-Craving-Medikamenten als auch die umfassende Information über die Möglichkeit psychotherapeutischer Betreuung sollten unbedingt zu selbstverständlichen Bestandteilen der Behandlung von Alkoholabhängigkeit werden“, fordert Berner. Dafür sei jedoch auch ein öffentliches Umdenken nötig: Alkoholabhängigkeit müsse als psychische Störung begriffen werden.

Bisher würden Patienten mit Alkoholproblemen oft nicht als Kranke gesehen. “Wenn man die Öffentlichkeit fragt, wo in der Versorgung oder in der Forschung gespart werden soll, werden immer die alkoholbezogenen Störungen zuerst genannt“, so Psychiater Berner.

Titel der Originalpublikation: The Place of Additional Individual Psychotherapy in the Treatment of Alcoholism: A Randomized Controlled Study in Nonresponders to Anticraving Medication - Results of the PREDICT Studyzum AbstracttKontakt:Prof. Dr. Michael BernerKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg/ Rhein-Jura-Klinik Bad SäckingenTelefon: 07761 5600-172dr.m.berner@rhein-jura-klinik.de

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