Medizin

Wie man Gebrechlichkeit im Alter früh erkennen kann

ck/dpa
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Der große Teil der älteren Menschen ist Studien zufolge rüstig. Doch wie kann erreicht werden, dass diese Menschen nicht gebrechlich und später pflegebedürftig werden? Mögliche Alarmzeichen und Ergebnisse aus weiteren Studien zum Altern waren Thema einer Tagung in Hamburg.

"Wir sagen heute nicht mehr, das Gangbild oder die Lunge ist alterstypisch verändert, sondern umgekehrt: Nicht das kalendarische Alter bestimmt die Gang- oder Lungenfunktion, sondern sie diktieren das biologische Alter", sagt die Altersforscherin Jennifer Anders vom Forschungsverbund Lucas.

Erst rüstig, dann plötzlich gebrechlich

Aus der Forschung wisse man, dass ältere Menschen überwiegend rüstig sind. Die Frage sei nun: "Warum rutscht jemand, der bis vor kurzem noch rüstig war, vielleicht auch Sport getrieben hat, an seinen Reserven gearbeitet hat, auf einmal in ein sogenanntes Vorstadium der Gebrechlichkeit hinein?"

Wenn man genauso gut denken, planen und gehen kann 

Auf einem mehrtägigen Treffen in Hamburg zogen Vertreter von sechs vom Bundesforschungsministerium geförderten Forschungsverbünden ein Fazit. Rüstig bedeutet laut Anders vom Albertinen-Haus in Hamburg, dass man im höheren Alter die gleiche Leistungsfähigkeit habe wie ein Mensch zwischen 20 und 60 Jahren, also "genauso gut denken, gehen, sich bewegen kann, den Alltag planen, Freizeitaktivitäten durchführen und sich auch noch für andere engagieren kann".

Fünf Kriterien der Gebrechlichkeit

Mit Gebrechlichkeit bezeichnen die Experten ein Erscheinungsbild, das sich zum Beispiel anhand von fünf Punkten untersuchen lässt, wie Prof. Cornel Sieber aus Regensburg am Freitag sagte: Gewichtsverlust, empfundene Erschöpfung, Schwäche, langsame Gehweise und geringe physische Aktivität. 

In die Lucas-Studie wurden im Jahr 2000 mehr als 3.300 Menschen ab 60 Jahren (ohne Pflegebedarf) aufgenommen. Zu Beginn konnten mehr als 80 Prozent der Beteiligten bei einem Durchschnittsalter von 72 Jahren als rüstig bezeichnet werden. Jährlich werden etwa zehn Prozent der Studienteilnehmer gebrechlich, mit der möglichen Folge von Pflegebedürftigkeit oder Tod, sagte Anders. Mehr als 1.700 der Teilnehmer sind noch am Leben. Auslöser von Gebrechlichkeit können Krankheiten sein oder ein Sturz, der ins Krankenhaus führe. 

Fragebogen als Selbsttest

Die Forscher haben einen Fragebogen zum Selbstausfüllen entwickelt, der als "Alarmsystem" dienen soll und sich unter anderem mit der Mobilität der Senioren befasst. Wer auffällig in diesem Test sei, soll sich an einen Arzt wenden. Geklärt werden müsse, wie dieser Fragebogen nun von Älteren genutzt werden kann und wer die Kosten dafür übernimmt, sagte Anders. 

Auf der Tagung klangen auch nachdenkliche Töne an. So stellte der Münchner Psychosomatiker Prof. Karl-Heinz Ladwig Daten aus einer europäischen Studie vor mit mehr als 55.000 Teilnehmern aus 16 Ländern. Darin sei es unter anderem um die Frage gegangen, ob die Menschen manchmal daran dächten, lieber tot als lebendig zu sein.

Angst vor Schmerzen und Lebensfragen

Ladwigs Aussagen zufolge bejahten dies 17 Prozent der Frauen zwischen 80 und 89 Jahren und rund zehn Prozent der Männer in der gleichen Altersgruppe. Dahinter stecke wohl die Angst vor Schmerzen und Lebensfragen, die auf ältere Menschen zukommen. "Es ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit, die palliative Versorgung noch weiter zu verbessern", sagte Ladwig (Verbund KORA-Age). 

Weiterer wichtiger Punkt: Wie häufig werden potenziell ungeeignete Medikamente an Senioren ab 65 Jahren verordnet? Etwa 20 bis 30 Prozent der älteren Menschen seien davon betroffen, sagte Prof. Petra Thürmann (Universität Witten/Herdecke) vom Verbund Priscus. Teils litten Ältere unter denselben Nebenwirkungen anders als jüngere Menschen, etwa bei Mitteln zur Muskelentspannung bei Rückenschmerzen.

Ungeeignete Medikamente

Wenn ein Medikament die Muskeln erschlafft und ein bisschen müde macht, sei das für Jüngere vielleicht auszugleichen. Aber: "Der Ältere, der schlecht sieht, stolpert vielleicht über die Teppichkante und bricht sich seinen ohnehin schon brüchigen Knochen." Bereits vor einigen Jahren wurde daher die Priscus-Liste mit 83 Wirkstoffen erstellt, die für ältere Menschen problematisch oder ungeeignet sein können.

von Christiane Löll, dpa 

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